Variable Vergütungssysteme sind in vielen Unternehmen weit verbreitet und dienen dazu, die Leistung von Mitarbeitern mit den wirtschaftlichen Erfolgen des Unternehmens oder individuellen Leistungskriterien zu verknüpfen. Typische Modelle setzen entweder an Unternehmensziele, persönliche Ziele oder einer Kombination beider an. Doch was gilt, wenn das Unternehmen „performed“, die persönliche Leistung einzelner Mitarbeiter aber unzureichend ist? Können Arbeitgeber die Zahlung von Boni in solchen Fällen unterlassen? Die Antwort hängt von der gestaltbaren Struktur des Vergütungssystems ab.
I. Ermessensabhängige Bonussysteme ohne Zielvorgaben
Auch wenn rein ermessensabhängige Bonussysteme heute nur noch selten in der Praxis vorzufinden sind, können Bonussysteme rein ermessensabhängig gestaltet werden. In solchen Fällen legt der Arbeitgeber die Höhe der Bonuszahlung nach eigenem Ermessen fest. Eine typische Vertragsklausel könnte lauten:
„Die Zahlung einer variablen Vergütung (Bonus) erfolgt nach billigem Ermessen des Arbeitgebers. Bei der Entscheidung, ob und in welcher Höhe ein Bonus gewährt wird, wird der Arbeitgeber insbesondere die wirtschaftliche Entwicklung des Unternehmens und die Beiträge des Mitarbeiters hierzu berücksichtigen.“
In einem solchen Fall muss der Arbeitgeber innerhalb seines (unternehmerischen) Entscheidungsspielraums „billiges Ermessen“ wahren. Gemäß § 315 BGB ist er verpflichtet, eine Abwägung zu treffen, die die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt. Eine willkürliche oder diskriminierende Entscheidung wäre unzulässig. Insbesondere müsste der Arbeitgeber sachliche Gründe für die Bonusbemessung anführen können. Die Entscheidung ist gerichtlich voll überprüfbar, d.h. im Streitfall kann ein Gericht die Höhe des Bonus festsetzen.
Der besondere persönliche Einsatz und Beitrag eines Mitarbeiters, der zum Unternehmenserfolg beitragen kann, stellt einen – aber i.d.R. nicht alleinigen – Faktor dar, den der Arbeitgeber einseitig als Anlass für eine zusätzliche Bonuszahlung nehmen kann und billigem Ermessen im Sinne des § 315 BGB entspricht. Der Mitarbeiter wird dann für seinen persönlichen Einsatz, der zum Unternehmenserfolg beiträgt, belohnt.
Der Arbeitgeber hat aber auch die Möglichkeit, den Bonus auf Null zu setzen, selbst wenn ein Teil der persönlichen Ziele erfüllt wurde. Dies ist im Rahmen billigen Ermessens zulässig, wenn Umstände wie eine besondere finanzielle Schwäche des Arbeitgebers vorliegen. So entschied das Bundesarbeitsgericht (BAG) in seinem Urteil vom 20.3.2013 (10 AZR 8/12 = NZA 2013, 970), dass eine Leistungsbestimmung im Rahmen billigen Ermessens auf „Null“ trotz Erreichens persönlicher Ziele beim Vorliegen besonderer Umstände zulässig ist. Der Arbeitgeber befand sich hier in einer wirtschaftlich sehr schwachen Lage. Die unternehmensbezogenen Ziele waren bei weitem nicht erfüllt worden. Finanzielle Mittel für einen Bonus waren nicht vorhanden. Diese Erwägungen reichten aus, um den Bonus trotz erfüllter persönlicher Ziele auf „Null“ zu setzen.
