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Künstliche Intelligenz – Mehr Pflichten des Arbeitgebers gegenüber dem Betriebsrat?

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Künstliche Intelligenz wird im Arbeitsverhältnis zunehmend relevanter. Hierauf hat auch der Gesetzgeber reagiert. So findet sich seit der jüngsten, umfangreichen Novellierung des Betriebsverfassungsgesetzes vermehrt der Begriff künstliche Intelligenz. Bei genauem Hinsehen zeigt sich jedoch, dass Mitbestimmungsrechte nicht erweitert wurden, sondern deren Relevanz für den Einsatz von künstlicher Intelligenz lediglich klargestellt wurde. Von besonderer praktischer Bedeutung bleibt für Arbeitgeber jedoch eine klare Strategie, um KI-Systeme effizient und erfolgreich einführen zu können.

Durch die wachsende Digitalisierung und technische Weiterentwicklung gewinnt der Einsatz von künstlicher Intelligenz („KI“) auch im Arbeitsverhältnis zunehmend an Bedeutung. Ein sich bereits verstärkendes Einsatzfeld ist die Bewerberauswahl (hierzu im Detail: Robot Recruiting). Aber auch im Arbeitsalltag kann KI einen erheblichen Einfluss auf Arbeitsverfahren und -abläufe im Betrieb haben.

Hierauf hat der Gesetzgeber reagiert und durch das Betriebsrätemodernisierungsgesetz den Begriff KI im Betriebsverfassungsrecht verankert. Änderungen ergaben sich hierdurch bei den Unterrichtungs- und Beratungsrechten (§ 90 BetrVG), bei Auswahlrichtlinien (§ 95 BetrVG) und bei der Hinzuziehung von Sachverständigen (§ 80 BetrVG). Nicht geändert wurde das Gesetz hingegen bei der Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten (§ 87 BetrVG).

Unterrichtungs- und Beratungsrecht

Der Begriff KI findet sich zunächst beim Unterrichtungs- und Beratungsrecht des Betriebsrats wieder. Der Arbeitgeber muss den Betriebsrat gemäß § 90 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG über die Planung von Arbeitsverfahren und Arbeitsabläufen „einschließlich des Einsatzes von Künstlicher Intelligenz“ unterrichten.

Eine wesentliche Erweiterung des Beteiligungsrechts ergibt sich hieraus jedoch nicht. Entscheidendes Kriterium für die Unterrichtungspflicht des Arbeitgebers bleibt die Frage, ob sich durch eine Maßnahme des Arbeitgebers Arbeitsverfahren oder -abläufe ändern. Dass dies durch den Einsatz von Technik, wie etwa KI, geschehen kann, ist keine Überraschung. Insofern kann die Ergänzung des Gesetzeswortlautes lediglich klarstellend verstanden werden. Auch für die Reichweite des Beteiligungsrechts gilt nichts anderes. Hat die Einführung von KI Auswirkungen auf Arbeitnehmer, insbesondere auf die Art der Tätigkeit und das Anforderungsprofil, hat der Arbeitgeber diese Auswirkungen – wie bei anderen Maßnahmen auch – mit dem Betriebsrat zu beraten. Ein Zustimmungserfordernis des Betriebsrats besteht nach dieser Vorschrift weiterhin nicht.

Auswahlrichtlinien

Bei der Aufstellung von Richtlinien über die personelle Auswahl bei Einstellungen, Versetzungen, Umgruppierungen und Kündigungen hat der Arbeitgeber den Betriebsrat regelmäßig gem. § 95 Abs. 1 und 2 BetrVG zu beteiligen. Der inzwischen eingeführte § 95 Abs. 2a BetrVG stellt klar, dass dem Betriebsrat auch dann ein Mitbestimmungsrecht zukommt, wenn bei der Aufstellung dieser Richtlinien KI zum Einsatz kommt.

Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats wird hierdurch ebenfalls nicht erweitert. Dies zeigt bereits der bloße Verweis der neuen Vorschrift auf die beiden vorangehenden Absätze. Auch stellt die Gesetzesbegründung klar, dass die Bestimmung lediglich dem Zweck diene, bei Arbeitgeber und Betriebsrat das Verständnis und Bewusstsein für den Einsatz von KI zu stärken.

Hinzuziehung von Sachverständigen

Das Gesetz erkennt an, dass eine tatsächliche Schwierigkeit beim Einsatz von KI-Systemen darin liegt, deren Funktionsweise, Potential aber auch Risiken zu begreifen. Hierauf reagiert der geänderte § 80 Abs. 3 S. 2 und 3 BetrVG, indem die Hinzuziehung eines Sachverständigen stets für erforderlich erachtet wird, wenn der Betriebsrat zur Durchführung seiner Aufgaben die Einführung oder Anwendung von KI beurteilen muss.

Allerdings ist es bei komplexen IT-Systemen aus praktischen Gesichtspunkten für den Arbeitgeber häufig ohnehin zu empfehlen, der Hinzuziehung eines Sachverständigen auf Seiten des Betriebsrats zuzustimmen. Es bleibt jedoch dabei, dass sich Arbeitgeber und Betriebsrat auf die Person des Sachverständigen und dessen Honorar einigen müssen.

