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Der Entwurf des Beschäftigtendatengesetzes – Neuer Hemmschuh für die Wirtschaft?

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Die Digitalisierung hat die Arbeitswelt in den letzten Jahren stark verändert. Immer mehr Prozesse werden datengetrieben, und mit dem Einsatz von künstlicher Intelligenz werden neue Möglichkeiten, aber auch erhebliche Unsicherheiten und Herausforderungen für Arbeitgeber und Arbeitnehmer geschaffen. Zuletzt hatten wir u.a. über die KI-Verordnung und Umgang mit Hochrisiko-Systemen berichtet.

In diesem Umfeld setzt der Gesetzesentwurf zum Beschäftigtendatengesetz – kurz BeschDG – des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales an. Der Entwurf ist letzte Woche in die Öffentlichkeit geraten. Er befindet sich derzeit in der Abstimmung zwischen den Ressorts und muss danach noch im Bundestag verabschiedet werden, bevor er in Kraft treten kann. Wir geben einen ersten Überblick:

  • Was sind die wichtigsten Neuregelungen des Entwurfs?
  • Was wären konkrete Beispiele zur Umsetzung im Alltag?
  • Wie ist unsere Einschätzungen dazu, was der Entwurf für die Praxis bedeuten würde?
Ziel des Entwurfs

Das Beschäftigtendatengesetz soll aus Sicht des Bundesarbeitsministeriums für mehr Rechtssicherheit sorgen – sowohl für Arbeitgeber als auch für Arbeitnehmer. Insbesondere regelt es, wie Beschäftigungsdaten im digitalen Kontext verarbeitet werden dürfen. Dabei geht es um klare, handhabbare Vorgaben für typische Situationen wie zum Beispiel:

  • Videoüberwachung
  • Nutzung von Künstlicher Intelligenz (KI)
  • Überwachung der Leistung von Mitarbeitern

Auf den ersten Blick scheint der Entwurf ein fairer Ausgleich zwischen den Interessen der Arbeitgeber und der Beschäftigten zu sein. Doch ein genauerer Blick zeigt, dass der Entwurf viele Unklarheiten und potenziell erheblichen administrativen Aufwand für Unternehmen mit sich bringt.

Praxisrelevante Regelungen des Entwurfs

Doch was würde das konkret für die Praxis bedeuten? Hier die wichtigsten Beispiele:

  • Leistungskontrollen: Dürfen Unternehmen die Leistung von Mitarbeitern nicht mehr für langfristige Personalentscheidungen heranziehen?
    Ein zentrales Element des Entwurfs sind Regelungen, wann Überwachungsmaßnahmen zulässig sind und wann nicht (vgl. § 19 folgende BeschDG-E). Hier soll es zwar klare Grenzen geben – und der Entwurf setzt auf den schon heute geltenden Regelungen der Verhältnismäßigkeit auf. Aber er sieht z.B. auch vor, dass die Verarbeitung von Leistungsdaten nur kurzzeitig und nur anlassbezogen und stichprobenartig zulässig ist. Damit ist z.B. völlig unklar, ob und was Unternehmen tun dürften, die Performance-Daten für langfristige Personalentscheidungen nutzen möchten. Oder z.B. Arbeitszeitaufzeichnungen aufbewahren wollen bzw. müssen.
  • Prozessuales Verwertungsverbot: Wird aus Datenschutz Tatenschutz?
    Das Bundesarbeitsgericht hat 2023 entschieden, dass Verwertungsverbote in Betriebsvereinbarungen keine prozessrechtliche Wirkung haben. Der Entwurf ermöglicht hingegen die kollektivrechtliche Vereinbarung eines prozessuales Verwertungsverbot (vgl. § 11 BeschDG-E). Dieses Gestaltungsrecht soll nicht offen in der Zivilprozessordnung (ZPO) oder dem Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG) verankert werden, sondern versteckt in einer materiellen Regelung. Bedeutet dies, dass Gerichte prozessual an die Vereinbarungen gebunden wären? Und könnte ein Betriebsrat nun Verwertungsverbote über den Spruch einer Einigungsstelle erzwingen?
  • Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats bei Bestellung des Datenschutzbeauftragten: Kann der Betriebsrat Unternehmen dazu zwingen, einen internen Datenschutzbeauftragten zu bestellen?
    Nach dem Entwurf hätte der Betriebsrat bei der Bestellung und Abberufung des Datenschutzbeauftragten mitzubestimmen (vgl. § 12 BeschDG-E). Dies umfasst auch die Organisationsentscheidung, ob interne oder externe Datenschutzbeauftragte bestellt werden sollen. Diese Erweiterung der Mitbestimmung bedeutete einen erheblichen Eingriff in die unternehmerischen Gestaltungsfreiheiten – insbesondere vor dem Hintergrund, dass bei einem internen Datenschutzbeauftragten ein strenger Sonderkündigungsschutz greift.
  • Betriebsvereinbarungen und Datenverarbeitung: Dürfen Betriebsparteien die Zulässigkeit von Datenvereinbarungen nicht mehr festlegen?
    Der Streit darüber, ob Betriebsparteien eine datenschutzrechtliche Eingriffsermächtigung gestalten können, wird im Entwurf zulasten einer solchen Möglichkeit entschieden (vgl. § 7 Abs. 2 BeschDG-E). Infolge dieser Einschränkung könnte durch Betriebsvereinbarung die Datenverarbeitung nur noch konkretisiert, nicht aber auf eine sichere Rechtsgrundlage gestellt werden. Dies macht rein datenschutzrechtliche Ausgestaltungen durch Betriebsvereinbarungen deutlich unattraktiver.  Arbeitgeber müssen sich die Frage stellen, ob sie Mitbestimmung zukünftig nicht nur auf die enge Ausgestaltung der Leistungs- und Verhaltenskontrolle beschränken.
  • Stärkung der Zweckbindung und Erforderlichkeit: Führt der Entwurf zu einem besseren Schutz oder einfach zu mehr Bürokratie und Verlangsamung von technischen Innovationen?
    Ein zentrales Thema des Entwurfs ist die Betonung der strengen Erforderlichkeitsprüfung jeglicher  Datenverarbeitung (vgl. § 4 BeschDG-E). Der Gesetzesentwurf betont dabei die Grundrechtseingriffe durch Datenvereinbarung, formuliert enge Zweckbindungen und stellt Kriterien bereit, die bei der Abwägung der Zulässigkeit einer Verarbeitung berücksichtigt werden müssen. Dies soll angeblich für mehr Transparenz und Rechtssicherheit sorgen, bedeutet aber vor allem, dass jede Datenverarbeitung im Detail begründet und dokumentiert werden muss. Diese Anforderungen führen – mal wieder – zu erheblichem administrativen Mehraufwand.
Einschränkung von künstlicher Intelligenz auf der Überholspur?

