Die digitale Transformation ist in aller Munde. Im arbeitspolitischen Kontext geht sie oft einher mit Prognosen zum Arbeitsplatzabbau, fehlender Qualifikation und Mehrbelastung der Arbeitnehmer. Doch stimmt diese Wahrnehmung? Kürzlich erschien der „Index gute Arbeit 2022“, der vom DGB erstellt wird und auf einer repräsentativen Umfrage von abhängig Beschäftigten basiert. Die Ergebnisse lassen Handlungsbedarf deutlich erkennen.
Bestandsaufnahme aus Sicht der Beschäftigten: In Teilen immer noch kritisch
Die digitale Transformation ist alternativlos. Wettbewerbsdruck, Fachkräftemangel und auch die Anforderungen der Klimapolitik zwingen die Unternehmen dazu, Digitalisierungs- und Automatisierungsmöglichkeiten zu nutzen. Dies geschieht auch im zunehmenden Maße. Immerhin bereits 70% der Unternehmen in Deutschland haben nach eigenen Angaben eine Digitalisierungsstrategie. Nach Einschätzung der Beschäftigten befasst sich diese Strategie jedoch zu wenig mit den Auswirkungen auf Arbeitnehmer und deren Arbeitsplätze. Auch scheint die Digitalisierung nach dem Empfinden der Beschäftigten keine Erleichterung bei der Arbeitsbelastung zu bringen: Nach dem Umfrageergebnis berichten nur 9% von einer geringeren Belastung durch die Digitalisierung. Von einer gestiegenen Arbeitsmenge berichten hingegen fast 50%. Gerade aufgrund der immens gestiegenen Nutzung von Videokonferenzen wird eine Mehrbelastung empfunden. Denn hierdurch nimmt die Frequenz von Besprechungen zu, häufig ohne Pausen zwischen den Konferenzen. Dies war früher bereits physisch bei persönlichen Meetings gar nicht möglich. Was ebenfalls kritisiert wird, sind die mangelnden Einflussnahmemöglichkeiten auf die Digitalisierung.
Was hingegen positiv auffällt und sich im Vergleich zum letzten „Index gute Arbeit“ aus dem Jahr 2016 verbessert hat ist, dass deutlich mehr Beschäftigte angeben, der Arbeitgeber biete betriebliche Schulungen an. Der Nutzen der Schulungen wird allerdings gemischt gesehen. Auch der Überwachungsdruck hat abgenommen. Dies mag auch an einem Gewöhnungseffekt und der Tatsache, dass auch im privaten Leben immer mehr Technologien mit Überwachungsfunktionen genutzt werden, liegen.
Verständnis und Einstellung als Schlüssel für die Beschäftigten
Nach wie vor ist es unerlässlich, die Beschäftigten auf dem Weg der Transformation mitzunehmen. Dass dies nur möglich ist, wenn sie auch in der Lage sind, mit der neuen Technik ohne Zeitverluste umzugehen, ist mittlerweile den meisten Unternehmen klar. Es sollte hier bei den Schulungen nicht gespart werden, denn Qualität ist entscheidend. Wenn eine Schulung nichts bringt, ist das schlimmer als gar keine Schulung. Oft ist es auch besser, einen Kollegen/eine Kollegin als lokalen Key Digital Support und Ansprechpartner einsetzen zu können als einen externen Berater (höhere Akzeptanz; Nachhaltigkeit, bessere Kenntnis der Interna). Hier müssen die Führungskräfte Potentiale erkennen. Auch ist ein auffälliges Ergebnis des Indexes, dass die Beschäftigten das digitale und technisierte Umfeld zwar mittlerweile akzeptieren, aber nicht das Gefühl haben, es erleichtert ihnen den Arbeitsalltag. Das ist natürlich ein Hindernis sowohl für die Bereitschaft, sich das erforderliche Know-how anzueignen als auch dafür, eine positive Einstellung zur Digitalisierung zu entwickeln. Die Einstellung, Digitalisierung sei ein „notwendiges Übel“, ist nicht hilfreich für die Motivation und die Offenheit gegenüber neuen Arbeitsmitteln und Methoden. Als Folge werden dann die Veränderungen auch mehr als Belastung empfunden, selbst dann, wenn es faktisch gar nicht der Fall ist.
Klare Unternehmensstrategie ist die Basis
Um diese Einstellung zu „drehen“, sind neben der Unternehmensführung auch die einzelnen Führungskräfte und die Arbeitnehmervertretungen gefragt. Die positive Einstellung und die Überzeugung, dass die Digitalisierung Nutzen bringt, hat zunächst als Voraussetzung, dass die Unternehmensführung ihre Strategie erklärt und vor allem, wie und in welchem Zeitplan diese umgesetzt werden soll. Hier muss auch der Betriebsrat ins Boot geholt werden. Gerade der Schutz vor Überlastung der Beschäftigten und der Schutz von Mitarbeiterdaten muss auch Bestandteil der Strategie sein, denn dies ist die größte „Spielwiese“ des Betriebsrates. Auch muss klar werden, was die Unternehmensführung eigentlich mit der Digitalisierung erreichen möchte und was hierbei der Gesamtbenefit auch für die Belegschaft ist. Gerade die Angst vor einem Arbeitsplatzverlust sollte zum Beispiel genommen werden, wenn ein Abbau aufgrund der Digitalisierung gar nicht geplant ist. Die Führungskräfte müssen verstehen, was der Plan ist und warum welche technischen Methoden eingeführt werden sollen. Denn die bloße Weisung, ein neues technisches System zu nutzen, genügt nicht zu einer hinreichenden Motivation des Mitarbeiters.
Auch die Beschäftigten als Stakeholder begreifen
Was der aktuelle „Index gute Arbeit“ ebenfalls deutlich zeigt ist, dass sich die Mitarbeiter nicht genug in die Entscheidungsprozesse einbezogen fühlen und kaum Einflussmöglichkeiten auf den Digitalisierungsprozess verspüren. Auch dem sollte Abhilfe verschafft werden. Denn wer sich beteiligen darf, ist motivierter. So hilft gutes Ideenmanagement dabei, dass sich die Mitarbeiter „gehört“ fühlen. Auch sollten die Mitarbeiter gefunden und gefördert werden, die eine besonders hohe Affinität zu den neuen Technologien haben. Diese können mit ihrem Wissen und ihrer Einstellung ihren Kollegen und auch den Führungskräften helfen und helfen, Motivation im Team entwickeln.
Der fehlende Erfolg von Digitalisierungsstrategien ist mittlerweile nicht (mehr) auf das fehlende Wissen zu den Technologien zurück zu führen, sondern auf das fehlende Verständnis für die Sinnhaftigkeit und die daraus (mit)resultierende mangelnde Motivation. Auch der Arbeitsschutz spielt noch eine zu kleine Rolle. Diese Aspekte sind für die Unternehmensführungen stärker in ihre Strategie und deren Umsetzung einzubeziehen. Der Beginn ist hier die gute Kommunikation der Strategie an alle Stakeholder und deren Einbeziehung unter Nutzung des bereits vorhandenen Wissens.