Dieser Grundsatz spielt auch für den umgekehrten Fall eine Rolle, in dem zwar die unternehmensbezogenen Ziele erfüllt sind, nicht aber die persönlichen Ziele eines Mitarbeiters. Aus der Rechtsprechung des BAG folgt, dass im Rahmen besonderer Umstände auch eine mangelhafte persönliche Zielerreichung, dazu führen kann, dass der Bonus im Rahmen des Ermessens auf Null reduziert werden kann. Ein solcher besonderer Umstand könnte beispielsweise sein, dass ein Mitarbeiter nicht einmal ein Mindestmaß seiner Ziele erreicht hat. Denn das unternehmerische Interesse zielt darauf ab, Mitarbeiter zusätzlich zum Grundgehalt zu vergüten, wenn sie durch eigene Leistung zum Unternehmenserfolg beigetragen haben. Nur dann sollen sie an diesem Erfolg auch in Form einer Bonuszahlung partizipieren. Würden auch Mitarbeiter berücksichtigt, die nicht einmal ein Mindestmaß an Leistung erbringen, könnte dies dazu führen, dass sich Mitarbeiter „zurücklehnen“ und dennoch in gleichem Maße wie aktiv engagierte Mitarbeiter am Unternehmenserfolg teilhaben.
II. Bonussysteme mit Zielvorgaben
Weitaus verbreiteter sind Bonussysteme, bei denen konkrete Ziele mit dem jeweiligen Mitarbeiter zu Beginn des Bemessungszeitraums (meist Kalender- bzw. Geschäftsjahr) vereinbart werden. Es werden in der Regel unternehmensbezogene Ziele (bspw. 60 %) und persönliche Ziele (bspw. 40 %) und die jeweilige Gewichtung zueinander vereinbart.
Beispiel:
„Der jährliche Bonus setzt sich zu 60 % aus der Erreichung von Unternehmenskennzahlen wie Umsatz oder EBITDA und zu 40 % aus der Erreichung individueller Ziele des Mitarbeiters zusammen, die jährlich im Personalgespräch vereinbart werden.“
„Performed“ zwar das Unternehmen, nicht aber der Mitarbeiter, bekommt der Mitarbeiter in solchen Fällen jedenfalls den Bonus, soweit die Unternehmensziele erreicht sind. Ein Ergebnis, welches dem Grundsatz „Ohne Fleiß kein Preis“ nicht wirklich gerecht wird und der diejenigen Mitarbeiter, die sich weniger stark einbringen, übermäßig incentiviert.
Möglichkeiten zur Korrektur?
Die Möglichkeiten zur Korrektur eines solchen Ergebnisses sind begrenzt. Vorbehalte in Bonusplänen, die eine im Ermessen des Arbeitgebers stehende anderweitige Bonusfestsetzung ermöglichen, verstoßen in der Regel gegen die Anforderungen der §§ 305 ff. BGB (Inhaltskontrolle von Allgemeinen Geschäftsbedingungen), insbesondere gegen § 308 Nr. 4 BGB (unzulässigen Änderungsvorbehalt) sowie das Transparenzgebot. Unklare Formulierungen oder intransparente Klauseln, die der Interpretation des Arbeitgebers zu viel Spielraum lassen, werden vor Gericht als unwirksam angesehen, denn wird dem Arbeitgeber ein zu weitgehendes Ermessen einräumt, ohne klare und transparente Kriterien zu nennen, stellt dies eine unangemessene Benachteiligung des Mitarbeiters dar. Der Entzug der Bonuszahlung im Wege einer nachträglichen „Korrektur“ auf Null ist eine unzulässige unangemessene Benachteiligung. Hintergrund ist, dass durch die (obige) Klausel dem Mitarbeiter ein Anspruch auf eine Bonuszahlung bereits eingeräumt wird. Voraussetzung für das Entstehen des Anspruchs in Höhe von 40 % ist das Erreichen seiner individuellen Zielvorgabe und in Höhe von 60 % die Zielerreichung durch das Unternehmen selbst. Eine nachträgliche Korrektur trotz erfolgter Zielerreichung (z.B. durch das Unternehmen) würde dazu führen, dass dem Mitarbeiter etwas weggenommen wird, denn der vertragliche Anspruch entsteht in dem Zeitpunkt, indem das jeweilige Ziel erreicht wird. Eine Verknüpfung an weitere Voraussetzungen (hierzu unter III.) erfolgte in diesem Fall nicht. Eine solche Entziehung des entstandenen Bonusanspruchs würde eine unangemessene Benachteiligung des Mitarbeiters darstellen und ist unwirksam.
