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Reformvorschlag zum DCGK: Unternehmensführung soll nachhaltiger werden

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Nach einem ausführlichen Konsultationsverfahren hat die Regierungskommission den neuen Deutschen Corporate Governance Kodex (DCGK) vorgelegt. Die Reform des DCGK soll den Aspekt der Nachhaltigkeit für Unternehmen verstärken. Noch ist der neue DCGK nicht in Kraft. Was von dem Reformvorschlag zu erwarten ist, zeigt dieser Beitrag.

Hintergrund zum DCGK

Der DCGK wird seit dem Jahr 2002 veröffentlicht. Er enthält Empfehlungen, zu denen sich börsennotierte Unternehmen erklären sollen und bildet damit u.a. die Grundlage für Entsprechungserklärungen gemäß § 161 Aktiengesetz (AktG). Schon der erste DCGK im Jahr 2002 griff den Nachhaltigkeitsaspekt auf. So umfassend wie in den aktuellen Entwürfen thematisierte der DCGK den Nachhaltigkeitsaspekt jedoch noch nie. Der neue DCGK tritt erst in Kraft, wenn er durch das Justizministerium im elektronischen Bundesanzeiger bekanntgemacht wird. Bis dahin gilt noch die Fassung vom 16. Dezember 2019, der DCGK 2020.

Wesentliche Änderungen 

Im Mittelpunkt des angepassten DCGK in der Entwurfsfassung steht „ESG“ – die nachhaltige und soziale Unternehmensführung. Daneben erfolgten Anpassungen, die auf dem Gesetz zur Stärkung der Finanzmarktintegrität (FISG) und auf dem Führungspositionen Gesetz in der zweiten Fassung (FüPoG II) basieren.

Im Wesentlichen ergeben sich folgende Änderungen:

ESG für den Vorstand

Der Fokus der nachhaltigen und sozialen, damit ESG-konformen Unternehmensführung wird schon in der Präambel deutlich. Vorstand und Aufsichtsrat berücksichtigen Sozial- und Umweltfaktoren bei der Führung und Überwachung. Dies gebietet das Unternehmensinteresse, denn Sozial- und Umweltfaktoren haben Einfluss auf den Unternehmenserfolg. Wie dies gelingt, zeigt die Empfehlung A.1. des DCGK 2022 in der Entwurfsfassung. Demnach soll der Vorstand die mit den Sozial- und Umweltfaktoren verbundenen Chancen und Risken für das Unternehmen sowie die ökologischen und sozialen Auswirkungen der Unternehmenstätigkeit systematisch identifizieren und bewerten. In der Unternehmensstrategie sollen neben den langfristigen wirtschaftlichen Zielen auch ökologische und soziale Ziele angemessen berücksichtigt werden. Die Unternehmensplanung soll zudem finanzielle und nachhaltigkeitsbezogene Ziele umfassen. Ziel ist damit eine angemessene Berücksichtigung der nachhaltigen Interessen neben den wirtschaftlichen Interessen. Die vorhergehende Konsultationsfassung erweckte noch den Eindruck, einen gleichrangigen Interessenausgleich zwischen nachhaltigen und wirtschaftlichen Interessen zu fordern.

ESG für den Aufsichtsrat

Der Fokus der nachhaltigen und sozialen Unternehmensführung findet sich auch bei den Empfehlungen, die ausschließlich den Aufsichtsrat betreffen. Hier fällt der Regierungsentwurf vom 17. Mai 2022 ebenso zurückhaltender aus. Die in der vorhergehenden Konsultationsfassung noch enthaltene umfassende Empfehlung zu Überwachungstätigkeiten des Aufsichtsrats in Bezug auf Nachhaltigkeitsaspekte ist wieder gestrichen worden. In die Verantwortung genommen wird der Aufsichtsrat aber auch in dem derzeitigen DCGK 2022 in der Entwurfsfassung. Nach der Ergänzung des Grundsatzes 6 umfassen Nachhaltigkeitsfragen auch die Überwachung und die Beratung durch den Aufsichtsrat. Damit Aufsichtsräte wissen, wovon sie sprechen, sollen Aufsichtsräte Expertisen zu den für das betreffende Unternehmen bedeutsamen Nachhaltigkeitsfragen haben, so die Empfehlung C.1 Satz 3.

Neu ist die „Qualifikationsmatrix“ in der Empfehlung C.1 Satz 5. Der Stand der Umsetzung der konkreten Ziele für die Zusammensetzung des Aufsichtsrats und des Kompetenzprofils soll in einer sogenannten Qualifikationsmatrix in der Erklärung zur Unternehmensführung offengelegt werden.

Schließlich soll nach Empfehlung D.7 im Bericht des Aufsichtsrats angegeben werden, wie viele Aufsichtsratssitzungen und Ausschusssitzungen virtuell und wie viele vor Ort stattgefunden haben.

