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Arbeitszeit

Die neuen Vorgaben des Bundesarbeitsgerichts zur Arbeitszeiterfassung bringen das Thema Arbeitszeit und Mehrarbeit wieder verstärkt in den Fokus. Umso wichtiger, dass Arbeitgeber die Zusammenhänge und Unterschiede zwischen Arbeitszeiterfassung (Arbeitszeit-Compliance) und Vergütung der Arbeitsleistung kennen und beachten.

Muss der Arbeitgeber die gesamte Arbeitszeit systematisch erfassen? Ja, sagt das Bundesarbeitsgericht. Folgt daraus die Pflicht des Arbeitgebers, die erfasste Arbeitszeit zu bezahlen oder in Freizeit auszugleichen? Nein.

Im Arbeitsleben besteht eine enge Verknüpfung zwischen gearbeiteten Stunden und Vergütung. Wer seine Arbeitszeit dokumentiert (sieht), stellt sich automatisch die Frage nach deren (vollständigem) Ausgleich in Freizeit oder Geld. Arbeitgeber sollten bei der Unterscheidung zwischen Arbeitszeit-Compliance und Vergütung sattelfest sein, damit nicht durch die Hintertür der Arbeitszeiterfassung Vergütungsforderungen aufschlagen. Gerade bei Sonderformen der Arbeit, z.B. bei Überstunden, Dienstreisen, mobiler Arbeit oder Bereitschaftszeiten laufen aufzeichnungs- und vergütungspflichtige Arbeitszeit nicht parallel.

Erfassung vs. Vergütung von Arbeitszeit

Die Pflichten Erfassung der Arbeitszeit und Vergütung der Arbeitsleistung gehören zu zwei unterschiedlichen Welten:

Die Pflicht zur Erfassung der Arbeitszeit stammt aus dem Öffentlichen Recht.
Sie ist Teil des Arbeitsschutzrechts. Der Staat legt im Arbeitszeitgesetz verbindlich fest, wie lange Arbeitnehmer täglich und wöchentlich maximal arbeiten dürfen, an Arbeitstagen pausieren und zwischen diesen ruhen müssen. Von den Vorgaben des Arbeitszeitgesetzes dürfen die (Tarif-) Vertragsparteien nur in engen Grenzen abweichen.
Die vom BAG verordnete Aufzeichnungspflicht dient der Kontrolle, ob der Arbeitgeber die Vorgaben des Arbeitszeitgesetzes und damit den Arbeitsschutz einhält, kurz der Arbeitszeit-Compliance. Dazu zählen besonders die Einhaltung von Höchstarbeitszeiten (§ 3 ArbZG) Mindestruhezeiten (§ 5 ArbZG).

Die Pflicht zur Vergütung von Arbeitnehmern stammt aus dem Privatrecht.
Verträge bestimmen, welche Arbeitsleistung der Arbeitgeber wie vergütet. Die Vergütung ist Gegenstand der freien Verhandlung zwischen den Vertragsparteien und kann auch pauschal erfolgen. Nur wenige Grenzen (Equal Pay, Mindestlohn, Sittenwidrigkeit) schränken die Verhandlungsfreiheit über die Vergütung ein. Zur Vergütung von Arbeitszeit gehört neben Bezahlung der Freizeitausgleich. Wer seine Überstunden abfeiern darf, bekommt diese vergütet – nicht in Geld, sondern in bezahlter Freizeit.
Das Bundesarbeitsgericht trennt die Vergütung klar von der Arbeitszeit-Compliance: „Die vergütungsrechtliche Arbeitszeit bestimmt sich unabhängig davon, ob es sich um Arbeitszeit im arbeitsschutzrechtlichen Sinne handelt.“

Der Arbeitnehmer hat nicht automatisch einen Anspruch auf Vergütung der Stunden, die der Arbeitgeber aus Gründen der Arbeitszeit-Compliance erfasst.

Für alle Tätigkeiten des Arbeitnehmers mit Bezug zum Arbeitsverhältnis müssen sich Arbeitgeber daher zwei voneinander unabhängige Fragen stellen:

  1. Muss ich die Tätigkeit als Arbeitszeit erfassen – weil es sich um Arbeitszeit im Sinne des öffentlich-rechtlichen Arbeitsschutzrecht handelt?
  2. Muss ich die Tätigkeit als Arbeitsleistung vergüten – weil es sich um vergütungsrechtliche Arbeitszeit handelt? Und wenn ja, wie muss ich die Zeit vergüten (Grundgehalt, Zuschlag, Pauschale, bezahlte Freistellung etc.)?

Als Daumenregel gilt: Vieles ist erfassungspflichtige Arbeitszeit (siehe dazu die Blog-Beiträge Mobile Arbeit und Arbeitszeit und Blog-Beitrag zu Reisezeiten). Und doch muss eben nicht alles (gleich) vergütet werden.