III. Vertragsgestaltung: Erfüllung eines Mindestmaßes der persönlichen Ziele als Bedingung für den Gesamtbonus
Um eine Erreichung der individuellen Ziele zu incentivieren und zu vermeiden, dass auch sich „zurücklehnende“ Mitarbeiter am Erfolg des Unternehmens partizipieren, bietet sich eine sorgfältige Ausgestaltung des jeweiligen Bonussystems an. So kann ein Bonussystem z.B. vorsehen, dass der Anspruch auf den Gesamtbonus nur dann entstehen soll, wenn die persönlichen Ziele zu einem bestimmten Mindestmaß erfüllt werden. Das bedeutet, dass erst gar kein Bonusanspruch bezüglich der unternehmensbezogenen Zielwerte entsteht, wenn die Mindestgrenze für die persönlichen Ziele schon nicht erreicht werden. Es handelt sich folglich um eine zweistufige Ausgestaltung der Bonuszahlung. Erst nach Erreichen der 1. Stufe (Mindestziel) wird die 2. Stufe (die Bonuszahlung dem Grunde nach) erreicht.
Eine mögliche Formulierung wäre:
„Der Bonus wird nur dann ausgezahlt, wenn der Mitarbeiter mindestens 50 % seiner individuellen Zielvorgaben erreicht hat. Bei Nichterreichung dieser Schwelle kann kein Bonus beansprucht werden, auch nicht in Bezug auf die möglicherweise erreichten Unternehmensziele.“
Diese Klausel ist überraschenderweise selten in Bonusprogrammen zu finden, obwohl sie dem Grundsatz „Ohne Fleiß kein Preis“ gerecht wird und die AGB-rechtlichen Bestimmungen nach §§ 305 ff. BGB erfüllt.
Hiernach muss die Klausel zum einen dem Transparenzgebot nach § 307 Abs. 1 S. 2 BGB genügen. Dies bedeutet, dass die Regelung klar und verständlich formuliert sein muss, sodass der Mitarbeiter von Anfang an nachvollziehen kann, welche Anforderungen an ihn gestellt werden und unter welchen Voraussetzungen ein Bonus (in Gänze) entsteht bzw. entfällt. Hier ist unmissverständlich, dass ein Bonusanspruch erst dann entstehen kann, wenn mindestens 50 % der individuell vereinbarten Ziele erreicht werden (sog. „Entstehensvoraussetzung“). Weiterhin muss die Klausel für den Mitarbeiter gut sichtbar sein. Sie darf sich nicht im Kleingedruckten o. ä. „verstecken“.
Schließlich hält die o. g. Klausel auch einer Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 BGB Stand, denn der Mitarbeiter wird nicht unangemessen benachteiligt. Nach § 307 Absatz 2 Nr. 1 BGB ist eine unangemessene Benachteiligung im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist. Das ist hier nicht der Fall, denn zunächst ist die Ausgestaltung der Bonuszahlung gesetzlich durch eine Leistungsbestimmung im Rahmen billigen Ermessens zulässig, gemäß § 315 BGB (hierzu unter I.). Diese Leistungsbestimmung kann – wie hier – durch eine vertraglich vereinbarte Bonusregelung eingeschränkt werden. Maßstab für die Leistungsbestimmung sind dann die konkreten vertraglichen Regelungen.
