Im Idealfall wird ein Kündigungsschutzprozess gewonnen, im Regelfall verglichen. Selten klagt sich der Arbeitnehmer erfolgreich zurück ins Unternehmen. Für HR-Abteilungen gehört ein solches Re-Onboarding meist nicht zu den Standardprozessen und birgt erhebliches Streitpotential. Es ist an die Abrechnung des Annahmeverzugslohns, ggf. samt Zinsen, an parallele oder Zwischen-Arbeitsverhältnisse und deren anderweitigen Verdienst sowie an Urlaubsansprüche zu denken.
Führt der Arbeitnehmer erfolgreich einen Kündigungsschutzprozess gegen den Arbeitgeber, gilt die Kündigung als von Anfang an unwirksam. Das Arbeitsverhältnis war somit nie beendet und der Arbeitnehmer ist wieder zu den vorherigen arbeitsvertraglichen Konditionen zu beschäftigen. Sollen arbeitgeberseitig keine weiteren Beendigungsmaßnahmen eingeleitet werden, ist ein „Re-Onboarding“ nötig und auch die Zeit des Kündigungsschutzprozess ist ordnungsgemäß abzurechnen.
Re-Onboarding
Der Arbeitnehmer müsste zunächst wieder alles erhalten, um seine arbeitsvertragliche Tätigkeit zu erbringen. Dazu gehört die (IT-)Ausstattung, die entsprechenden Zugänge zu den Systemen des Arbeitgebers, ggf. auch ein analoger Arbeitsplatz. Bei betriebs- und personenbedingten Kündigungen stellt sich die Frage, welche Tätigkeit der Arbeitnehmer noch erbringen kann. Im Vorfeld dazu ist eine – von einer entsprechenden Klausel im Arbeitsvertrag gedeckte – Zuweisung einer anderen Tätigkeit oder der Ausspruch einer Änderungskündigung zu prüfen.
Annahmeverzugslohn
Sofern der Arbeitnehmer während des Kündigungsschutzprozesses nicht aufgrund einer vereinbarten oder abgelehnten Prozessbeschäftigung (Blogbeitrag vom 14. Juni 2021) oder einer ggf. erzwungen Weiterbeschäftigung tätig war (Blogbeitrag vom 15. Januar 2020), stellt sich die Frage des Annahmeverzugslohns. Hat die Kündigung das Arbeitsverhältnis nicht beendet und der Arbeitgeber die mit der Kündigungsschutzklage konkludent angebotene Arbeitsleistung des Arbeitnehmers nicht angenommen, befindet sich der Arbeitgeber im Annahmeverzug und schuldet weiter den Lohn.
Zwischenverdienst und das doppelte Arbeitsverhältnis
Ist der Arbeitnehmer während der Zeit des Kündigungsschutzprozesses tatsächlich einer anderweitigen Tätigkeit nachgegangen, wird ihm dieser Verdienst auf den Annahmeverzugslohn angerechnet. Sofern der Arbeitnehmer jedoch nicht nur ein vorübergehendes neues Arbeitsverhältnis für die Dauer des Prozesses eingegangen ist, befindet er sich mit erfolgreichem Prozess gleichzeitig in zwei Arbeitsverhältnissen. In diesem Fall erleichtert das Gesetz dem Arbeitnehmer die Lösung vom alten Arbeitgeber durch ein Sonderkündigungsrecht. So kann er die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses binnen einer Woche nach Rechtskraft des Urteils durch Erklärung verweigern. Entscheidet sich der Arbeitnehmer für das neue Arbeitsverhältnis, verkürzt sich der Lohnanspruch gegen den alten Arbeitgeber weiter. Der Arbeitnehmer kann dann nur für die Zeit zwischen der Kündigung und dem Eintritt in das neue Arbeitsverhältnis Annahmeverzugslohn verlangen. Auch ein Ausgleich für einen etwaigen niedrigeren Verdienst bei dem neuen Arbeitgeber ist ausgeschlossen.