ESG für die interne Revision

Grundsatz 4 des DCGK 2022 in der Entwurfsfassung sieht ein internes Kontroll- und Risikomanagementsystem vor und ergänzt es zur Angemessenheit und Wirksamkeit um eine interne Überwachung. Die interne Überwachung ist nach der Kodexbegründung zu A.5 Aufgabe der internen Revision. Die Angemessenheit und Wirksamkeit der Systeme können zugleich durch freiwillige externe Prüfungen überprüft werden. Auch für die interne Revision wird die Nachhaltigkeit künftig ein Thema werden. Nach der Empfehlung A.3 soll das interne Kontrollsystem und das Risikomanagement daneben nachhaltigkeitsbezogene Ziele miteinschließen. Die internen Kontroll- und Risikomanagementsysteme sollen im Lagebericht beschrieben werden, so die Empfehlung A.5, und schließlich nach dem Grundsatz 5 ein an der Risikolage des Unternehmens ausgerichtetes Compliance Management System umfassen.

Anpassungen durch das FISG

Grundsatz 14 des DCGK 2022 in der Entwurfsfassung sieht die Einrichtung eines Prüfungsausschusses vor. Eine Verpflichtung zur Einrichtung eines Prüfungsausschusses ergibt sich aus § 107 Abs. 4 Satz 1 AktG, der durch das FISG neu hinzugefügt wurde. Demnach haben börsennotierte Unternehmen einen Prüfungsausschuss einzurichten.

Die Empfehlung D.10 sieht vor, dass der Prüfungsausschuss mit dem Abschlussprüfer zusammenarbeiten soll. Der Prüfungsausschuss soll mit dem Abschlussprüfer seine Einschätzungen diskutieren, über den Fortgang der Prüfung soll sich ausgetauscht und berichtet werden. Zudem soll der Prüfungsausschuss auch ohne Vorstand mit dem Abschlussprüfer beraten. Damit ergänzt die Empfehlung D.10 § 109 Abs. 1 Satz 3 AktG, der durch das FISG neu eingeführt wurde und die Teilnahme des Vorstands an den Aufsichtsratssitzungen regelt.

Wie die Mitglieder des Prüfungsausschusses qualifiziert sein müssen, findet sich in Grundsatz 15 des DCGK 2020 in der Entwurfsfassung. Demnach bedarf es mindestens zweier Finanzexperten – einem auf dem Gebiet der Rechnungslegung und einem auf dem Gebiet der Abschlussprüfung. Dies ergibt sich bereits aus §§ 100 Abs. 5, 107 Abs. 4 Satz 3 AktG, die durch das FISG neu eingeführt wurden. Und auch hier findet sich wieder ein ESG-Einschlag: Die neue Empfehlung D.3 sieht vor, dass zu den Kenntnissen und Erfahrungen in der Abschlussprüfung weitere Kenntnisse zur Nachhaltigkeitsberichterstattung einschließlich deren Prüfung gehören.

Anpassungen durch das FüPoG II

Für die Zusammensetzung der Gremien findet sich nun auch in Grundsatz 9 des DCGK 2022 in der Entwurfsfassung eine Mindestbeteiligung der Geschlechter wie durch das FüPoG II vorgesehen. Nach dem Grundsatz 9 gewährleistet der Aufsichtsrat die gesetzlich geregelte Mindestbeteiligung der Geschlechter oder legt im Rahmen gesetzlicher Vorgaben Zielgrößen für den Anteil von Frauen im Vorstand fest.

Handlungsempfehlung

Noch ist der DCGK 2022 eine Entwurfsfassung der Regierungskommission. Gravierende Änderungen werden aber nicht mehr erwartet. Wie schon der Vergleich zur Konsultationsfassung zeigt, liegt der Schwerpunkt in der ESG-konformen Unternehmensführung. Eine nachhaltige Unternehmensführung ist richtig und wichtig. Das haben auch schon zahlreiche Investoren erkannt. Wie in der letzten Entwurfsfassung vorgesehen oder jedenfalls sinngemäß, wird der DCGK 2022 damit wohl zeitnah in Kraft treten.

Haben börsennotierte Unternehmen nicht bereits jetzt schon eine ESG-konforme Unternehmensführung, sollten die Änderungen umgehend geprüft und intern umgesetzt werden. Der Schwerpunkt der ESG-konformen Unternehmensführung wird kommen und die nächste Entsprechenserklärung ohnehin.

Anabel Weinzierl

Rechtsanwältin
Fachanwältin für Arbeitsrecht
Senior Associate
Anabel Weinzierl berät und vertritt nationale und internationale Unternehmen in sämtlichen Bereichen des individuellen und kollektiven Arbeitsrechts. Ihr Schwerpunkt liegt dabei in der laufenden Mandatsbetreuung sowie in der Beratung von Kündigungsrechtsstreitigkeiten. Sie ist Mitglied der Fokusgruppe "ESG".
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