Frauen und Männer erhalten in der betrieblichen Realität nicht selten ein unterschiedliches Entgelt für die gleiche Arbeit. Trotz des gesetzlichen Verbotes einer entsprechenden Entgeltdiskriminierung kann die Ausschüttung abweichender Entgeltbestandteile jedoch zulässig sein, wenn für die Ungleichbehandlung nicht das Geschlecht ursächlich ist. Das Vorliegen zulässiger Differenzierungskriterien für die Entgeltbemessung ist jedoch für Arbeitgeber regelmäßig schwer zu beweisen, wie ein aktuelles Urteil des LAG Baden-Württemberg zeigt.
Die Compliance-gerechte Ausrichtung der Unternehmensführung an ESG-Kriterien macht es für Arbeitgeber unverzichtbar, grundsätzliche Entgeltgleichheit zwischen den Geschlechtern herzustellen. Die einschlägigen gesetzlichen Regelungen hierfür halten § 3 und § 7 des Entgelttransparenzgesetzes (EntgTranspG) bereit. Hiernach ist eine unmittelbare oder mittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts im Hinblick auf sämtliche Entgeltbestandteile oder Entgeltbedingungen bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit verboten. Aber Entgeltgleichheit ist nicht immer Entgeltgerechtigkeit.
Bei der Festlegung von Vergütungskomponenten dürfen Beschäftigte unterschiedlichen Geschlechts daher ausnahmsweise ungleich behandelt werden, wenn hierfür nicht das Geschlecht, sondern andere plausible Bemessungskriterien ausschlaggebend sind. Solche zulässigen geschlechtsunabhängigen Bemessungskriterien können etwa die Berufserfahrung, das Dienstalter oder die Arbeitsqualität sein. Die Rechtsprechung stellt jedoch hohe Anforderungen an die Darlegungs- und Beweislast von Arbeitgebern in einem arbeitsgerichtlichen Verfahren. Für den Nachweis einer zulässigen Entgeltdiskriminierung ist daher ein beachtlicher prozessualer Aufwand zu betreiben.
Die Grundsätze der Darlegungs- und Beweislast im Entgeltdiskriminierungsprozess
Das EntgTranspG enthält selbst keine Regelung zur Darlegungs- und Beweislast mit Blick auf das Vorliegen einer Entgeltdiskriminierung. Vielmehr verweist es in § 2 Abs. 2 Satz 1 EntgTranspG ausdrücklich auf das AGG, das danach „unberührt bleibt“. Von dieser Verweisung wird auch § 22 AGG erfasst, der damit auch im Rechtsstreit um geschlechtsunabhängiges gleiches Entgelt für gleiche sowie gleichwertige Arbeit maßgebend ist.
Vor diesem Hintergrund trifft die Beweislast für das Vorliegen einer Diskriminierung beim Entgelt aufgrund des Geschlechts grundsätzlich den Arbeitnehmer, der sich diskriminiert glaubt und deshalb gegen seinen Arbeitgeber Klage auf Beseitigung dieser Diskriminierung erhebt. Es ist folglich zunächst Sache dieses Arbeitnehmers, zu beweisen, dass sein Arbeitgeber ihm ein niedrigeres Entgelt zahlt als seinen zum Vergleich herangezogenen Kollegen und dass er die gleiche oder eine gleichwertige Arbeit verrichtet, so dass er dem ersten Anschein nach Betroffener einer nur mit dem unterschiedlichen Geschlecht erklärbaren Diskriminierung ist.
Besteht danach die Vermutung einer Benachteiligung, trägt der Arbeitgeber die Beweislast dafür, dass der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht verletzt worden ist. Der Arbeitgeber muss im Zuge dessen Tatsachen vortragen und gegebenenfalls beweisen, aus denen sich ergibt, dass kein Verstoß gegen das Entgeltgleichheitsgebot vorliegt, sondern ausschließlich andere Gründe als das Geschlecht zu einer ungünstigeren Behandlung geführt haben (vgl. BAG v. 21.01.2021 – 8 AZR 488/19).
Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg
In einem aktuell vom LAG Baden-Württemberg entschiedenen Fall war zwischen den Parteien unstreitig, dass jedenfalls die Gehaltsbestandteile „Grundgehalt“ und „Dividendenäquivalent“ bei der Klägerin geringer als beim Median ihrer männlichen Vergleichsgruppe ausfielen. Zur Rechtfertigung dieser Unterscheidung hatte sich der Arbeitgeber darauf berufen, dass die männlichen Kollegen der Klägerin durchschnittlich etwas länger im Unternehmen beschäftigt seien und dass die Klägerin unterdurchschnittlich „performed“ habe.
Das LAG stellte zunächst auf Grundlage der obigen Ausführungen ein Indiz für eine Verletzung des Grundsatzes der Entgeltgleichheit fest, das vom Arbeitgeber zu widerlegen war. Diese Wiederlegung sei ihm jedoch – so das Gericht – durch die bloße Berufung auf eine längere Betriebszugehörigkeit männlicher Kollegen und eine schlechtere Leistung der Klägerin nicht gelungen. Der Arbeitgeber habe damit die von ihm angewandten (grundsätzlich zulässigen) Differenzierungskriterien nicht hinreichend konkret dargestellt. Denn aus seinen Angaben sei nicht hervorgegangen, wie er die Kriterien „Betriebszugehörigkeit“ und „Arbeitsqualität“ im Einzelnen bewertet und wie er diese Kriterien zueinander gewichtet habe. Damit habe er keine Tatsachen angegeben, die eine wirksame Kontrolle und Nachprüfung der Einhaltung des Grundsatzes der Entgeltgleichheit durch die Gerichte ermöglicht hätten. Dies wirkte sich zu seinen Lasten aus, so dass der Klage stattgegeben wurde (Pressemitteilung zu LAG Baden-Württemberg v. 19.06.2024 – 4 Sa 26/23).
Fazit
Arbeitgeber dürfen Beschäftigten unterschiedlichen Geschlechts dann unterschiedliche Gehaltskomponenten gewähren, wenn die Differenzierung nicht mit dem Geschlecht zusammenhängt. Zur Darlegung dieser zulässigen Diskriminierung ist jedoch ein umfangreicher prozessualer Sachvortrag erforderlich. So müsste etwa unter dem Gesichtspunkt „Arbeitsqualität“ ausgeführt werden, weshalb und inwiefern bei dem diskriminierten Beschäftigten „schlechte“ und bei den besser bezahlten Mitarbeitern anderen Geschlechts „bessere“ Arbeitsergebnisse vorliegen. Hieran anknüpfend müssten die Arbeitsergebnisse ins Verhältnis zueinander gesetzt und plausibel mit der jeweils gezahlten Vergütung verknüpft werden. Ein aufwändiges Unterfangen, das Arbeitgeber regelmäßig betreiben sollten, sobald ihnen Entgeltsdiskriminierungen auffallen und nicht erst, wenn die ersten Prozesse „anstehen“. Dies gilt erst Recht vor dem Hintergrund der europäischen Entgelttransparenzrichtlinie, die in Deutschland bis 2026 umgesetzt werden muss (vgl. hierzu unseren Blog-Beitrag vom 24. April 2024)