Eine unangemessene Benachteiligung liegt nur vor, wenn der Arbeitgeber missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten des Mitarbeiters durchzusetzen versucht, ohne von vornherein auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zu gewähren. Das ist bei der Klausel nicht der Fall. Denn dem Mitarbeiter wird hier kein entstandener Zahlungsanspruch nachträglich missbräuchlich entzogen. Der Anspruch auf Zahlung der variablen Vergütung entsteht erst mit Erreichen der Mindestziele (1. Stufe des Anspruchs). Diese 1. Stufe liegt in der alleinigen Gestaltungsmacht des Arbeitgebers, denn sie betrifft nicht das Grundverhältnis (Arbeitsleistung – Festvergütung), sondern eine darüber hinausgehende (monetäre) Vergütung. Dem Mitarbeiter wird folglich nichts (auf seine Kosten) vorenthalten.
Vielmehr kann auch eine Verknüpfung von unternehmensbezogenen und persönlichen Bonuszielen bereits im Rahmen einer einseitigen Leistungsbestimmung ohne konkrete Zielvorgabe nach billigem Ermessen dazu führen, dass der Gesamtbonus trotz gradueller Erfüllung einer Zielkomponente auf „Null“ gesetzt wird (BAG, Urteil vom 20.3.2013; 10 AZR 8/12). Dies gilt erst recht für die vertragliche Festsetzung einer Mindestgrenze, die erst die Entstehung des Anspruchs regelt.
Es entspricht auch der gängigen Praxis, dass in Zielvereinbarungen ein Mindestmaß der Zielerfüllung vorausgesetzt wird, damit der Bonusanspruch entsteht. Gleichzeitig wird in vielen Zielvereinbarungen eine Übererfüllung der Bonusziele honoriert. Üblich sind hier Spannen zwischen 50 % und 150 %.
Die Erfüllung der persönlichen Ziele für den Mitarbeiter ist darüber hinaus auch beeinflussbarer als die Erfüllung der unternehmensbezogenen Ziele, sodass der Mitarbeiter die Entstehung des Gesamtbonusanspruchs weitgehend selbst in der Hand hat. Sofern er seine persönlichen Ziele zu einem Mindestmaß erfüllt, wird er auch am Erfolg des Unternehmens partizipieren. Ebenso ist es für den Mitarbeiter klar erkennbar, dass er nicht am Erfolg des Unternehmens teilhaben soll, wenn er nur das Nötigste tut.
Eine Verknüpfung von unternehmensbezogenen und persönlichen Bonuszielen wird auch dem Sinn und Zweck eines Zielbonus gerecht, wonach eine zusätzliche Motivation für den Mitarbeiter geschaffen werden soll, den Unternehmenserfolg zu unterstützen. Mit dem Bonus sollen besondere Leistungen, und letztlich der besondere Einsatz zur Erreichung des Unternehmenserfolgs, honoriert werden. Solche „anpackenden“ Mitarbeiter sollen aus Arbeitgebersicht gefördert werden.
Wie bei jeder Vereinbarung persönlicher Ziele ist darauf zu achten, dass die Vereinbarung der persönlichen Ziele so erfolgen muss, dass der Mitarbeiter realistische Chancen hat, die Ziele zu 100 % erreichen. Auch im Hinblick auf die Höhe des Mindestmaßes liegt keine unangemessene Benachteiligung vor, denn die persönlichen Zielvorgaben (von 100 %) sind bereits derart bemessen worden, dass der Mitarbeiter unter gewöhnlichen Umständen diese Ziele zu 100 % im Bemessungszeitraum realistisch erreichen kann. Insofern stellt die Festlegung des Mindestmaßes von nur 50 % dieser Ziele in jedem Fall eine angemessene (wenn nicht sogar zu tief angesetzte) Grenze für die Erlangung einer zusätzlichen Bonuszahlung (für besondere Leistungen).
IV. Fazit
Die Verknüpfung von Bonuszahlungen an ein Mindestmaß persönlicher Leistung kann helfen, dem Grundsatz „Ohne Fleiß kein Preis“ gerecht zu werden, solange diese transparent gestaltet sind und den rechtlichen Anforderungen der AGB-Kontrolle standhält. Auch im Rahmen von rein ermessenabhängigen Bonusregeln können Arbeitgeber wirkungsvolle Anreize für wertvolle individuelle Beiträge zum Unternehmenserfolg setzen.