Der Begriff „Carve-out“ bezeichnet die Ausgliederung und den Verkauf eines Unternehmensteils aus einem bestehenden Unternehmen. Viele Unternehmen in Deutschland haben in den letzten Jahren gezeigt, dass solche Verselbständigungen zur Optimierung der Unternehmensstruktur sowie Beschleunigung von Transformationsprozessen wirtschaftlich vorteilhaft sein können. Dabei sind jedoch auch damit verbundene arbeitsrechtliche Herausforderungen zu erkennen und erfolgreich zu bewältigen.
In unserem Blogbeitrag vom 29. November 2021 hatten wir bereits über die „Sanierungsfähigkeits-Prüfung“ bei Carve-out-Projekten sowie die personalpolitische Sicht hierbei berichtet. Im Folgenden beleuchten wir die wichtigsten arbeitsrechtlichen Aspekte eines Carve-outs und geben praktische Tipps, wie Arbeitgeber mit möglichen Hürden umgehen können.
Was ist das Ziel eines Carve-outs?
Neben gesetzlich regulierten Treibern, wie bspw. dem Kohleausstieg oder der Trennung des Netz- und Vertriebsgeschäfts in der Energiewirtschaft, sind Unternehmen häufig mit der Notwendigkeit konfrontiert, strategische Entscheidungen zu treffen, um ihr Kerngeschäft wieder in den Mittelpunkt zu rücken, Wachstumschancen zu realisieren oder die Flexibilität und operative Effizienz der einzelnen Geschäftsbereiche zu steigern. Ziel der Ausgliederung von einem Teilbereich ist entweder die Integration in ein anderes Unternehmen oder Verselbständigung zu einer rechtlich eigenständigen Einheit. Dies kann mit einem Verkauf der Einheit oder auch einem Verbleib im Konzern einhergehen. Typischerweise sollen Synergien gehoben und die Marktmacht erhöht werden. Weiterhin kann die selbständige Fortführung von Unternehmensteilen auch zur Erhöhung der Sanierungsfähigkeit von wenig profitablen Unternehmensbereichen beitragen.
Organisatorische Zuordnung der Arbeitsverhältnisse
Im Kontext von Carve-outs besteht eine der wichtigsten Herausforderungen darin, die Mitarbeiter den ausgegliederten Einheiten sorgfältig zuzuordnen und sicherzustellen, dass diese ab dem ersten Tag nach der Ausgliederung in der Lage sind, eigenständig agieren zu können, ohne die operative Kontinuität des Betriebs zu gefährden. Eine sorgfältige Planung ist hierbei von entscheidender Bedeutung:
Die Zielstruktur sollte frühzeitig festgelegt werden, damit die Zuordnung der Arbeitsverhältnisse geklärt ist. In Zweifelsfällen können Versetzungen im Vorfeld des Carve-outs eine solche Klarheit herstellen. Steht eine Veräußerung im Raum, muss der Erwerber genau wissen, welche Funktionen und wie viele Mitarbeiter in den Deal einfließen. Dafür ist oft eine umfassende Due Diligence notwendig, um sicherzustellen, dass wichtige Know-how-Träger im neuen Geschäftsbereich verbleiben. Besonders bei zentralen Funktionen und Führungskräften sollte zeitnah entschieden werden, wer im neuen Unternehmen benötigt wird.
Betriebsübergang
Je nach Struktur der Transaktion kann es erforderlich sein, den Betriebsübergang zu nutzen, um Mitarbeiter auf den neuen Käufer oder auf eine selbständige Konzerneinheit zu übertragen. Dabei ist es essenziell, die Vorgaben aus § 613a BGB einzuhalten. Es muss sichergestellt werden, dass geeignete – d.h. betriebsübergangsfähige – Organisationseinheiten vorhanden sind oder geschaffen werden, die als Basis für den Übergang dienen. Häufig wird übersehen, dass nicht alle Mitarbeiter in unterstützenden Rollen automatisch der übergehenden Einheit zuzuordnen sind und mitübernommen werden. Eine wesentliche Frage ist daher, ob die relevanten Mitarbeiter in die neue Organisationseinheit kraft Weisungsrechts versetzt werden können. In mitbestimmten Betrieben ist im Zweifel der Betriebsrat nach § 99 BetrVG zu beteiligen. Um Verzögerungen zu vermeiden, sollten diese Themen frühzeitig geklärt werden.
