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Talent Management – Engagierte Mitarbeiter halten und fördern

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Die Besetzung verantwortungsvoller Schlüsselpositionen stellt viele Unternehmen vor eine große Herausforderung. Sie stehen mit anderen Unternehmen in einem intensiven Wettbewerb um die besten Talente. Gleichzeitig gelingt es vielen nicht, bereits eingearbeitete und engagierte Mitarbeiter langfristig an das Unternehmen zu binden. Häufig mangelt es an klaren Weiterentwicklungsperspektiven innerhalb der Teams, an Mobilität zwischen Abteilungen sowie an einer strategischen Nachfolgeplanung.

Ein wesentlicher Grund dafür liegt oft in der Führungskultur: Vorgesetzte möchten ihre leistungsstarken Mitarbeiter (sogenannte Talents) gerne langfristig im eigenen Team halten und für aktuelle Aufgaben einsetzen. Dies hemmt jedoch häufig die individuelle Entwicklung dieser Mitarbeiter. Die Möglichkeiten zur Weiterentwicklung sind begrenzt, und ohne eine gezielte Förderung und abteilungsübergreifende Mobilität bleiben Potenziale unentdeckt.

I. Talent Management als Retention Tool

Die Herausforderung, geeignete Personen im Unternehmen zu identifizieren und langfristig an sich zu binden und zu fördern, lässt sich durch strukturiertes Talent Management lösen. Ein Ansatzpunkt ist, Talents im Unternehmen in einen Talent-Pool aufzunehmen und Karrieremöglichkeiten innerhalb des Unternehmens zu erweitern, indem Talents auch auf Funktionen außerhalb der eigenen Abteilung vorbereitet werden.

Die Mobilität von Talents im Unternehmen zu erhöhen, ist damit ein Ansatzpunkt erfolgreichen Talent Managements. Versetzungsrichtlinien können Kriterien für die Berücksichtigung von Talents bei Versetzungen festsetzen und auf diese Weise helfen, den Prozess der Versetzung von Talents innerhalb des Unternehmens zu standardisieren und fair, transparent und nachvollziehbar zu gestalten.

Damit Vorgesetzte von Talents Anreize haben, die Mobilität von Talents im Unternehmen zu unterstützen, kann es sinnvoll sein, die Förderung von Talents zu einem Beurteilungskriterium von Vorgesetzten zu erheben. Führungspersonen werden auf diese Weise angehalten, sich aktiv am Talent Management-Prozess zu beteiligen.

II. Mögliche Maßnahmen des Talent Managements

Strukturiertes Talent Management setzt ein Bewusstsein im Unternehmen voraus, welche Qualifikationen und Qualitäten zum Unternehmen und dessen Kultur passen und von (künftigen) Führungskräften erfüllt werden müssen. Unternehmen müssen daher festlegen, anhand welcher Kriterien Talents identifiziert und fortlaufend bewertet werden sollen.

Modernes Talent Management sollte vor diesem Hintergrund folgende Schritte beinhalten:

  • die Festlegung von Auswahl- und Beurteilungskriterien, nach welchen Talents erstmalig ausgewählt und fortlaufend gefördert werden,
  • die Festlegung von Verfahren, mittels derer Talents anhand der Auswahlkriterien bewertet werden (z. B. Fragebögen von Vorgesetzten, 360-Grad-Reviews, Assessment-Center),
  • Aufstellen eines Entwicklungsplans für Talents, welcher konkrete Qualifizierungsschritte umfasst, die ein Talent im Unternehmen durchlaufen muss, bspw. die Mitarbeit in einem fremden Team, damit der Bewertungsprozess objektiviert wird und Talents neue Erfahrungen sammeln und ihr Netzwerk im Unternehmen erweitern,
  • Beförderungen auf freie Stellen im Unternehmen.
III. Mitbestimmungsrechte

Maßnahmen, die darauf abzielen, die Motivation von Talents im Unternehmen zu erhalten, Talents zu fördern und ihren längerfristigen Verbleib im Unternehmen durch Aufstiegsmöglichkeiten zu sichern, sind regelmäßig mitbestimmungspflichtig, weil die Interessen einer Vielzahl von Mitarbeitern in Ausgleich gebracht werden müssen.

