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Das neue Nachweisgesetz – Wie ist es umzusetzen?

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Über das neue Nachweisgesetz und die ab August 2022 geltenden Änderungen haben wir auf kliemt.blog bereits am 17. Mai 2022 und am 7. Juli 2022 berichtet. In den ersten Tagen seit Inkrafttreten der Änderungen sind in der Praxis zahlreiche Fragen aufgekommen, die wir im Folgenden beantworten.

1. Genügt die Übersendung des unterschriebenen Nachweises per E-Mail?

Nein, denn das genügt nicht der Schriftform, sondern wäre eine elektronische Form. Der Nachweis der wesentlichen Vertragsbedingungen in elektronischer Form ist nach § 2 Abs. 1 S. 3 NachwG ausgeschlossen. Schriftform bedeutet: Sollen alle wesentlichen Vertragsbedingungen in den Arbeitsvertrag aufgenommen werden, ist der Arbeitsvertrag von beiden Parteien auf derselben Urkunde im Original zu unterzeichnen. Sollen die wesentlichen Vertragsbedingungen – wie wir empfehlen – in einer separaten Nachweisurkunde niedergelegt werden, genügt die eigenhändige Unterzeichnung durch Namensunterschrift durch den Aussteller, also einer vertretungsberechtigten Person des Arbeitgebers. Diese Originalurkunde muss dem Mitarbeitenden anschließend überlassen werden. Eine Empfangsbestätigung der Nachweisurkunde durch den Mitarbeitenden kann dann auch elektronisch unterzeichnet werden oder per E-Mail erfolgen; hier gilt die Schriftform nicht.

2. Kann der Nachweis allein dadurch erfolgen, dass generalisierend auf den Arbeitsvertrag, auf kollektivrechtliche Vereinbarungen oder auf interne Regelungen verwiesen wird?

Wurde dem Mitarbeitenden ein schriftlicher Arbeitsvertrag ausgehändigt, der alle die in § 2 Abs. 1 NachwG aufgezählten Angaben enthält, so entfällt gemäß § 2 Abs. 5 NachwG die Verpflichtung zum separaten Nachweis. Auf den Arbeitsvertrag muss dabei nicht explizit verwiesen werden; ein separater generalisierender Hinweis auf den Arbeitsvertrag kann jedoch erfolgen.

Ein generalisierender Hinweis auf anwendbare Tarifverträge, Betriebs- oder Dienstvereinbarungen sowie Regelungen paritätisch besetzter Kommissionen hingegen genügt nicht. Der Gesetzgeber lässt ausnahmsweise Verweise zu, schränkt sie jedoch auf bestimmte Vereinbarungen ein. Möglich ist nur der Verweis auf anwendbare Tarifverträge, Betriebs- oder Dienstvereinbarungen sowie Regelungen paritätisch besetzter Kommissionen, die auf der Grundlage kirchlichen Rechts Arbeitsbedingungen für den Bereich kirchlicher Arbeitgeber festlegen. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass ein Verweis auf sonstige interne Regelungen wie betriebliche Richtlinien, Mitarbeitendenhandbücher oder Dienstwagenregelungen nicht möglich ist. Sinn und Zweck der Änderung des Nachweisgesetzes ist es gerade, dem Mitarbeitenden den Überblick und den Beweis über die speziell für ihn geltenden wesentlichen Vertragsbedingungen zu erleichtern. Deshalb sind andere als die Ersetzungsmöglichkeiten des § 2 Abs. 4 und 5 NachwG vom Gesetzgeber nicht vorgesehen.

Zum anderen schränkt der Gesetzgeber Verweise auf bestimmte Angaben ein. Nach dem Gesetzeswortlaut kann nur bezüglich der Angaben nach § 2 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 bis 8 und 10 bis 14 NachwG verwiesen werden. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass die Angaben nach den Nummer 1 bis 5, 9 und 15 nochmal eigens nachzuweisen sind, selbst wenn diese etwa auf einer Betriebsvereinbarung oder einem Tarifvertrag beruhen.

3. Ist jede Änderung einer wesentlichen Vertragsbedingung nachzuweisen?

Ja, grundsätzlich ist eine Änderung einer wesentlichen Vertragsbedingung dem Mitarbeitenden nach § 3 NachwG spätestens an dem Tag, an dem sie wirksam wird, schriftlich mitzuteilen. Die Nachweispflicht ist inhaltlich auf die vereinbarten Änderungen der Vertragsbedingungen beschränkt. Die Nachweisurkunde bzw. der die Vertragsbedingungen enthaltende Arbeitsvertrag muss also nicht jedes Mal komplett neu ausgestellt werden. Es reicht, nur den entsprechenden Passus zu ändern bzw. nur die geänderte Vertragsbedingung nachzuweisen.

Ausnahme: Die Nachweispflicht entfällt bei einer Änderung der auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren gesetzlichen Vorschriften, Tarifverträge, Betriebs- oder Dienstvereinbarungen sowie Regelungen paritätisch besetzter Kommissionen, die auf der Grundlage kirchlichen Rechts Arbeitsbedingungen für den Bereich kirchlicher Arbeitgeber festlegen, soweit auf deren Anwendbarkeit ordnungsgemäß nach § 2 Abs. 1 S. 2 Nr. 15 NachwG hingewiesen wurde. Der Mitarbeitende muss wissen, welche dieser Regelungen er im Auge behalten soll. Zusätzlich müssen ihm die in Bezug genommenen Regelungen im Betrieb zugänglich gemacht werden.

Rückausnahme: Der erstmalige Abschluss etwa einer neuen Betriebsvereinbarung oder eines Tarifvertrages fällt ausweislich des Wortlautes des § 3 S. 2 NachwG nicht unter die Ausnahmeregelung, ist also wieder nachweispflichtig.