Beteiligung in sozialen Angelegenheiten

Schließlich ergeben sich auch bei der Beteiligung in sozialen Angelegenheiten durch den Einsatz von KI keine wesentlichen Unterschiede im Vergleich zu anderen komplexen Softwarelösungen.

Für § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG herrscht ein zu weites Verständnis, wonach der Betriebsrat mitbestimmen kann, sobald ein System zur Leistungs- und Verhaltenskontrolle von Arbeitnehmern geeignet ist. Diese Voraussetzung dürfte bei KI-Systemen technisch in der Regel erfüllt sein. Eine rechtliche Erweiterung der Mitbestimmung durch den Betriebsrat im Vergleich zu anderen komplexen IT-Systemen ist mit dem Einsatz von KI jedoch nicht verbunden.

Praktische Herausforderung für den Arbeitgeber

Wie bereits gezeigt, ergeben sich durch den Einsatz von KI aus rein betriebsverfassungsrechtlicher Sicht überschaubare rechtliche Besonderheiten. Insofern kann an dieser Stelle auch die viel diskutierte und häufig unklar beantwortete Frage zurückstehen, wann ein IT-System im Einzelfall unter KI zu fassen ist und wann (noch) nicht.

Doch welche Herausforderung ergibt sich dann für Arbeitgeber bei der Einführung von KI-Systemen?

Die besondere Herausforderung ist praktischer Natur: der Einführungsprozess von KI-Systemen sollte so gestaltet werden, dass dabei der Betriebsrat ebenso abgeholt wird wie die eigene Belegschaft. Der Begriff KI wird gerade wegen seiner Unbestimmtheit und den damit assoziierten Potentialen von Arbeitnehmern nicht selten als „Gefahr“ wahrgenommen. Ziel für Arbeitgeber muss es daher sein, im eigenen Unternehmen Verständnis und Vertrauen für den geplanten Einsatz von KI zu schaffen.

Hierzu gehört neben einer gelungenen Kommunikation gegenüber Betriebsrat und Belegschaft (hierzu im Detail: KI im mitbestimmten Betrieb) auch die Möglichkeit, auf einen geeigneten Sachverständigen auf Betriebsratsseite hinzuwirken, der weiß, wovon er spricht, und in der Lage ist, den Betriebsrat im Verhandlungsprozess sachlich und zielführend zu begleiten (hierzu im Detail: IT-Security Systeme). Je nach Komplexität des geplanten KI-Systems kann es sich auch anbieten, den Einführungsprozess mit Hilfe von „IT Cooperation Agreements“ zu strukturieren, indem sich beide Seiten vorab klare Spielregeln für die Verhandlung geben (hierzu im Detail: Cooperation Agreements). Diese Vereinbarung kann insbesondere auch Regelungen zur Kommunikation mit der Belegschaft beinhalten, die einer (weiteren) Verunsicherung der Belegschaft durch unsachgemäße Betriebsratskommunikation vorbeugt.

Fazit und Ausblick

Der Gesetzgeber hat den Begriff der KI auch im Bereich der Beteiligung des Betriebsrats etabliert. Eine Erweiterung bestehender Beteiligungsrechte des Betriebsrates ist damit bei genauer Betrachtung jedoch nicht verbunden. Lediglich mit Blick auf nötigen Sachverstand ist der Arbeitgeber beim Einsatz von KI unter verringerten Voraussetzungen verpflichtet, dem Betriebsrat die Hinzuziehung eines Sachverständigen zu ermöglichen. Die besondere Herausforderung bei der Einführung von KI-Systemen liegt für Arbeitgeber daher verstärkt darin, durch eine klare und durchdachte Strategie dafür Sorge zu tragen, dass der Mitbestimmungsprozess so gestaltet wird, dass Belegschaft und Betriebsrat den Einsatz von KI mittragen.

Ob sich am bestehenden rechtlichen Rahmen für den Einsatz von KI im Arbeitsverhältnis absehbar etwas ändern wird, bleibt abzuwarten. Die Europäische Kommission arbeitet derzeit an einem Verordnungsentwurf zur Regulierung von KI. Allerdings halten die Diskussion über den Entwurf an, wie etwa die Stellungnahme von Sachverständigen vor dem Deutschen Bundestag zeigt. Mit einer Geltung der neuen Verordnung rechnet die Europäische Kommission nicht vor dem zweiten Halbjahr 2024.

 

Mit tatkräftiger Unterstützung von Lisa Hermann, wissenschaftliche Mitarbeiterin bei KLIEMT.Arbeitsrecht.

Benedict Seiwerth

Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Senior Associate
Benedict Seiwerth berät und vertritt nationale und internationale Unternehmen in sämtlichen Bereichen des individuellen und kollektiven Arbeitsrechts. Neben Restrukturierungsprojekten berät er seine Mandanten zudem in Kündigungsrechtsstreitigkeiten, im Bereich des Betriebsverfassungsrechts sowie in der Vertragsgestaltung. Darüber hinaus besitzt er Erfahrung mit der Beratung und Koordination internationaler Projekte, wie etwa Unternehmenstransaktionen und grenzüberschreitender Arbeitnehmerüberlassung. Er ist Mitglied der Fokusgruppe „Digitalisierung und Mitbestimmung“.
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