In Krisenzeiten positionieren sich Betriebsratsmitglieder (häufig auch in der Presse) politisch. So gab es zuletzt von einigen Betriebsratsmitgliedern öffentliche Kritik nicht nur an den Entscheidungen der Arbeitgeber, sondern auch an einzelnen Parteien, Politikern oder der amtierenden Bundesregierung. Solche Äußerungen sind nicht unbeschränkt erlaubt. Können Arbeitgeber etwas dagegen tun?
I. Verbot parteipolitischer Betätigung
Um den Betriebsfrieden zu schützen, haben Arbeitgeber und Betriebsrat gleichermaßen jede parteipolitische Betätigung im Betrieb zu unterlassen (§ 74 Abs. 2 S. 3 BetrVG).
Nicht erlaubt sind beispielsweise parteipolitische Werbung, die Veranlassung von parteipolitischen Resolutionen, Sammlungen von Unterschriften oder Geldspenden für eine bestimmte Partei, das Abhalten von politischen Abstimmungen oder Umfragen im Betrieb, politische Stellungnahmen zu außerbetrieblichen Maßnahmen sowie die Einladung eines Spitzenpolitikers auf eine Betriebsversammlung zum Halten einer Rede im Wahlkampf. Erlaubt sind nach der Rechtsprechung des BAG hingegen Äußerungen allgemeinpolitischer Art, die eine politische Partei, Gruppierung oder Richtung weder unterstützen noch sich gegen sie wenden (BAG vom 17. März 2010 – 7 ABR 95/08).
II. Zweck des Verbots
Das Verbot greift nicht nur dann, wenn eine konkrete Gefährdung des Betriebsfriedens zu befürchten ist. Es besteht auch abstrakt wegen der in einer parteipolitischen Betätigung liegenden potenziellen Gefährdung des Betriebsfriedens. Das Verbot soll auch die parteipolitische Neutralität des Betriebsrats gewährleisten. In der Praxis führt eine Politisierung des Betriebs häufig zu Spannungen und Konflikten unter den Arbeitnehmern, was das Betriebsklima belasten und Arbeitsabläufe stören kann. Aus diesem Grund wird der Schutz des Betriebsfriedens und der Belegschaft vor Einflussnahme auf Wahl- und Meinungsfreiheit im Betrieb höher gewichtet als das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung (Art. 5 Abs. 1 GG).
III. Adressat des Verbots
Das Verbot richtet sich sowohl an den Arbeitgeber als auch an den Betriebsrat. Die einzelnen Arbeitnehmer sind nicht Adressat des Verbots. Für sie gilt aber die allgemeine arbeitsvertragliche Pflicht, den Betriebsfrieden und die Arbeitsabläufe nicht zu stören (vgl. hierzu auch unsere Blogbeiträge vom 30. Juli 2019 und 1. März 2021). Anders als bei dem Verbot parteipolitischer Betätigung für Betriebsräte und Arbeitgeber muss der Betriebsfrieden durch die einzelnen Arbeitnehmer aber konkret gestört werden.
IV. Handlungsoptionen für Arbeitgeber
Nach der neueren Rechtsprechung des BAG steht dem Arbeitgeber kein Unterlassungsanspruch gegen den Betriebsrat wegen eines Verstoßes gegen das Verbot parteipolitischer Betätigung zu. Das BAG begründet dies mit der fehlenden Vollstreckbarkeit eines Unterlassungsanspruchs gegen den Betriebsrat und der hinreichenden Sanktionierung von Verstößen des Betriebsrats mangels Vermögen.
Der Arbeitgeber kann deshalb nur per Feststellungsantrag die Unrechtmäßigkeit einer parteipolitischen Betätigung klären lassen. Grobe Verstöße des Betriebsrats gegen seine Pflicht zur parteipolitischen Neutralität berechtigen zudem den Arbeitgeber, beim Arbeitsgericht die Auflösung des Betriebsrats zu beantragen (§ 23 Abs. 1 Satz 1 BetrVG).
V. Fazit
Einige der aktuellen offiziellen Äußerungen von Betriebsratsmitgliedern in ihrer Rolle (z.B. ausdrückliche Kritik an Politikern und Parteien durch Betriebsräte von Unternehmen der Automobilbranche oder auch die Warnung vor einzelnen Parteien) dürften gegen das Verbot parteipolitischer Betätigung verstoßen. Allerdings handelt es sich bei bloßen Äußerungen und Kritik wohl nicht um grobe Verstöße, die zu einer Auflösung berechtigen. Unternehmen bleibt dann nur der Feststellungsantrag, wenn sie die Äußerungen so nicht dulden möchten. Eine gegenteilige öffentliche Stellungnahme eines Unternehmens dürfte in den meisten Fällen schließlich ebenfalls gegen das Verbot der parteipolitischen Betätigung verstoßen.
Das Verbot wird wegen der sich wandelnden politischen Lage in Deutschland trotz der fehlenden Rechtsschutzmöglichkeiten wohl künftig wieder mehr in den Fokus gelangen.