Arbeitgeber wollen möglichst flexibel auf vorübergehenden Vertretungsbedarf reagieren. Ihnen stehen – je nach Ausgangslage – verschiedene Instrumente (Direktionsrecht, Befristung, einvernehmliche Änderung von Arbeitsaufgaben, Änderungskündigung, etc.) hierfür zur Verfügung. Mit der praxisrelevanten Frage, welche Wirksamkeitsanforderungen an einen Widerrufsvorbehalt bei einer vorübergehenden Übertragung höherwertiger Tätigkeiten zu stellen sind, hat sich kürzlich das LAG Hessen (Urteil vom 25.3.2022 – 10 Sa 1254/21) befasst.
Worum ging es?
Der Kläger ist bei dem Beklagten als pädagogischer Mitarbeiter angestellt. Der Beklagte bietet als eingetragener Verein Bildungsangebote im Bereich der hessischen Wirtschaft an. Er gewährte dem Kläger eine widerrufliche Zulage für eine vorübergehende Übernahme von zusätzlichen Aufgaben als Regionalleiter-Assistenz. Hintergrund der Aufgabenübernahme war die gewünschte Entlastung des damaligen Regionalleiters des Beklagten. Der Regionalleiter war wegen gesundheitlicher Probleme in seiner Arbeitsleistung eingeschränkt. In diesem Zusammenhang teilte der Beklagte dem Kläger schriftlich mit:
„Ab dem 1. Oktober 2019 erhalten Sie bis auf Widerruf für die Übernahme von Regionalleiter-Assistenz-Aufgaben eine monatliche Funktionszulage in Höhe von 294 Euro.“
Die Zusatzaufgaben des Klägers fielen später weg, nachdem die Beklagte die Stelle des leistungsgeminderten Regionalleiters mit einem Nachfolger besetzte. Der Beklagte teilte dem Kläger daraufhin mit, dass er die Zusatzfunktion als beendet ansehe und die Zahlung der Zulage nunmehr ende.
Die auf Zahlung weiterer Zulagen gerichtete Klage wies das Arbeitsgericht ab. Auch die Berufung des Klägers hatte keinen Erfolg.
Die Entscheidung des LAG Hessen
Nach Ansicht des LAG Hessen hatte der Beklagte die Zahlung der Zulage wirksam widerrufen. Der Anspruch auf Zahlung der Zulage folge nicht aus § 611a Abs. 2 BGB in Verbindung mit dem Zusage-Schreiben des Beklagten. Es handelt sich vielmehr um eine einseitige Maßnahme und damit um die Ausübung des Direktionsrechts. Diese Zuweisung der höherwertigen Tätigkeit bis zum Widerruf unterliege der AGB-Kontrolle nach den §§ 305 ff. BGB. Diese führe nicht zu dem Ergebnis, dass der Widerruf nach § 306 Abs. 2 BGB in Wegfall gerate und der Kläger Anspruch auf Zahlung nur der Funktionszulage habe. Insbesondere sei hier „die Richtung angegeben“, aus der der Widerruf möglich sein sei. Denn die vorübergehende Zahlung der Zulage sei an die vorübergehende Zuweisung der höherwertigen Tätigkeit der Assistenzaufgaben gekoppelt. Das Transparenzgebot erfordere es nicht, dass die Gründe für den Wegfall der Funktionszulage gesondert aufzuführen seien. Im vorliegenden Fall habe außerdem ein insgesamt berechtigtes Interesse des Beklagten bestanden, die zeitweilige Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit an die Ausübung eines Widerrufs zu knüpfen. Auch die Ausübung des Widerrufs nach § 106 GewO und § 315 Abs. 3 BGB halte einer gerichtlichen Kontrolle stand.
Fazit
Die Entscheidung legt nahe, dass Arbeitgeber mit einem (wirksamen) Widerrufsvorbehalt flexibel auf zeitweiligen Vertretungsbedarf reagieren und damit der Geltung eines bestandsgeschützten „höherwertigen Arbeitsvertrags“ vorbeugen können. Das letzte Wort hierzu wird allerdings das BAG haben. Die Revision ist unter dem Aktenzeichen 10 AZR 192/22 rechtshängig.