4. Ist ein Nachweis erforderlich, wenn bei Mitarbeitenden, deren Arbeitsverhältnis vor dem 1. August 2022 bestanden hat, eine wesentliche Vertragsbedingung geändert wird?

Ja, diese Änderung ist nachzuweisen. Zwar sieht § 5 NachwG vor, dass Bestandsmitarbeitenden ein Nachweis nach § 2 Abs. 1 S. 2 NachwG nur nach Aufforderung auszuhändigen ist. Allerdings bezieht sich § 5 NachwG nur auf den Nachweis nach § 2 NachwG, während § 3 S. 1 NachwG auch für Bestandsmitarbeitende gilt. Das heißt: Den bestehenden Mitarbeitenden muss bei der Änderung einer in § 2 Abs. 1 NachwG genannten wesentlichen Vertragsbedingung keine vollumfängliche Nachweisurkunde ausgestellt werden, wenn eine solche nicht vom Mitarbeitenden verlangt wird. Ausreichend, aber auch notwendig, ist nur der Nachweis der geänderten Vertragsbedingung, welcher dann auch ohne Verlangen des jeweiligen Mitarbeitenden spätestens an dem Tag, an dem die Änderung wirksam wird, schriftlich auszuhändigen ist.

5. Ist die Dauer des Arbeitsverhältnisses nur bei befristeten Arbeitsverhältnissen anzugeben?

Ja, das Gesetz sieht diese Angabe nach § 2 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 NachwG ausdrücklich nur bei befristeten Arbeitsverhältnissen vor. Hier ist jedoch Vorsicht geboten. Mittlerweile handelt es sich beim Großteil der Arbeitsverhältnisse um befristete Arbeitsverhältnisse. Die weit verbreitete Arbeitsvertragsklausel, die die Beendigung des Arbeitsverhältnisses eines Mitarbeitenden ohne Kündigung zu dem Zeitpunkt vorsieht, in welchem der Mitarbeitende die Regelaltersgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung erreicht, stellt nämlich eine Befristung dar. Wurde diese Klausel – wie gewöhnlich – in die von beiden Arbeitsvertragsparteien unterschriebene schriftliche Arbeitsvertragsurkunde aufgenommen und wurde diese dem Mitarbeitenden ausgehändigt, muss nur noch über das voraussichtliche Enddatum informiert werden. Wurde der Arbeitsvertrag dagegen mündlich geschlossen oder digital signiert, so ist die Befristung in aller Regel mangels Schriftform nach § 14 Abs. 4 TzBfG unwirksam, was zur Folge hat, dass der Arbeitsvertrag als auf unbestimmte Zeit geschlossen gilt (§ 16 S. 1 TzBfG). In diesem Fall entfällt die Nachweispflicht mangels befristeten Arbeitsverhältnisses.

6. Welche Leistungen sind im Rahmen des § 2 Abs. 1 S. 2 Nr. 7 NachwG („Bestandteile des Arbeitsentgelts“) aufzunehmen?

§ 2 Abs. 1 S. 2 Nr. 7 NachwG verlangt den Nachweis bezüglich Zusammensetzung und Höhe des Arbeitsentgelts „einschließlich der Vergütung von Überstunden, der Zuschläge, der Zulagen, Prämien und Sonderzahlungen sowie anderer Bestandteile des Arbeitsentgelts, die jeweils getrennt anzugeben sind, und deren Fälligkeit sowie die Art der Auszahlung“. Hierunter fallen alle dem Arbeitsentgelt zuzurechnenden Zahlungen, auch freiwillige Leistungen. Neben den genannten Zuschlägen (etwa für Überstunden oder für Sonn- und Feiertagsarbeit), Zulagen, Prämien und Sonderzahlungen sind beispielsweise auch Provisionen, Tantiemen, Gratifikationen, Arbeitgeberleistungen zur Altersvorsorge des Mitarbeitenden, Fahrtgeldzuschüsse, Naturalleistungen und sonstige geldwerte Vorteile aus dem Arbeitsverhältnis (etwa ein Dienstwagen oder eine Dienstwohnung) in die Niederschrift aufzunehmen. Das war bereits in der alten Fassung des Nachweisgesetzes vorgesehen.

7. Muss der Nachweis erbracht werden, wenn ein Arbeitsvertrag vor dem 1. August 2022 geschlossen wurde, der Mitarbeitende aber erst nach dem 1. August 2022 seine Tätigkeit aufnimmt?

Ja. Die neue Nachweispflicht gilt nur dann nicht, wenn das Arbeitsverhältnis bereits vor dem 1 August 2022 „bestanden hat“. Für den „Bestand“ eines Arbeitsverhältnisses kommt es darauf an, wann die gegenseitigen Rechte und Pflichten einsetzen. Das ist bei der Arbeitsaufnahme der Fall. Liegt diese also nach dem 1. August 2022, ist der Nachweis auch ohne Aufforderung durch den Mitarbeitenden zu erbringen.

Mit freundlicher Unterstützung von Nicole Barz, Rechtsreferendarin.

Anabel Weinzierl

Rechtsanwältin
Fachanwältin für Arbeitsrecht
Senior Associate
Anabel Weinzierl berät und vertritt nationale und internationale Unternehmen in sämtlichen Bereichen des individuellen und kollektiven Arbeitsrechts. Ihr Schwerpunkt liegt dabei in der laufenden Mandatsbetreuung sowie in der Beratung von Kündigungsrechtsstreitigkeiten. Sie ist Mitglied der Fokusgruppe "ESG".
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