Darüber hinaus muss das Unterrichtungsschreiben zum Betriebsübergang sorgfältig formuliert sein, da unvollständig oder unrichtig gestaltete Schreiben zur Folge haben können, dass Arbeitnehmer mitunter noch Jahre nach einem Betriebsübergang einem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses widersprechen und zum alten Arbeitgeber zurückkehren können (vgl. unseren Blogbeitrag vom 26. Juni 2024).
Mitbestimmung des Betriebsrats
Im Carve-out-Prozess kommt auch dem Betriebsrat eine zentrale Rolle zu. Seine Mitwirkung ist nicht nur bei der Zuordnung der Beschäftigten wichtig, sondern auch bei möglichen Interessenausgleichen und Sozialplänen. Denn ein Carve-out geht regelmäßig mit einer Betriebsspaltung und damit Betriebsänderungen nach § 111 Betriebsverfassungsgesetz einher. Der Betriebsrat hat dann ein entsprechendes Verhandlungsrecht (siehe auch zu dem Thema unseren Blogbeitrag vom 23. Mai 2022).
Auch wenn der Betriebsrat die Umsetzung der Maßnahmen nicht direkt stoppen kann, kann er den Prozess doch erheblich verzögern. Sollte eine einvernehmliche Lösung nicht gefunden werden, muss der Arbeitgeber über die Einigungsstelle gehen. Erst wenn dortige Verhandlungen entweder gescheitert sind oder erfolgreich abgeschlossen werden, kann die Betriebsspaltung tatsächlich umgesetzt werden. Wichtiger Hinweis: Das Mitbestimmungsrecht zur Betriebsspaltung ist jedoch nicht zu verwechseln mit einer Beteiligung am Carve-out im Sinne einer gesellschaftsrechtlichen Verselbständigung oder eines Betriebsübergangs. Diese Maßnahmen unterliegen nicht der Mitbestimmung.
Änderung und Harmonisierung von Arbeitsbedingungen
Selbst nach dem Vollzug der Transaktion ist der arbeitsrechtliche Workstream häufig noch lange nicht abgeschlossen. Geht der Carve-out mit einer gesellschaftsrechtlichen oder betrieblichen Integration in einen anderen Konzern bzw. dortige Unternehmen oder Betriebe einher, stellen sich arbeitsrechtliche Anforderungen einer Integration der Mitarbeiter. In rechtlicher Hinsicht bietet sich die Chance, Arbeitsbedingungen anzupassen und/oder zu vereinheitlichen, d.h. zu „harmonisieren“.
Sofern einem Erwerber die Integration der Mitarbeiter in seine bestehenden Strukturen wichtig ist, hat dieser – neben einseitigen Änderungen in Grenzen seines Direktionsrechts sowie einvernehmlichen Änderung von Arbeitsbedingungen – unter Umständen die Möglichkeit, die Mechanismen im Bereich der Betriebsverfassung (z.B. durch Abschluss neuer oder Änderung bestehender Betriebsvereinbarungen) und des Tarifrechts im Einklang mit den gesetzlichen Vorgaben zu nutzen. Ausgangspunkt und Herausforderung sind dabei, die bestehenden Regelungen, insbesondere die Vergütungsstruktur, sorgfältig zu analysieren, um mögliche Konflikte oder Unstimmigkeiten von vornherein zu vermeiden. Eine besondere Herausforderung gilt dabei einer betrieblichen Altersversorgung: Ablösungen und Harmonisierung sind in diesen Fällen nur unter Beachtung der Grenzen der Verhältnismäßigkeit und der sog. 3-Stufen-Theorie möglich (siehe hierzu auch unseren Blogbeitrag vom 28. September 2017).
Praktische Herausforderungen und Strategien
Die kurze Übersicht zeigt: Im Carve-out Prozess sollten frühzeitig arbeitsrechtliche Überlegungen eingebunden werden. Ein gut durchdachter Plan, der mögliche Konflikte im Voraus erkennt, kann dabei helfen, den Zeitrahmen zu optimieren und die Ausgliederung zügig umzusetzen. Dabei gehen rechtliche, taktische und kommunikative Aspekte Hand in Hand.