Frauen verdienen in Deutschland im Durchschnitt immer noch weniger als Männer in vergleichbaren Positionen. Bisher bestehende gesetzliche Regelungen, insbesondere das 2017 in Kraft getretene Entgelttransparenzgesetz (EntgTranspG) vermochten diese Lücke nicht zu schließen. Nun wird die EU tätig – die Abstimmung über den zuletzt vorgelegten Richtlinien-Entwurf zur Entgelttransparenz am 29. März 2023 gilt nur noch als Formsache. Unter anderem was den Auskunftsanspruch anbelangt, wird das deutsche Gesetz der Überarbeitung bedürfen.
Rechtliche Grundlagen und Ausgangssituation
Ob AEUV, GG, AGG oder EntgTranspG – es gibt bereits eine Vielzahl an Rechtsgrundlagen, die dazu dienen sollen, den Entgeltgleichheitsgrundsatz zwischen Männern und Frauen bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit durchzusetzen. Doch verändert hat sich wenig. Vor allem die praktische Bedeutung des EntgTranspG war und ist gering. Vor diesem Hintergrund hat die Europäische Kommission im März 2021 einen Vorschlag für eine Richtlinie „zur Stärkung der Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für Männer und Frauen bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit durch Lohntransparenz und Durchsetzungsmechanismen“ vorgelegt. Nunmehr liegt auch der Entwurf der Trilog-Verhandlungen der Europäischen Kommission, des Ministerrats und dem Europäischen Parlament („Provisional agreement resulting from interinstitutional negotiations“ vom 21.12.2022) vor. Es ist wahrscheinlich, dass die Richtlinie gleichlautend am 29. März 2023 von dem Parlament verabschiedet wird.
Inhalt des Richtlinienentwurfs und Neuerungen
Die wesentlichen Neuerungen des Richtlinienvorschlags haben wir bereits in dem Blogbeitrag vom 29.04.2021 skizziert. Der letzte Entwurf wird noch einige weitere Neuerungen mitbringen, die vor allem häufig über die bisherigen Regelungen des EntgTranspG hinausgehen.
Der Auskunftsanspruch als weitreichendste Neuerung
Die wohl weitreichendste Neuerung dürfte der in Art. 7 des Entwurfs vorgesehene individuelle Auskunftsanspruch sein. Ein solcher Auskunftsanspruch ist bereits aus §§ 10 ff. EntgTranspG bekannt. Doch das EntgTranspG wird insbesondere hier Anpassungen erfahren müssen. Die wesentlichen Unterschiede werden sein:
- Die Richtlinie sieht keine betriebliche Mindestgröße vor. Anders als bisher gemäß § 12 Abs. 1 EntgTranspG soll ein solcher Auskunftsanspruch bereits in Kleinbetrieben und nicht erst in Betrieben mit in der Regel mehr als 200 Beschäftigten Auskunft bestehen.
- Arbeitnehmer haben das Recht, „über ihr individuelles Einkommen und über die Durchschnittseinkommen zu verlangen und schriftlich zu verlangen, aufgeschlüsselt nach Geschlecht und für die Gruppen von Arbeitnehmern, die gleiche Arbeit wie sie oder gleichwertige Arbeit verrichten.“ Dabei soll nicht mehr der bislang in Deutschland zugrunde gelegte statistische Median zugrunde gelegt werden.
- Zudem wird das Vergleichsentgelt auch anzugeben sein, wenn die Vergleichstätigkeit von weniger als sechs Beschäftigten des jeweils anderen Geschlechts ausgeübt werden. Eine Mindestgrenze ist nicht vorgesehen.
- Den Auskunftsanspruch sollen Arbeitnehmer – entsprechend einem im letzten Entwurf neu eingefügten Absatz – auch durch „ihre“ Vertreter oder Gleichbehandlungsstellen i.S. von Art. 20 RL 2006/54/EG geltend machen können, womit wohl jedwede entsprechend bevollmächtigte Person gemeint sein soll.
- Im Fall der Geltendmachung hat der Arbeitgeber die Auskünfte innerhalb einer angemessenen Frist zur Verfügung zu stellen, wobei der Entwurf dahingehend präzisiert wurde, dass der Arbeitgeber dem Auskunftsverlangen nicht später als zwei Monate nachkommen darf.