Klare Trennung von Arbeitszeiterfassung und Vergütung notwendig

Arbeitgeber sollten bei der Arbeitszeiterfassung klarstellen, dass die dokumentierten Zeiten keinen Einfluss auf Vergütungsansprüche der Arbeitnehmer haben. Das gilt unabhängig davon, ob es sich um einseitig vom Arbeitgeber erlassene Regelungen (Anweisungen, Policies etc.) oder Betriebsvereinbarungen zur Arbeitszeiterfassung handelt.

Dazu kann z.B. folgender Hinweis verwendet werden:

„Die Erfassung der Arbeitszeit dient ausschließlich der Arbeitszeit-Compliance, insbesondere der Kontrolle von Höchstarbeits- und Mindestruhezeiten nach dem Arbeitszeitgesetz. Sie hat keine Geltung für Vergütungsansprüche, insbesondere beweist sie nicht die Anordnung von Überstunden.“

Bei einer verschriftlichen Regelung sollte es nicht bleiben; weitere Leitlinien sind zu berücksichtigen:

  • Die Daten der Arbeitszeiterfassung sollten regelmäßig kontrolliert, nicht aber gegenüber dem Arbeitnehmer quittiert oder gar „freigegeben“ werden.
  • Die Daten der Arbeitszeiterfassung sollten nicht zur Dokumentation von Gehaltsabrechnungen verwendet werden.
  • Regelmäßigen Überschreitungen der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit sollte nachgegangen werden, auch wenn diese sich noch im Rahmen der Arbeitszeit-Compliance bewegt.
    Beispiel: Vereinbart ist eine 37 Stundenwoche, das entspricht bei einer Fünftagewoche einer täglichen Arbeitszeit von 7 Stunden und 24 Minuten. Eine im 24 Wochendurchschnitt tägliche Arbeitszeit von 9 Stunden und 36 Minuten bewegt noch im Rahmen der Arbeitszeit-Compliance.
    Erfasst der Arbeitnehmer regelmäßig montags bis freitags 8,5 Stunden/Tag sollte die Führungskraft das Gespräch suchen. Leistet der Arbeitnehmer wirklich täglich mehr als eine Überstunde oder erfasst er die Arbeitszeit zu großzügig? Wenn er mehr als seine vertraglich vereinbarte Arbeitszeit leistet, woran liegt es? Findet zu viel Arbeit den Weg auf den Schreibtisch des Arbeitnehmers oder ist dieser schlecht organisiert?
Überprüfung der Vergütungsregelungen

Der Fokus auf die Arbeitszeit-Compliance verschafft der Vergütung trotz der strikten Trennung mehr Aufmerksamkeit. Wer seine Arbeitszeit dokumentiert (sieht), stellt sich automatisch die Frage nach deren (vollständiger) Bezahlung bzw. nach Freizeitausgleich.

Arbeitgeber sollten die BAG-Entscheidung daher auch zum Anlass nehmen, die Vergütungsregelungen zu überprüfen, insbesondere:

  • Passen vereinbarte Wochenarbeitszeit und geleistete Arbeitsstunden noch zueinander?
  • Sind die Regelungen zur Abgeltung von Überstunden wirksam? Siehe dazu auch der Blog-Beitrag zu pauschaler Überstundenabgeltung.
  • Bieten Pauschalen oder Regelungen zu Freizeitausgleich sinnvolle Alternativen?
  • Gibt es im Unternehmen klare Regelungen zur Vergütung von Sonderformen der Arbeit, z.B. von Fahrzeiten, Dienstreisen, Umkleide- und Duschzeiten oder Bereitschaftsdiensten?
Fokus Vertrauensarbeitszeit

Besonders wichtig ist die klare Trennung von Arbeitszeit-Compliance und Vergütung für Unternehmen, die Vertrauensarbeit praktizieren und die Arbeitszeiterfassung an die Arbeitnehmer delegieren. Das bleibt nach der BAG-Entscheidung zulässig.

Dabei dürfen Arbeitgeber nicht aus den Augen verlieren, dass die Delegation Handlungsbedarf mit Blick auf die Arbeitszeit-Compliance und Vergütung auslöst: Trotz Delegation der Arbeitszeiterfassung bleiben die Arbeitgeber für die Arbeitszeit-Compliance verantwortlich. Delegation muss mit regelmäßiger Kontrolle der erfassten Daten einhergehen. Verstöße gegen die Arbeitszeit-Compliance muss der Arbeitgeber unterbinden. Den Leitlinien zur Trennung von Arbeitszeiterfassung und Vergütung und zur Überprüfung von Vergütungsregelungen sollten Arbeitgeber besondere Aufmerksamkeit schenken.

KLIEMT.Arbeitsrecht




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