Regelmäßig werden Arbeitsverhältnisse im gerichtlichen Verfahren durch Vergleich beendet. Statt den Resturlaub des Arbeitnehmers im Einzelnen zu bestimmen und abzugelten, wird dabei im Rahmen eines „Gesamtpakets“ häufig per Tatsachenvergleich vereinbart, dass sich die Parteien darüber einig sind, dass der Urlaub bereits in natura gewährt wurde. In welchen Fällen durch einen solchen Tatsachenvergleich auch auf den gesetzlichen Mindesturlaub bzw. deren Abgeltung verzichtet werden kann, wird in der obergerichtlichen Rechtsprechung – je nach Zeitpunkt – diskutiert.
Voraussetzungen des Tatsachenvergleichs
Grundsätzlich steht es den Arbeitsvertragsparteien frei, sich in einem Vergleich i. S. d. § 779 Abs. 1 BGB auch über tatsächliche Gegebenheiten, einschließlich des (Nicht-) Bestehens von Resturlaub, zu einigen. In solchen Tatsachenvergleichen liest man häufig, dass „der Urlaub genommen wurde“ oder „Urlaubsansprüche in natura gewährt worden sind“. Dies setzt jedoch bereits dem Wortlaut des § 779 BGB nach voraus, dass eine „Ungewissheit“ im Tatsächlichen besteht. Ist das Entstehen, der Umfang oder die Nichterfüllung des Urlaubsanspruchs aber unstreitig, kann kein wirksamer Tatsachenvergleich hierüber geschlossen werden. In diesem Fällen handelt es sich bei dem vermeintlichen Tatsachenvergleich in Wahrheit um einen Erlass i. S. d. § 397 Abs. 1 BGB. Kommt es zu vorgerichtlichen Vergleichsverhandlungen, sollte daher sorgfältig geprüft werden, ob der Urlaubsanspruch tatsächlich unstreitig ist, bevor dieser ggf. gegenüber der anderen Partei gegenüber (schriftlich) zugestanden wird.
Kein Verzicht auf Urlaub im laufenden Arbeitsverhältnis
Der Verzicht auf den Urlaubsanspruch ist im laufenden Arbeitsverhältnis nach § 13 Abs. 1 S. 3 BurlG nicht möglich. Hintergrund dessen ist, dass der Erholungsurlaub der Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer dient, weshalb keine Anreize geschaffen werden sollen, auf ihn zu verzichten (vgl. EuGH, Urt. v. 6.11.2018 – C-684/16). Der gesetzliche Schutzzweck würde verfehlt, wenn der Anspruch auf Urlaub oder Urlaubsabgeltung während des Arbeitsverhältnisses durch eine Vereinbarung der Arbeitsvertragsparteien ausgeschlossen oder beschränkt werden könnte (BAG, Urt. v. 14.5.2013 – 9 AZR 844/11).
Verzicht auf den Abgeltungsanspruch im Vergleich? Auf den Zeitpunkt kommt es an
Was gilt jedoch für den Urlaubsabgeltungsanspruch, wenn das Arbeitsverhältnis bereits beendet ist oder sein Ende bereits sicher feststeht? Unproblematisch möglich und höchstrichterlich geklärt ist, dass auf den Urlaubsabgeltungsanspruch verzichtet werden kann, wenn das Arbeitsverhältnis zum Verzichtszeitpunkt bereits beendet ist. Denn dann sei der Urlaubsabgeltungsanspruch – so das BAG – ein reiner Geldanspruch, der als solcher ohne Besonderheiten neben anderen Geldansprüchen steht. An der These, dass der Urlaubsabgeltungsanspruch „Surrogat“ des Urlaubsanspruchs sei und damit weder vor noch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses auf ihn verzichtet werden könnte, hat das BAG nicht festgehalten (BAG, Urt. v. 14.5.2013 – 9 AZR 844/11).
Nicht selten wird jedoch in Vergleichen auch erst das Ende des Arbeitsverhältnisses zu einem künftigen, aber bereits konkret feststehenden Beendigungsdatum vereinbart. Wird bei einem solchen schon feststehenden Ende des Arbeitsverhältnisses auf den Urlaub(sabgeltungs)anspruch verzichtet, so sei ein der Erlassvertrag nach neuerer Auffassung des LAG Köln (Urt. v. 11.4.2024 – b 7 Sa 516/23) wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot (§ 134 BGB i.V.m. § 13 BUrlG) unwirksam. Zuvor hatte das LAG Köln (Urt. v. 8.11.2012 – 7 Sa 767/12) und – ihm folgernd – auch das LAG Berlin-Brandenburg (Urt. v. 19.2.2016 – 8 Sa 1923/15) noch vertreten, dass ein derartiger Verzicht durch den Arbeitnehmer per Vereinbarung möglich sei. Denn dieser müsse der Vertragsautonomie des Arbeitnehmers überlassen bleiben. Es sei nicht erklärbar, aus welchen Gründen der Arbeitnehmer über den Zahlungsanspruch nicht wie über jeden sonstigen Zahlungsanspruch aus dem Arbeitsverhältnis verfügen könne.
Für die Praxis
Gegen die neuere Entscheidung des LAG Köln wurde Revision eingelegt (Az. 9 AZR 104/24). Es bleibt zu hoffen, dass das BAG die Regelung der Urlaubsabgeltung beim sicher absehbaren Ende des Arbeitsverhältnisses den Parteien überlässt. Regelmäßig werden offene Urlaubsansprüche ohnehin im Rahmen des „finanziellen Gesamtpakets“ bei den Verhandlungen berücksichtigt. Eine Unverzichtbarkeit führte lediglich dazu, dass die Parteien vor einer Vereinbarung zunächst – je nach Sachlage ggf. mit hohem Aufwand – den verbleibenden Urlaubsanspruch und die Höhe der Abgeltung bestimmen müssten, um sich über die Gesamtkonditionen zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu einigen. Für die Praxis bedeutet dies bis zur Entscheidung des BAG, dass bereits bei den Vergleichsverhandlungen auf den Zeitpunkt und den richtigen Umgang mit dem Resturlaub bzw. dessen Abgeltung geachtet werden muss, um „teure“ Überraschungen im Nachgang des Vergleichs zu vermeiden. Zur Reichweite einer Ausschlussklausel bei unterbliebener Regelung zur Urlaubsabgeltung siehe auch unseren Blogbeitrag hierzu vom 4.8.2021.