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Energiekrise – wie kommen Arbeitgeber über den Winter?

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Der Winter und damit die Energiekrise naht. Strom und Gas dürften nicht in den erforderlichen Mengen zur Verfügung stehen. Darüber haben wir hier bereits berichtet. Die Bundesregierung hat auch die Arbeitgeber zum Einsparen von Energie aufgerufen. Eine effektive Möglichkeit zum Energiesparen kann das Anbieten von Homeoffice oder die Absenkung der Temperatur in den Büroräumlichkeiten sein. Was Arbeitgeber beim Energiesparen beachten müssen und wer die Kosten hierfür trägt, zeigt der nachfolgende Beitrag.

Reduzierung der Energiekosten durch Nutzung von Homeoffice

Eine gesetzliche Grundlage, wonach Arbeitgeber Homeoffice aufgrund der Energiekrise einführen können, gibt es bislang nicht. Die Ankündigung von Arbeitsminister Hubertus Heil aus dem Sommer wurde nun doch nicht umgesetzt. Rechtliche Grundlage für das Homeoffice kann derzeit daher nur eine (neue) Kollektivvereinbarung mit dem Betriebsrat oder eine Individualvereinbarung mit den Beschäftigten sein. Eine einseitige Anordnung des Homeoffice auf Basis des Weisungsrechts nach § 106 GewO wird nur in Ausnahmefällen möglich sein, beispielsweise wenn Büroräume aufgrund eines staatlichen Eingriffs nicht mehr geheizt werden dürfen. Hierüber haben wir bereits in unserem Videoblog berichtet.

Mehrkosten durch Homeoffice können von den Beschäftigten zu tragen sein

Grundsätzlich hat der Arbeitgeber nach § 670 BGB analog den Beschäftigten die (Mehr)Kosten zu erstatten, die im Interesse des Arbeitgebers liegen. Nur ausnahmsweise bei einer reinen Freiwilligkeit des Homeoffice besteht kein Erstattungsanspruch der Beschäftigten. Denn der Arbeitgeber muss solche Aufwendungen nicht tragen, die in einem überwiegenden Interesse des Beschäftigten liegen. Höchstrichterlich (BAG, Urteil v. 12.04.2011 – 9 AZR 14/10) ist bereits geklärt, dass ein überwiegendes Interesse des Beschäftigten dann vorliegen kann, wenn ihm freigestellt wird, wo er arbeitet und ihm auch ein betrieblicher Arbeitsplatz zur Verfügung steht.

D.h. der Clou liegt für Arbeitgeber in der Gestaltung: Die Homeoffice-Regelung ist so ausgestaltet, dass die Beschäftigten ein Recht haben, freiwillig im Homeoffice zu arbeiten, jedoch hierzu nicht verpflichtet sind. Dann kann begründet werden, dass das Homeoffice im überwiegenden Interesse der Beschäftigten liegt und dem Grunde nach schon kein Erstattungsanspruch besteht. Für Beschäftigte bietet das Homeoffice durch den kürzen Arbeitsweg eine Kosten- und Zeitersparnis, dafür auch mehr Freizeit.  Auf der Kehrseite müssen Beschäftigte eine eventuell höhere Nebenkostenabrechnung in Kauf nehmen. Selbst wenn Beschäftigte einen Erstattungsanspruch dem Grunde nach hätten, dürfte der Nachweis über die Höhe des Erstattungsanspruchs für Beschäftigte schwierig werden. Schließlich müssen die eigenen vier Wände ohnehin geheizt werden. Zudem fehlt es an der Einflussmöglichkeit des Arbeitgebers hinsichtlich der Raumtemperatur. Karibische Temperaturen im heimischen Arbeitszimmer liegen jedenfalls nicht im Interesse des Arbeitgebers. Wer eventuell höhere Nebenkosten scheut, kann jederzeit im Büro arbeiten und muss dafür die Zeit- und Kosten für den Arbeitsweg in Kauf nehmen. Die Wahl haben damit die Beschäftigten.

Damit die Beschäftigten auf eventuell höheren Nebenkosten nicht sitzen bleiben, hat der Gesetzgeber bereits reagiert: Ab dem Jahr 2023 können Beschäftigte bis zu 200 Homeofficetage á fünf Euro pro Tag und damit bis zu 1.000 Euro von der Steuer absetzen.

Absenkung der Raumtemperatur in den Betriebsräumlichkeiten

Grundsätzlich sind die Anforderungen an die Raumtemperatur an Arbeitsplätzen in der Technischen Regel zur Raumtemperatur (ASR A3.5) festgelegt. Für eine Bürotätigkeit, die regelmäßig eine leichte Hand-/Armarbeit bei ruhigem Sitzen ist, gilt eine Mindesttemperatur von +20 Grad Celsius. Am 1. September 2022 ist die Verordnung zur Sicherung der Energieversorgung über kurzfristig wirksame Maßnahmen (EnSikuMaV) in Kraft getreten. Diese schreibt, je nach Art und Schwere der Tätigkeit, Höchsttemperaturen vor, die nicht überschritten werden dürfen. Verpflichtend sind diese Temperaturen jedoch nur für öffentliche Arbeitgeber oder wenn die Betriebsräume in öffentlichen Gebäuden liegen. Ein Gebäude ist öffentlich, wenn es im Eigentum oder in der Nutzung einer juristischen Person des öffentlichen Rechts steht.

