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Re-Skilling und Up-Skilling als Mittel im “War for Talents”

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Deutschlandweit herrscht ein Arbeitsfachkräftemangel, der sich in den nächsten Jahren mit dem demografischen Wandel in Form des Renteneintritts der sog. Babyboomer noch verstärken wird. Zugleich vermelden große deutsche Unternehmen wie SAP, VW und Bosch einen Stellenabbau. Was zunächst widersprüchlich erscheint, lässt sich damit erklären, dass die Anforderungen an viele Arbeitsplätze aufgrund der zunehmenden Digitalisierung sich verändern oder anspruchsvoller werden.

Wie kann man den Herausforderungen des Fachkräftemangels auf der einen Seite und größere Entlassungswellen mit hohen Folgekosten wie Abfindungszahlungen auf der anderen Seite begegnen?

Es empfiehlt sich, verstärkt auf Re-Skilling und Up-Skilling zu setzen. Hinter diesen Begriffen verbergen sich die klassischen Personalentwicklungsinstrumente der Fortbildung und der Umschulung. Wir empfehlen daher, vor Entlassungen zu prüfen, ob Fachkräfte nach einer Fortbildung oder einer Umschulung im Unternehmen verbleiben können.

Vorteile des Re- und Up-Skillings

Ein solches langfristiges und zukunftsorientiertes Vorgehen zahlt sich für die Unternehmen gleich mehrfach aus:

  • Die Mitarbeitenden werden wertgeschätzt und langfristig motiviert:

Berufliches und persönliches Wachstum führen zu einer höheren Zufriedenheit des einzelnen Arbeitnehmers. Dadurch und durch die bewusste Investition in Form nachhaltiger Fortbildungen und zukunftsorientierter Umschulungen in die individuellen Arbeitnehmer, durch die der Arbeitgeber seine Wertschätzung ihnen gegenüber verdeutlicht, kann eine erhöhte Mitarbeiterzufriedenheit bedingt werden. Derartige Maßnahmen können zur Stabilität eines Unternehmens beitragen.

  • Die Investition nutzt unmittelbar dem Unternehmen:

Die fortgebildeten oder umgeschulten Mitarbeitenden bleiben dem Unternehmen als Personalreserve für ihre bisherige Tätigkeit erhalten. Daneben führt die weitere Qualifikation der Arbeitnehmer gleichzeitig zu einer besseren und flexibleren Verwendbarkeit derselben im Unternehmen. Die neu erlernten Fähigkeiten und Qualifikationen kommen dem Unternehmen in der Folge unmittelbar zunutze.

  • Weitergehende Kosten werden vermieden:

Durch die bewusste Investition in Arbeitnehmer kann der Recruiting-Aufwand in Form der Vergütung für einen Headhunter oder das Schalten von Stellenzeigen gesenkt werden. Weiter fließt auch kein Geld über Abfindungszahlungen im Rahmen der Beendigung von Arbeitsverhältnissen aus dem Unternehmen ab. Für den Arbeitgeber entfallen so die mit Neueinstellungen und Entlassungen verbundenen Kosten.

  • Mitarbeiter lassen sich für durch sogenannte Rückzahlungsklauseln an das Unternehmen binden:

Schließlich besteht die Möglichkeit die Mitarbeitenden über Rückzahlungsklauseln an das Unternehmen zu binden. Durch derartige Klauseln verpflichtet sich der Arbeitnehmer zur vollständigen oder anteiligen Rückzahlung der Aufwendungen, die der Arbeitgeber für die Fort- oder Weiterbildungsmaßnahmen des Arbeitnehmers gemacht hat, sollte das Arbeitsverhältnis vor dem Ablauf einer festgelegten Zeit enden. Wesentlicher Anhaltspunkt für die Bindung ist dabei die Dauer der Weiterbildungsmaßnahme. Insoweit hat die Rechtsprechung folgende Staffelung entwickelt, die als Orientierungshilfe dienen kann:

Dauer der Fortbildungsmaßnahme Bindungsdauer
Fortbildung bis zu einem Monat Bindung bis zu sechs Monate
Fortbildung bis zu zwei Monat Bindung bis zu zwölf Monate
Fortbildung von drei bis zu vier Monaten Bindung bis zu 24 Monate
Fortbildung von sechs Monaten bis zu einem Jahr Bindung nicht länger als drei Jahre
Fortbildung von mehr als zwei Jahren Bindung bis zu fünf Jahre

Allerdings sind bei der Gestaltung von Rückzahlungsklauseln verschiedene juristische Fallstricke und durch die Rechtsprechung konkretisierte Vorgaben zu beachten. So sind Fortbildungskosten im Grundsatz Betriebsausgaben, die im Risikobereich des Arbeitsgebers liegen. Rückzahlungsklauseln dürfen daher den Arbeitgeber nicht unangemessen benachteiligen. Folglich muss bei der vertraglichen Ausgestaltung beachtet werden, dass eine Rückzahlung nur für die Fälle vereinbart werden kann, in denen die Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausschließlich in den alleinigen Risiko- und Verantwortungsbereich des Arbeitnehmers fällt. Der Arbeitnehmer muss es selbst in der Hand haben, der Rückzahlungsverpflichtung durch Betriebstreue zu entgehen. Eine Differenzierung nach möglichen Beendigungsgründen eines Arbeitsverhältnisses ist damit bei der Gestaltung von Rückzahlungsklauseln zwingend erforderlich.

Fazit

Re- und Up-Skilling von Arbeitnehmern stellen einen wesentlichen Baustein zur Bewältigung der aktuellen und künftigen Herausforderungen des Arbeitsmarktes dar. So können Fortbildungen und Weiterbildungen für Arbeitnehmer einen Anreiz für Betriebstreue setzen und Kosten im Zusammenhang mit Recruitment und Entlassungen vermeiden. Bei der Gestaltung von Rückzahlungsklauseln müssen allerdings die von der Rechtsprechung konkretisierten Anforderungen beachtet werden.

Dieser Beitrag ist mit Unterstützung von Sabine Jülich, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Düsseldorfer Büro, entstanden.

Dr. Julia Christina König

Rechtsanwältin
Fach­an­wäl­tin für Arbeitsrecht
Counsel
Julia König berät Arbeitgeber sowohl zu Fragen des Arbeit­neh­mer­da­ten­schut­zes als auch im Umstruk­tu­rie­rungkontext. Besondere Expertise besitzt sie im Bereich von Unter­neh­men in kirchlicher Trä­ger­schaft sowie aus dem Gesund­heits­sek­tor.
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