Nachvertragliche Wettbewerbsverbote bei Vorstandsmitgliedern und Geschäftsführern sind von großer praktischer Bedeutung. Da hier – anders als bei Arbeitnehmern – klare gesetzliche Regelungen fehlen, besteht aber vielfach Rechtsunsicherheit. Der Bundesgerichtshof (BGH) stärkt nunmehr die Vertragsfreiheit der Parteien: Ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot muss bei Organmitgliedern keine Gegenleistung in Form einer Karenzentschädigung vorsehen. Wird dennoch eine Karenzentschädigung vereinbart, kann wirksam vertraglich geregelt werden, dass diese bei Verstößen gegen das Wettbewerbsverbot entfällt – auch rückwirkend (BGH, Urteil vom 23.4.2024 – II ZR 99/22).
Keine gesetzliche Regelung einer Karenzentschädigung
Für Arbeitnehmer gilt nach § 74 Abs. 2 HGB: Ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot ist nur verbindlich, wenn der Arbeitnehmer als Gegenleistung eine (monatlich zahlbare) Karenzentschädigung in Höhe von 50 % der zuletzt bezogenen vertragsgemäßen Leistungen erhält. Auf Geschäftsführer einer GmbH und Vorstandsmitglieder einer AG ist diese Norm dagegen nicht anwendbar, auch nicht analog.
Sittenwidrigkeit eines entschädigungslosen Wettbewerbsverbots?
Allerdings sind auch bei Organmitgliedern Wettbewerbsverbote nicht schrankenlos möglich. Es gilt insbesondere die Grenze der Sittenwidrigkeit (§ 138 BGB). Nach ständiger Rechtsprechung des BGH sind nachvertragliche Wettbewerbsverbote nur wirksam, wenn sie zum Schutz eines berechtigten Interesses der GmbH bzw. AG erforderlich sind und in räumlicher, gegenständlicher und zeitlicher Hinsicht das notwendige Maß nicht überschreiten.
Unklar war aber bisher, ob auch das Fehlen einer Karenzentschädigung zur Sittenwidrigkeit führt. Der BGH hatte dies zwar wiederholt verneint. Allerdings wurde in der juristischen Literatur vielfach darauf verwiesen, dass die entsprechenden Urteile bereits älteren Datum seien und Fälle beträfen, die den Wettbewerb nur in Bezug auf bestehende Kunden untersagten (Kunden- bzw. Mandantenschutzklauseln). Es sei daher zweifelhaft, ob auch umfassende Wettbewerbsverbote entschädigungslos möglich seien.
Urteil des BGH schafft Klarheit
Der BGH schafft nunmehr – ohne nähere Auseinandersetzung mit dieser Streitfrage – Klarheit: Auch ein umfassendes nachvertragliches Wettbewerbsverbot, das jegliche Konkurrenztätigkeit untersagt, bedarf keiner Karenzentschädigung.
Konkret ging es in dem Fall des BGH um einen Anstellungsvertrag eines GmbH-Geschäftsführers, in dem eine Karenzentschädigung für die Dauer des zweijährigen nachvertraglichen Wettbewerbsverbots vorgesehen war. Für den Fall eines Verstoßes gegen das Wettbewerbsverbot war der Entfall der Karenzentschädigung vereinbart – und zwar „ex tunc“, also rückwirkend von Anfang an. Die Gesellschaft zahlte die vereinbarte Karenzentschädigung nicht, der ehemalige Geschäftsführer nahm nach ca einem Jahr eine Wettbewerbstätigkeit auf. Der BGH wies die Klage des Ex-Geschäftsführers auf Zahlung der Karenzentschädigung ab, auch für die Zeit, in der er sich noch an das Wettbewerbsverbot gehalten hatte.
Da ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot auch ohne jegliche Karenzentschädigung zulässig sei, sei es auch möglich, das nachträgliche Entfallen der Karenzentschädigung wirksam vertraglich zu vereinbaren.
Auswirkungen für die Praxis
Die Mehrheit der nachvertraglichen Wettbewerbsverbote in Anstellungsverträgen von Organmitgliedern sieht derzeit Karenzentschädigungen vor. Gesellschafter und Aufsichtsräte werden zukünftig häufiger verstärkt entschädigungslose nachvertragliche Wettbewerbsverbote anstreben. Dies setzt aber naturgemäß die Bereitschaft des Vertragspartners voraus, auch ohne Gegenleistung ein solches Verbot zu akzeptieren.
Zu beachten ist zudem, dass es sich im Fall des BGH nicht um AGB handelte und der BGH daher die Klausel explizit keiner Prüfung am Maßstab der §§ 305 ff BGB unterzog. Ist die vertragliche Regelung dagegen – wie häufig der Fall – als AGB einzuordnen, mag das Ergebnis einer gerichtlichen Inhaltskontrolle auch anders ausfallen können: Immerhin wird dem Organmitglied hierdurch der Anspruch auf die zugesagte Leistung nachträglich auch für Monate entzogen, für die er seine Gegenleistung (das Unterlassen von Wettbewerb) bereits erbracht hat.