Private Arbeitgeber in privaten Betriebsräumen sind an diese Höchsttemperaturen nicht gebunden. Jedoch dürfen sie für die Geltungsdauer der Verordnung (bis 28. Februar 2023) die Mindesttemperaturen der ASR A3.5 bis zu den Höchsttemperaturen der Verordnung unterschreiten. Diese Ausnahme gilt ausschließlich für Arbeitsräume, nicht aber Toiletten- oder Pausenräume. Entschließt sich der Arbeitgeber, die Raumtemperatur im Büro auf 19 Grad zu senken, kann dem Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht zustehen. Das gilt insbesondere, wenn die Gesundheit der Arbeitnehmer betroffen ist (§ 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG) oder wenn das Energiemanagementsystem abstrakt dazu geeignet ist, Verhalten und Leistung der Beschäftigten zu kontrollieren (§ 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG).

Selbst wenn am Arbeitsplatz eine – nach dem Empfinden einzelner Beschäftigter – zu niedrige Temperatur herrscht, dürfen Beschäftigte nicht einfach die Arbeit verweigern. Ein Leistungsverweigerungsrecht ist erst gegeben, wenn die Verstöße gegen den Arbeitsschutz schwerwiegend sind, also ein konkretes, erhebliches Gesundheitsrisiko für die Beschäftigten ohne Abhilfemöglichkeit besteht. Eine solche Abhilfe könnte jedoch schon das Tragen eines warmen Pullovers sein.

Kurzarbeitergeld dürfte es nur in Ausnahmefällen geben

Einen allgemeinen Anspruch auf Kurzarbeitergeld aufgrund der Energiekrise gibt es nicht. Nur im Ausnahmefall, wenn die Bundesnetzagentur das Gas rationieren würde und der Betrieb daraufhin eingestellt werden müsste, berechtigt dies zu Kurzarbeitergeld. Auch exorbitante Preissteigerungen von Gas und Strom, die es nicht mehr wirtschaftlich erscheinen lassen, die Maschinen weiterlaufen zu lassen, berechtigen nicht zur Inanspruchnahme von Kurzarbeitergeld. Dies ist ein allgemeines Marktrisiko.

Sollte sich die Lage weiter zuspitzen, könnte der Staat aber flexibler reagieren: Am 1. Oktober 2022 ist ein Gesetz in Kraft getreten, das die Bundesregierung ermächtigt, im Bedarfsfall auch nach dem 30. September 2022 im Wege von Verordnungen Sonderregelungen für das Kurzarbeitergeld zu erlassen. Darüber hinaus gelten bis zum 31. Dezember 2022 die Regelungen der Kurzarbeitergeldzugangsverordnung (KugZuV) fort.

Fazit

Arbeitgeber sollten es ihren Beschäftigten freistellen, ob diese lieber von zu Hause aus oder im Büro arbeiten möchten. Ein betrieblicher Arbeitsplatz sollte immer zur Verfügung stehen. Nur dann haben die Beschäftigten keinen Anspruch auf Kostenerstattung. Durch gesteigerte Energiekosten gibt es jedenfalls keinen reflexartigen Anspruch der Beschäftigten auf Kostenbeteiligung durch den Arbeitgeber. Jedoch ist es ratsam, das Gespräch mit den Mitarbeitern zu suchen und eine gemeinschaftliche Lösung zu finden. Der Arbeitgeber kann die Beschäftigten auch dazu ermutigen, Energie zu sparen (z.B. mittels Rundschreiben mit Energiespartipps). Dann muss die Absenkung der Raumtemperatur nicht einseitig von Arbeitgeberseite durchgesetzt werden. Durch ein gemeinsames Zusammenhalten von Arbeitgeber wie Belegschaft sollte das Energiesparen gelingen, damit der Ernstfall – nämlich, dass Betriebe (temporär) die Arbeit einstellen müssen – gar nicht erst eintritt.

Anabel Weinzierl

Rechtsanwältin
Fachanwältin für Arbeitsrecht
Senior Associate
Anabel Weinzierl berät und vertritt nationale und internationale Unternehmen in sämtlichen Bereichen des individuellen und kollektiven Arbeitsrechts. Ihr Schwerpunkt liegt dabei in der laufenden Mandatsbetreuung sowie in der Beratung von Kündigungsrechtsstreitigkeiten. Sie ist Mitglied der Fokusgruppe "ESG".
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