  • Planungen, wie Talents rekrutiert, entwickelt, eingesetzt und langfristig ans Unternehmen gebunden werden, bilden einen wesentlichen Bestandteil der Personalplanung eines Unternehmens, an welcher der Betriebsrat gem. § 92 BetrVG zu beteiligen ist. Das Mitbestimmungsrecht beinhaltet ein Unterrichtungsrecht und ein Beratungsrecht des Betriebsrats. Die Personalbedarfsplanung ist hingegen nicht Gegenstand der Beratungen mit dem Betriebsrat, sondern erst die daraus abgeleiteten konkreten Maßnahmen.
  • Die Konzeption von Fragebögen, die Bestimmung allgemeiner Beurteilungsgrundsätze oder Auswahlrichtlinien unterliegen der Zustimmung des Betriebsrats (§§ 94 und 95 BetrVG). Das Mitbestimmungsrecht umfasst bspw. die Festlegung von Beurteilungsmerkmalen (z. B. konkrete leistungs- oder verhaltensbezogene Kriterien und deren Gewichtung), die Grundlagen der Beurteilung (z. B. Arbeitsprodukte, die Erfüllung von Zielen, Bewertungen durch Vorgesetzte) und die Ausgestaltung des Beurteilungsverfahrens (z. B. Zeitraum oder Häufigkeit der Beurteilungen, Kreis der beurteilten und beurteilenden Personen).
  • Die Aufnahme in einen Talent-Pool, also einen Kreis von als besonders förderwürdig bewerteten Mitarbeitern, stellt selbst noch keine personelle Maßnahme im Sinne des § 99 BetrVG (bspw. eine Versetzung) dar. Es handelt sich um eine Vorfeldmaßnahme.  Beinhaltet die Aufnahme in einen Talent-Pool jedoch bereits eine strukturierte Vorauswahl mit Blick auf spätere Versetzungen auf Beförderungsstellen, sind die Voraussetzungen einer Auswahlrichtlinie im Sinne des § 95 Abs. 1 BetrVG erfüllt.
  • Auch Versetzungen von Talents auf Beförderungsstellen bedürfen der Einbindung von Betriebsräten (§ 99 BetrVG). Im Vorfeld in einer Versetzungsrichtlinie festgelegte Kriterien und Verfahren sind für die Betriebsparteien verbindlich und vereinfachen den Versetzungsprozess erheblich.
  • Werden darüber hinaus Änderungen der Betriebsorganisation vorgenommen, z. B. neue Leitungsebenen für Talents eingeführt, kann eine solche Maßnahme unter Umständen interessenausgleichs- und sozialplanpflichtig sein.
IV. Praktische Umsetzung – Talent Management als Teil der Unternehmenskultur

Talent Management Frameworks sollten möglichst in Form einer Betriebsvereinbarung abgeschlossen werden. Auf diese Weise können Rechte, Prozesse, Voraussetzungen und Rechtsfolgen nicht nur neu begründet, sondern auch abgeändert und abgelöst werden. Betriebsvereinbarungen bieten Flexibilität, indem sie für einen von vornherein befristeten Zeitraum geschlossen werden und nach vereinbarten Beendigungsregeln ihre Wirkung vollständig oder abgestuft verlieren können. Als kollektives Regelungsinstrument beugen sie auch Konflikten vor, die sich aus der Unsicherheit von Mitarbeitern ergeben können.

Über die rechtlichen Wirkungen hinaus kann ein Talent Management Framework als Leitfaden für die Umsetzung von Talent Management-Maßnahmen dienen und die Kultur im Unternehmen prägen. Den Betriebspartnern bietet sich hierdurch die Chance, die Unternehmenskultur und Weiterentwicklungschancen gemeinsam konstruktiv zu gestalten und eine große Herausforderung des Unternehmens – die Besetzung elementarer Stellen mit geeigneten Mitarbeitern – sozialpartnerschaftlich zu lösen.

V. Vertiefungshinweis

Wer dieses Thema vertiefen möchte, findet praxisnahe Einblicke in dem Buch Talents – Außertarifliche Angestellte, herausgegeben von Dr. Burkard Göpfert und Dr. Anne-Kathrin Bertke und geschrieben von acht Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten von KLIEMT.Arbeitsrecht. Das Buch gibt praktische Anregungen, wie Unternehmen hochqualifizierte Mitarbeiter halten und Schlüsselpositionen zuverlässig besetzen können. Kernstücke des Buches bilden eine Checkliste für ein Talent Management Framework für Praktiker und eine Zusammenfassung möglicher Anreizsysteme für Leistungsträger.

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