Das böswillige Unterlassen
Der Anspruch auf Annahmeverzugslohn gilt jedoch nicht uneingeschränkt: der Arbeitnehmer muss sich auf den nachzuzahlenden Lohn dasjenige anrechnen lassen, was er während des Kündigungsschutzprozesses durch anderweitige Arbeit verdient hat oder durch zumutbare Arbeit hätte verdienen können. Insbesondere Letzteres stellte den Arbeitgeber vor die Herausforderung, dem Arbeitnehmer etwaige Verdienstmöglichkeiten, über die er kaum Informationen erhalten konnte, entgegenzuhalten. Eine Erleichterung brachte das Bundesarbeitsgericht im Jahr 2020 (27. Mai 2020 – 5 AZR 387/19), indem es dem Arbeitgeber einen Auskunftsanspruch über Vermittlungsvorschläge der Agentur für Arbeit und des Jobcenters zusprach. So hat der Arbeitgeber gegebenenfalls eine Möglichkeit, den Lohnanspruch des Arbeitnehmers zu verringern.
Arbeitslosengeld und Gleichwohlgewährung
Der Arbeitnehmer bezieht im Regelfall seit dem Ausspruch der Kündigung Arbeitslosengeld. Die sogenannte „Gleichwohlgewährung“ sichert den Arbeitnehmer während der Dauer des Verfahrens finanziell ab. Dieses Arbeitslosengeld reduziert allerdings den Anspruch auf Annahmeverzugslohn üblicherweise nicht. Umgekehrt ist das Arbeitslosengeld bei Nachzahlung der Vergütung an die Agentur für Arbeit zurückzuzahlen. Hier muss der Arbeitgeber darauf achten, dass er nicht doppelt zahlen muss. Denn in Höhe des geleisteten Arbeitslosengelds geht der Vergütungsanspruch auf die Agentur für Arbeit über, und die Auszahlung der Vergütung an den Arbeitnehmer in Höhe des Arbeitslosengeldes ist dem Arbeitgeber untersagt.
Verzugszinsen?
Zusätzlich kann der Arbeitnehmer Anspruch auf Verzugszinsen für die Dauer des Lohnverzugs in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz pro Jahr haben. Hiergegen kann der Arbeitgeber einwenden, den Verzug nicht verschuldet zu haben, da er auf die Wirksamkeit der Kündigung vertrauen durfte. Dafür ist der Arbeitgeber jedoch darlegungs- und beweisbelastet und die Hürden für eine Entschuldigung sind hoch. Sollte die Kündigung dennoch nicht offensichtlich unbegründet gewesen sein, lässt sich durch eine entsprechende Argumentation sicherlich eine angemessene, vergleichsweise Lösung finden. In Höhe des erhaltenen Arbeitslosengeldes kann der Arbeitnehmer lediglich Zinsen vom Arbeitgeber bis zum jeweiligen Eingang der Sozialleistung verlangen.
Urlaub: Abbau durch Freistellung
Je länger der Kündigungsschutzprozess dauert, desto mehr Urlaubsansprüche des wiederkehrenden Arbeitnehmers haben sich aufgetürmt. Hier ist genau zu prüfen, wie viel Urlaub infolge einer unwiderruflichen Freistellung bis zum Ende der Kündigungsfrist abgebaut wurde. Besteht das Arbeitsverhältnis das gesamte Urlaubsjahr in dem die Kündigungsfrist geendet ist, kann grundsätzlich der gesamte Urlaub des Jahres abgebaut werden. Schließlich entsteht der vollständige Urlaubsanspruch bereits am 1. Januar. Sollte die Kündigungsfrist in der ersten Jahreshälfte enden, ist der Abbau der Urlaubsansprüche für das gesamte Jahr – für den Fall der Unwirksamkeit der Kündigung – laut Rechtsprechung (BAG, 17. Mai 2011 – 9 AZR 189/10) transparent in der Freistellungserklärung aufzunehmen.