Nach der europäischen Arbeitszeitrichtlinie (RL 2003/88/EG) ist Arbeitszeit jede Zeitspanne, während der Beschäftigte arbeiten, dem Arbeitgeber zur Verfügung stehen und ihre Tätigkeit ausüben oder Aufgaben wahrnehmen. Was keine Arbeitszeit in diesem Sinne ist, ist Ruhezeit. Doch wie sind Zeiten zu beurteilen, in denen Beschäftigte sich für einen Arbeitseinsatz bereithalten?
Bereitschaftsdienst oder Rufbereitschaft
Für die Beantwortung dieser Frage ist begrifflich zwischen Bereitschaftsdiensten und Rufbereitschaft zu unterscheiden. Bereitschaftsdienste sind Zeiten, in denen sich die Beschäftigten an einer vom Arbeitgeber bestimmten Stelle in- oder außerhalb des Betriebs aufhalten, um im Einsatzfall unverzüglich die Arbeit aufnehmen zu können. Während der Rufbereitschaft können Beschäftigte ihren Aufenthaltsort dagegen selbst bestimmen. Sie müssen nur im Bedarfsfall erreichbar und in der Lage sein, ihre Tätigkeit zeitnah aufzunehmen.
Damit sind die Einschränkungen für die private Lebensgestaltung während einer Rufbereitschaft regelmäßig geringer als bei Bereitschaftsdiensten. Während der Rufbereitschaft können die Beschäftigten, sofern sie nicht zum Einsatz gerufen werden, Freizeitbeschäftigungen nachgehen und sich in ihrem sozialen Umfeld aufhalten. Aus diesem Grund wird Rufbereitschaft – im Gegensatz zu Bereitschaftsdiensten – in der Rechtsprechung regelmäßig nicht als Arbeitszeit eingestuft.
Alarmbereitschaft mit vorgesehener Reaktionszeit von nur 90 Sekunden ist Arbeitszeit
Etwas anderes kann gelten, wenn die Rufbereitschaftszeit die Beschäftigten so in Anspruch nimmt, dass die persönlichen Freizeitgestaltungsmöglichkeiten ganz erheblich beeinträchtigt sind. Ob das der Fall ist, ist anhand sämtlicher Umstände des Einzelfalls zu bewerten.
So entschied das Oberverwaltungsgericht Münster kürzlich, dass die Alarmbereitschaft von zwei Feuerwehrmännern vergütungspflichtige Arbeitszeit ist (OVG Münster, Urteile vom 30. September 2024 – 6 A 856/23 und 6 A 857/23). Die beiden Männer leisteten regelmäßig 24-Stunden-Alarmbereitschaftsdienste. Währenddessen durften sie ihren Aufenthaltsort zwar selbst bestimmen, einen Radius von 12km um ihren Arbeitsort aber nicht verlassen. Im Alarmfall mussten sie innerhalb von 90 Sekunden einsatzbereit sein und mit dem Dienstfahrzeug ausrücken. Durch diese sehr kurz bemessene Reaktionszeit hatten die Feuerwehrmänner faktisch keine Möglichkeit, die freie Zeit abseits der Einsätze für sich zu nutzen.
Empfehlungen für die Praxis
Wollen Arbeitgeber vermeiden, dass Rufbereitschaft als Arbeitszeit gilt, müssen sie die Zeiten der Rufbereitschaft so organisieren, dass den Beschäftigten in Rufbereitschaft ein möglichst hohes Maß an Spielraum für ihre (Frei-)Zeitgestaltung gewährt wird. Dabei spielt nicht nur die vorgesehene Reaktionszeit für einen Einsatz eine Rolle, sondern auch die Erreichbarkeit des Einsatzortes, die durchschnittliche Häufigkeit und Dauer der während der Rufbereitschaft zu leistenden Einsätze oder ein etwaig eingeräumtes Recht, nicht an allen Einsätzen beteiligt sein zu müssen.