- Darüber hinaus sind die Arbeitnehmer jährlich über ihr Auskunftsrecht zu informieren.
- Zudem dürfen Arbeitnehmer nicht gehindert werden, ihr Entgelt offen zu legen. Diese bereits im Vorschlag zur Richtlinie vorhandene Regelung wurde nun ebenfalls noch einmal dahingehend ergänzt, als den Mitgliedstaaten die Pflicht auferlegt werden soll, vertragliche Vereinbarungen zu verbieten, die Beschäftigte daran hindern sollen, Informationen über die Entgelt preiszugeben. Die Wirksamkeit solcher Klauseln ist ohnehin nach wie vor umstritten.
Sonstige Neuerungen
- Transparenz vor Beginn eines Beschäftigungsverhältnisses: Stellenbewerber sollen das Recht haben, vom künftigen Arbeitgeber Informationen über das auf „objektiven geschlechtsneutralen Kriterien beruhende Einstiegseinkommen für die betreffende Stelle oder dessen Spanne erhalten“. Ziel ist es, transparente und ausgewogene Gehaltsverhandlungen sicherzustellen. Bewerber dürfen ferner nicht mehr nach ihrer aktuellen und früheren Lohnentwicklung gefragt werden. Eine bislang in der Rechtsprechung nicht höchstrichterlich abschließend beantwortete Frage, die in der Praxis ohnehin aber seltener eine Rolle gespielt haben dürfte. Die genderneutrale Stellenausschreibung und -bezeichnung sowie die Pflicht, Bewerbungsverfahren in einer nichtdiskriminierenden Art und Weise durchzuführen dürften ohnehin außer Frage stehen.
- Berichtspflicht: Hervorzuheben ist zudem eine Berichtspflicht nach Art. 8 des Richtlinien-Entwurfs, die nunmehr bereits für Arbeitgeber mit mindestens 100 Beschäftigten gelten soll. Zeitpunkt und Häufigkeit der Berichterstattung sollen allerdings sodann je nach Beschäftigtenzahl unterschiedlich geregelt werden. Sollte sich im Rahmen der Berichterstattung ein Unterschied zwischen den Geschlechtern in Höhe von mindestens fünf Prozent des Durchschnittseinkommens, z.B. bezogen auf das Grundgehalt, herausstellen, der nicht durch objektive und geschlechtsneutrale Faktoren gerechtfertigt ist, dann ist zusammen mit den Arbeitnehmervertretern eine gemeinsame Entgeltbewertung vorzunehmen, deren Inhalt Art. 9 näher geregelt ist. Die Informationen sind den Arbeitnehmern barrierefrei zur Verfügung zu stellen.
- Weitere Regelungen: Schließlich enthält der Entwurf weitere Regelungen in Kapitel drei zu Rechtsmitteln und Rechtsdurchsetzung. Auch Sanktionen, sofern gegen die Vorschriften verstoßen wird, die „wirksam, verhältnismäßig und abschreckend“ sein sollen, sollen eingeführt werden, wobei die Mitgliedstaaten in der Ausgestaltung frei sind.
Ausblick
Das Vorhaben der EU ist dem Gedanken nach unterstützenswert. Allerdings ist fraglich, ob es hilft, den Grundsatz des „Equal Pays“ durch mehr Entgelttransparenz durchzusetzen. Der Auskunftsanspruch könnte insbesondere für kleine und mittelständische Unternehmen einen enormen Bürokratieaufwand bedeuten. Zugleich wird er den Beschäftigten wenig Nutzen bringen, folgt daraus doch nicht unmittelbar ein Anspruch auf entsprechende individuelle Anpassung des Entgelts. Ansprüche auf Entschädigung sind zwar denkbar, doch fallen diese regelmäßig nicht allzu hoch aus.
In jedem Fall sollten Arbeitgeber erst einmal abwarten, inwiefern der Gesetzgeber das EntgTranspG anpasst und welche Sanktionen er gegebenenfalls vorsieht. Bis zur Entgeltgleichheit wird es in jedem Fall noch ein längerer Weg sein. Der Equal Pay Day wird uns daher wohl noch ein paar Jahre erhalten bleiben.