Rund um den (Geschäfts-)Jahreswechsel stehen in vielen Unternehmen Gespräche über Zielvereinbarungen an. Arbeitgeber und Arbeitnehmer versuchen sich dabei, auf SMARTe Ziele zu verständigen (spezifisch, messbar, attraktiv, realistisch und terminiert). Wenn keine Einigung gelingt, enthalten Arbeitsverträge oft eine Klausel, nach welcher der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer dann einseitig eine Zielvorgabe machen kann. Doch sind solche Regelungen zulässig?
Leistungsabhängige Boni sind in vielen Unternehmen verbreitet. Sie fördern die Motivation der Arbeitnehmer und leisten oft einen Beitrag zu einem besseren Unternehmensergebnis. Zur Festlegung der Ziele kann man entweder über eine Zielvereinbarung oder eine Zielvorgabe vorgehen.
Zielvereinbarung oder Zielvorgabe
Ob die Zielbestimmung durch Zielvereinbarung oder Zielvorgabe erfolgt, ist regelmäßig im Arbeitsvertrag festgelegt. Bei einer Zielvereinbarung müssen sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer auf die Ziele einigen. Rechtlich handelt es sich um einen (gesonderten) Vertragsschluss. Zielvorgaben hingegen legt der Arbeitgeber gegenüber dem Arbeitnehmer auf Basis des arbeitsvertraglichen Weisungsrechts einseitig fest. Zwar ist die Zielvereinbarung folglich mit einem höheren administrativen Aufwand verbunden als die Zielvorgabe. Dennoch ist sie in vielen Unternehmen verbreitet, da sie die Arbeitnehmerbeteiligung stärkt und somit zusätzlich motivationsfördernd wirken kann.
Kombination von Zielvereinbarung und Zielvorgabe
Häufig kommt es in den Verhandlungen über die Zielvereinbarung zu Unstimmigkeiten. Arbeitgeber und Arbeitnehmer können sich nicht auf eine Zielvereinbarung einigen. Für derartige Fallkonstellationen enthalten Arbeitsverträge oft eine Klausel, nach welcher der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer dann einseitig eine Zielvorgabe machen kann. Dies scheint die perfekte Lösung zu sein: Vorrangig versucht man eine Lösung gemeinsam mit dem Arbeitnehmer zu finden. Notfalls kann der Arbeitgeber die Ziele aber auch einfach einseitig bestimmen.
In einer aktuellen Entscheidung vom 3. Juli 2024 (Az.: 10 AZR 171/23) hat das Bundesarbeitsgericht eine solche arbeitsvertragliche Regelung jedoch für unwirksam befunden. Wenn eine Klausel einen Wechsel von einer Zielvereinbarung zu einer Zielvorgabe ohne weitere Voraussetzungen erlaube, verstoße dies gegen AGB-Recht (§ 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 BGB). Denn sie ermögliche es dem Arbeitgeber, die Gespräche über eine Zielvereinbarung grundlos zu verweigern oder abzubrechen. Wenn der Arbeitgeber vertraglich eine Zielvereinbarung vorsehe, müsse er darüber auch mit dem Arbeitnehmer verhandeln. Eine solche Verhandlung setze voraus, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer realistische Ziele anbiete, diese Ziele ernsthaft zur Disposition stelle und dem Arbeitnehmer eine Gestaltungsmöglichkeit zukomme.
Empfehlung für die Praxis
Das Bundesarbeitsgericht negiert die in vielen Arbeitsverträgen enthaltene „Auffanglösung“, wonach der Arbeitgeber von einer Zielvereinbarung auf eine Zielvorgabe umschwenken kann. Das ist zwar einerseits nachvollziehbar, um reine „Scheingespräche“ zu verhindern, in denen Arbeitgeber ihre Bereitschaft zu einer Zielvereinbarung nur vortäuschen, um anschließend auf eine Zielvorgabe zurückgreifen zu können. Anderseits jedoch hat die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts für Unternehmen eine erhebliche Rechtsunsicherheit zur Folge. Zudem erhöht sich der bürokratische Aufwand. Arbeitgeber sollten daher künftig auf Zielvereinbarungsklauseln ganz verzichten. Stattdessen bietet es sich an, in den Arbeitsverträgen direkt Zielvorgabeklauseln festzuhalten. Das mindert zwar die Arbeitnehmerbeteiligung. Jedoch sinkt das Risiko von Schadensersatzklagen der Arbeitnehmer wegen (angeblich) entgangener variabler Vergütung (§§ 280 Abs. 1, 3, 283, 252 BGB).
Weitere aktuelle Hinweise zur Gestaltung von Bonusregelungen finden Sie in unseren Blog Beiträgen vom 22. Januar 2024, 18. Juni 2024 , 8. August 2024 und 17. Oktober 2024.