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Wann betriebliche Gründe das Teilzeitverlangen von Arbeitnehmern überwiegen

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Die möglichen Gründe für ein arbeitnehmerseitiges Begehren nach einer Arbeitszeitreduzierung sind vielseitig, wie etwa familiäre Verpflichtungen oder der Wunsch nach mehr Work-Life-Balance. Offenlegen müssen Arbeitnehmer ihre Beweggründe im Rahmen der Antragstellung gegenüber ihrem Arbeitgeber indes nicht. Dieser hat nach § 8 Abs. 4 S. 1 TzBfG der Verringerung der Arbeitszeit zuzustimmen und ihre Verteilung entsprechend den Wünschen des Arbeitnehmers festzulegen – jedoch nur, soweit betriebliche Gründe nicht entgegenstehen. Unter welchen Voraussetzungen sich der Arbeitgeber erfolgreich auf solche der gewünschten Teilzeitbeschäftigung widersprechenden betrieblichen Gründe berufen kann, hat das Bundesarbeitsgericht bereits in seiner Entscheidung vom 24. Juni 2008 (9 AZR 313/07) in Gestalt einer dreistufigen Prüfungsreihenfolge festgelegt. Das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz hat nun mit Urteil vom 26. September 2024 (2 SLa 9/24) unter Anwendung dieser Prüfungsstufen erneut gezeigt, dass ein erfolgreiches Teilzeitverlangen keine Selbstverständlichkeit ist.

Allgemeine Voraussetzungen des Teilzeitverlangens

Zu den allgemeinen Voraussetzungen eines Anspruchs auf Zustimmung zur Arbeitszeitreduzierung gehört zunächst, dass das Arbeitsverhältnis mit dem jeweiligen Arbeitnehmer länger als sechs Monate besteht (§ 8 Abs. 1 TzBfG) und der Arbeitgeber in der Regel mehr als 15 Arbeitnehmer beschäftigt (§ 8 Abs. 7 TzBfG). Der Arbeitnehmer hat bei der Geltendmachung seines Teilzeitverlangens die dreimonatige Mindestankündigungsfrist des § 8 Abs. 2 S. 1 TzBfG einzuhalten. Teilt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer seine Entscheidung sodann nicht spätestens einen Monat vor dem gewünschten Beginn der Arbeitszeitverringerung mit, verringert sich die Arbeitszeit kraft Gesetzes automatisch, § 8 Abs. 5 S. 1 und 2 TzBfG.

Liegen die genannten Voraussetzungen vor, hat der Arbeitgeber der gewünschten Verringerung und Neuverteilung der Arbeitszeit zuzustimmen, soweit betriebliche Gründe nicht entgegenstehen. Ein betrieblicher Grund liegt nach § 8 Abs. 4 S. 2 TzBfG insbesondere vor, wenn die Umsetzung des Arbeitszeitverlangens die Organisation, den Arbeitsablauf oder die Sicherheit im Betrieb wesentlich beeinträchtigt oder unverhältnismäßige Kosten verursacht. Doch was heißt dies genau?

Drei-Stufen-Prüfung des Bundesarbeitsgerichts

Das Bundesarbeitsgericht betont in seiner Entscheidung vom 24. Juni 2008, dass für eine wirksame Ablehnung keine dringenden betrieblichen Gründe erforderlich sind. Ausreichend sei vielmehr das Vorliegen hinreichend gewichtiger, rational nachvollziehbarer Gründe auf Seiten des Arbeitgebers. Maßgeblich für die Beurteilung des Vorliegens solcher betrieblichen Gründe ist der Zeitpunkt, in dem der Arbeitgeber den Arbeitszeitwunsch ablehnt.

Die diesbezüglich entwickelte dreistufige Prüfung sieht wie folgt aus:

  • Auf der ersten Stufe ist festzustellen, ob und wenn ja, welches betriebliche Organisationskonzept der vom Arbeitgeber als erforderlich angesehenen Arbeitszeitregelung zugrunde liegt und ob dieses tatsächlich im Betrieb durchgeführt wird. Dabei meint Organisationskonzept das Konzept, mit dem die unternehmerische Aufgabenstellung im Betrieb verwirklicht werden soll. Die Darlegungslast liegt insoweit beim Arbeitgeber.
  • Auf der zweiten Stufe ist sodann zu untersuchen, inwieweit die Arbeitszeitregelung dem individuellen Arbeitszeitverlangen des Arbeitnehmers tatsächlich entgegensteht. Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang insbesondere auch, ob durch eine dem Arbeitgeber zumutbare Änderung von betrieblichen Abläufen oder des Personaleinsatzes der betrieblich als erforderlich angesehene Arbeitszeitbedarf unter Wahrung des Organisationskonzepts mit dem individuellen Arbeitszeitwunsch des Arbeitnehmers unter einen Hut gebracht werden kann.
  • Schließlich ist in der dritten Stufe das Gewicht der entgegenstehenden betrieblichen Gründe zu prüfen. Dabei kommt es entscheidend darauf an, ob das betriebliche Organisationskonzept oder die zugrunde liegende unternehmerische Aufgabenstellung durch die vom Arbeitnehmer gewünschte Abweichung wesentlich beeinträchtigt werden.
Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz

Das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz hat nun mit Urteil vom 26. September 2024 auf Grundlage der dargestellten Grundsätze solche betrieblichen Gründe im Sinne von § 8 Abs. 4 S. 1 und 2 TzBfG bejaht, die dem Wunsch des betroffenen Arbeitnehmers Verringerung und Neuverteilung der Arbeitszeit entgegenstehen.