Der Gesetzesentwurf beinhaltet auch zahlreiche Regelungen zur Nutzung von KI im Beschäftigungsverhältnis. Interessant ist hierbei, dass große Teile der KI-Verordnung erst im August 2026 Anwendung finden werden, während das Beschäftigtendatengesetz am Tag nach seiner Verkündung in Kraft treten soll. Dies kann zu einem zeitlichen Ungleichgewicht führen, das die Praxis vor enorme Herausforderungen stellen würde. Unternehmen würden gezwungen, sich kurzfristig auf neue Regelungen einzustellen, während die zugrunde liegenden europäischen Vorgaben teils erst später in Kraft treten – ein klarer Widerspruch, der für Unsicherheit sorgt. In der Praxis wäre der erhebliche zusätzliche Dokumentationsaufwand gerade für kleine und mittlere Unternehmen kaum stemmbar.

Fazit: Unsicherheiten, Digitalisierungsbremse und erheblicher Aufwand für Unternehmen

Der Gesetzesentwurf mag vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales als wichtiger Schritt in Richtung moderner Arbeitswelt gedacht sein – doch er stellt Unternehmen auch vor erhebliche Herausforderungen.

Der Entwurf lässt außer Acht, dass Geschäftsprozesse im Arbeitsleben, die Verarbeitung von HR-Daten und Produktionsprozesse nicht mehr ohne Digitalisierung und ständige Erneuerung und Veränderung gedacht werden können. Ja, gerade die KI-Entwicklungen zeigen, wie bedeutsam ein effektiver Datenschutz und eine Gestaltung der Digitalisierung sind. Aber nein, Datenschutz darf dringend notwendige Modernisierungen in Deutschland nicht stoppen und darf zu keinem Bürokratiemonster im Arbeitsverhältnis werden. Und Mitbestimmung soll dort greifen, wo Arbeitnehmerschutz dies aufgrund vertiefter Kontrollmöglichkeiten durch IT erfordert. Dies gilt aber nicht für die Organisationsentscheidung über den Datenschutzbeauftragten. Und wenn Mitbestimmung ernst gemeint ist, sollte der Gesetzgeber auch das Recht zusprechen, durch Betriebsvereinbarungen sichere Rechtsgrundlagen für die Datenverarbeitung zu schaffen. Unternehmen und Mitarbeiter werden sonst weiter im internationalen Wettbewerb zurückfallen.

Es ist zwar richtig, dass der faire Umgang mit Beschäftigungsdaten künftig entscheidend für das Vertrauen in der digitalen Arbeitswelt sein wird. Doch der Entwurf des Beschäftigtendatengesetzes birgt große Unsicherheiten für Unternehmen. Die vielen neuen Anforderungen und unklaren Regelungen bringen einen erheblichen administrativen Aufwand mit sich, die alle Unternehmen vor erhebliche Probleme stellen würden.

Wir bleiben für Sie am Ball und werden beobachten, ob der Gesetzgeber noch Anpassungen am Gesetzesentwurf vornehmen wird.

Dr. Markus Janko 

Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Partner
Markus Janko berät Arbeitgeber ins­be­son­dere bei Umstruk­tu­rie­run­gen, Unter­neh­mens­käu­fen und Due Diligence-Prozessen. Besondere Expertise besitzt er in der Unterstützung inter­na­tio­na­ler Konzerne, dem Einsatz von Trans­fer­ge­sell­schaf­ten und im Insol­venz­ar­beits­recht. Hier zeichnet er sich durch die Beratung namhafter Insol­venz­ver­wal­ter in großen Insol­venz­ver­fah­ren sowie von Unter­neh­men bei Unter­neh­mens­käu­fen aus der Insolvenz und der arbeits­recht­li­chen Sanierung in Schutz­schirm­ver­fah­ren aus. Er ist Mitglied der Fokusgruppe „Digitalisierung und Mitbestimmung“.
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