Neben den unternehmerischen Leitentscheidungen lässt sich nachhaltiges Verhalten der Mitarbeitenden auch durch die Einführung von Umwelt(ethik)richtlinien anregen. Unternehmen nutzen dieses Mittel, um Mitarbeitende über Umweltthemen zu informieren und sie für „richtige“ Verhaltensweisen zu sensibilisieren. Ob und wie der Betriebsrat im Vorfeld zu beteiligen ist, klärt dieser Beitrag.
Grüne Verhaltensrichtlinien und die Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG
Bereits in unseren Blog-Beiträgen vom 20. Juli 2022 und vom 6. Juli 2022 haben wir Aspekte des betrieblichen Umweltschutzes und der Mitbestimmung skizziert. Dieser Beitrag vertieft die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen der Betriebsrat im Rahmen der Aufstellung solcher „grünen“ Verhaltensrichtlinien mitzusprechen hat.
Primär geht es dabei um den Tatbestand des § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG, demzufolge der Betriebsrat in Fragen der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb mitzubestimmen hat. Das betriebliche Zusammenleben und Zusammenwirken der Arbeitnehmer, das der Arbeitgeber kraft seines Direktionsrechts oder seiner Organisationsbefugnis durch das Aufstellen von Verhaltensregeln oder durch sonstige Maßnahmen beeinflussen oder koordinieren kann, steht hier im Fokus.
Maßgeblich ist, ob durch die Aufstellung von (grünen) Verhaltensrichtlinien innerhalb eines Unternehmens das Arbeits- oder das Ordnungsverhalten der Mitarbeitenden betroffen ist, denn nur hinsichtlich letzterem greift der Mitbestimmungstatbestand des § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG ein. Erforderlich ist insoweit eine Bewertung im konkreten Einzelfall. Während das Ordnungsverhalten den Kern des betrieblichen Miteinanders betrifft, konkretisiert das Arbeitsverhalten die Arbeitspflichten zwischen Mitarbeitenden und Arbeitgeber. Da die Arbeitspflicht insbesondere durch Weisungen hinsichtlich des Arbeitsorts, des Arbeitszeitpunkts und der Tätigkeit konkretisiert wird, betreffen nachhaltige Verhaltensrichtlinien im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG überwiegend das Ordnungsverhalten, sodass vieles für eine betriebliche Mitbestimmung zu Verhaltensrichtlinien spricht.
Einschränkungen der Mitbestimmung
Eine Einschränkung besteht allerdings für den Fall, dass Verhaltenspflichten etabliert werden, für die bereits abschließende gesetzliche Regelungen, wie beispielsweise die umweltstrafrechtlichen Vorschriften der §§ 324. ff. StGB, bestehen. Sofern sich Arbeitgeber in ihren ökologischen Verhaltensrichtlinien auf diese Straftatbestände beziehen, kommt diesbezüglich keine Mitbestimmung des Betriebsrats in Betracht. So hat das Landesarbeitsgericht Nürnberg in diesem Zusammenhang ein Mitbestimmungsrecht im Hinblick auf die Mülltrennung verneint: „Soweit den Mitarbeitern im Rahmen der Müllverwertung die Benutzung separater Restmüll- und Biomüllbehälter aufgegeben wurde, handelt es sich um eine von der Arbeitgeberin vorgenommene Umsetzung einer gesetzlichen Vorgabe zur vorrangigen Verwertung von Abfällen (Kreislaufwirtschaftsgesetz), der sie mit der Bereitstellung getrennter Behältnisse und mit der entsprechenden Information der Mitarbeiter nachkommen will. Bei der vorzunehmenden Trennung von Restmüll und Biomüll, um ihre spätere Verwertung zu ermöglichen, handelt es sich um keine öffentlich-rechtliche Rahmenregelung, die einer kollektivrechtlichen Konkretisierung bedarf, insoweit scheidet ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates aus.“ (LAG Nürnberg (4. Kammer), Beschluss vom 14.12.2016 – 4 TaBV 38/16, BeckRS 2016, 131668)
Darüber hinaus dürfen Verhaltensrichtlinien nicht in den Kernbereich der privaten Lebensführung der Mitarbeitenden eingreifen. Die Mitbestimmung in Bezug auf außerbetriebliches Verhalten und die private Lebensführung ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die Grenze ist hier insbesondere im Hinblick auf flexible Arbeitszeiten- und -ortsregelungen (Home-Office) fließend und stark einzelfallabhängig.
Umstritten ist ferner, ob ein Mitbestimmungsrecht auch dann besteht, wenn es um Nutzungsregelungen hinsichtlich des Eigentums des Arbeitgebers, wie beispielsweise Nutzungszeiten für elektronische Geräte, geht. Überzeugend ist es dabei zumindest eine Mitbestimmung für den Fall auszuschließen, in denen das „ob“ und der Umfang der Gestattung der Betriebsmittel geregelt wird.
Das Initiativrecht des Betriebsrats
Neben der Einführung der Verhaltensrichtlinien durch den jeweiligen Arbeitgeber selbst, kann im Rahmen des § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG der Betriebsrat auch selbstständig tätig werden und hinsichtlich der Aufstellung solcher Regelungen die Initiative ergreifen.
Welcher Betriebsrat ist zuständig?
Eine weitere Frage in diesem Zusammenhang ist die Frage der Zuständigkeit des jeweiligen Betriebsrats. Sind die Verhaltensvorschriften unternehmens- oder konzernbezogen anwendbar, kann der Gesamt- oder sofern ein solcher besteht, der Konzernbetriebsrat zuständig sein. Anderenfalls kommt es auf den lokalen Betriebsrat im jeweiligen Betrieb an.
Fazit
Anders als im Hinblick auf eine ökologische und bisweilen disruptive Unternehmenspolitik und -strategie, in der eine Beratung mit dem Betriebsrat im Rahmen der bestehenden gesetzlichen Regelungen von vornherein ausscheidet (vgl. hierzu Göpfert/Stöckert, NZA 2022, 452), dürfte sich dies im Hinblick auf „grüne Verhaltensrichtlinien“ für die Mitarbeitenden anders darstellen. Diese können, je nach Regelungsgegenstand, durchaus den Mitbestimmungstatbestand des § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG auslösen, wobei es auf den jeweiligen Einzelfall ankommt und zahlreiche Ausschlusstatbestände beachtet werden müssen. Es ist auch nicht ausgeschlossen, dass Betriebsräte hier zunehmend die Initiative ergreifen, da die Sensibilität für Umwelthemen in der Gesellschaft weiter steigt. Auch deshalb sollten Unternehmen hierauf entsprechend vorbereitet sein. Dabei ist zu beachten, dass die Mitbestimmung praktisch stark eingeschränkt sein dürfte, da sich das erwünschte Verhalten der Mitarbeitenden regelmäßig auf Betriebsmittel beschränkt und der Gesetzgeber zunehmend auch detaillierte umweltbezogene Anforderungen vorschreibt bzw. zukünftig noch vorschreiben wird.
Vielen Dank an Maximilian Steiner (wissenschaftlicher Mitarbeiter im Münchner Büro) für die Mitwirkung bei der Erstellung des Beitrags.