Der Kläger, ein Labortechniker, der insbesondere mit der regelmäßigen Wartung und Reinigung von Laborgeräten befasst ist, begehrte die Reduzierung seiner sich bisher auf fünf Werktage erstreckenden wöchentlichen (Vollzeit-)Arbeitszeit von 38 Stunden auf 26,6 Stunden pro Woche. Dabei sollte die Verteilung der verringerten Arbeitszeit so erfolgen, dass er wöchentlich montags bis donnerstags „normal“ arbeitet und jeden Freitag sowie alle zwei Wochen montags frei hat. Die Beklagte lehnte dies mit der Begründung ab, dass die gewünschte Teilzeitbeschäftigung die Organisation und den Arbeitsablauf im Betrieb wesentlich beeinträchtigen würde.

Zunächst hat das Landesarbeitsgericht auf der ersten Prüfungsstufe festgestellt, dass das betriebliche Organisationskonzept der Beklagten vorsieht, dass die Labortechnik durch eine entsprechend qualifizierte Vollzeitkraft mit 38 Wochenstunden besetzt wird, um die technische Verfügbarkeit der Laborgeräte dadurch sicherzustellen, dass eine möglichst zeitnahe Beseitigung von Störungen spätestens am nächsten Werktag zu gewährleisten. Dies sei durch die der Beklagten zustehende unternehmerische Organisationsfreiheit gedeckt, da ihr Konzept nachvollziehbar und nicht willkürlich sei.

Eine Teilzeitbeschäftigung des Klägers würde jedoch dazu führen, dass das Labor an den von ihm begehrten freien Tagen nicht planmäßig besetzt wäre, was die zeitnahe Behebung von Störungen gefährden würde. Die Beklagte hat im Rahmen der zweiten Prüfungsstufe insbesondere nachweisen können, dass es ihr im maßgeblichen Zeitpunkt der Ablehnungsentscheidung nicht möglich war, für die ausfallende Arbeitszeit des Klägers an den betreffenden Tagen eine Ersatzkraft einzustellen. Ausreichend war insoweit laut des Landesarbeitsgerichts, dass die Beklagte der zuständigen Agentur für Arbeit einen erfolglos gebliebenen Vermittlungsauftrag für eine entsprechende Teilzeitersatzkraft erteilt habe. Darüberhinausgehende unternehmensinterne Ausschreibungen der Stelle seien nicht erforderlich.

Auf der dritten Prüfungsstufe sah das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz letztlich das betriebliche Organisationskonzept mit der ihm zugrunde liegenden unternehmerischen Aufgabenstellung durch die vom Kläger gewünschte Abweichung als wesentlich beeinträchtigt an, da eine zeitnahe Behebung etwaig auftretender Störungen durch einen eigenen Labortechniker im Falle der begehrten Arbeitszeitreduzierung nicht gewährleistet wäre.

Fazit

Die ergangene Rechtsprechung verdeutlicht, dass ein Anspruch auf Teilzeit zwar grundsätzlich gegeben ist, jedoch immer im Spannungsfeld zwischen den Wünschen des Arbeitnehmers und den berechtigten betrieblichen Interessen des Arbeitgebers steht. Die vom Bundesarbeitsgericht entwickelte dreistufige Prüfung des Vorliegens entgegenstehender betrieblicher Gründe führt dazu, dass Arbeitgeber gut beraten sind, ihr betriebliches Organisationskonzept zu dokumentieren, um nachvollziehbar darlegen zu können, warum bestimmte Arbeitszeitregelungen notwendig sind. Im jeweiligen Einzelfall erforderlich ist zudem, dass Arbeitgeber darlegen und beweisen können, ob durch zumutbare Änderungen von betrieblichen Abläufen oder des Personaleinsatzes – Stichwort Einstellung einer Ersatzkraft – dem individuellen Arbeitszeitwunsch des Arbeitnehmers entsprochen werden kann.

Imke Pikkemaat LL.M.

Rechtsanwältin

Associate
Imke Pikkemaat berät und vertritt nationale und internationale Unternehmen sowie Führungskräfte in sämtlichen Bereichen des individuellen und kollektiven Arbeitsrechts. Neben Restrukturierungsprojekten berät sie ihre Mandanten zudem in Kündigungsrechtsstreitigkeiten, im Bereich des Betriebsverfassungsrechts sowie in der Vertragsgestaltung. Sie ist Mitglied der Fokusgruppe "ESG".
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