Die Arbeitszeiterfassung wird auch im neuen Jahr ein bestimmendes Thema im Arbeitsrecht sein, wie eine aktuelle Entscheidung des EuGH vom 19. Dezember 2024 (Rechtssache C-531/23 [Loredas]) zeigt. In unserem Blog haben wir wiederholt zur Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts zur Arbeitszeiterfassung und den sich hieraus ergebenden Folgen für die Praxis berichtet (vgl. zuletzt unser Blog-Beitrag vom 25. November 2024). Verbunden war dies stets auch mit der Hoffnung und Erwartung an den Gesetzgeber, im Recht der Arbeitszeiterfassung endlich für Klarheit und Rechtssicherheit für Unternehmen zu sorgen und dabei die durch die EU-Arbeitszeitrichtlinie 2003/88 bestehenden Regelungsräume zu nutzen (vgl. unsere Blog-Beiträge vom 5. November 2022 und vom 18. April 2023). Die Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Loredas unterstreicht diese Notwendigkeit.
Die Entscheidung des EuGH
Der vom EuGH im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahren entschiedene Fall betraf eine vollzeitbeschäftigte Hausangestellte in Spanien, die ihre Entlassung angefochten und Klage auf Zahlung von Überstunden und nicht genommenen Urlaubstagen erhoben hatte. Die spanischen Gerichte hatten festgestellt, dass die Arbeitnehmerin weder die geleisteten Arbeitsstunden noch den geforderten Lohn nachgewiesen habe, da die spanische Regelung bestimmte Arbeitgeber, darunter Haushalte, von der Verpflichtung zur Arbeitszeiterfassung befreite.
Der EuGH stellte klar, dass die Mitgliedstaaten sicherstellen müssen, dass die praktische Wirksamkeit der Rechte aus der Arbeitszeitrichtlinie 2003/88 gewährleistet wird. Dies bedeutet, dass die tägliche und wöchentliche Arbeitszeit objektiv und zuverlässig erfasst werden muss, um die Einhaltung der Mindestruhezeiten und der wöchentlichen Höchstarbeitszeit zu gewährleisten. Der Gerichtshof stellte fest, dass die spanische (Befreiungs)Regelung gegen diese Vorgaben verstößt.
Der EuGH betonte, dass alle Träger öffentlicher Gewalt der Mitgliedstaaten, einschließlich der Gerichte, zur Erreichung der in den Arbeitszeitrichtlinien vorgesehenen Ziele beitragen müssen. Die richterliche Auslegung oder Verwaltungspraxis, die Hausangestellte von der Arbeitszeiterfassung befreit, verstößt gegen die Richtlinie. Denn Hausangestellten würde hierdurch die Möglichkeit vorenthalten, objektiv und zuverlässig festzustellen, wie viele Arbeitsstunden sie geleistet haben und wann diese Stunden geleistet wurden.
Hinweise für die Praxis
Die Entscheidung des EuGH stützt die Entscheidung des BAG zur Pflicht zur systematischen Arbeitszeiterfassung (Beschluss vom 13. September 2022 – 1 ABR 22/21), entsprechendes Verwaltungshandeln und hierzu ergangene Entscheidungen von Verwaltungsgerichten (etwa VG Hamburg, Urteil vom 21. August 2024 – 15 K 964/24), da der Gerichtshof klar betont, dass die Träger der öffentlichen Gewalt dazu beitragen müssen, dass die in der Arbeitszeitrichtlinie vorgesehenen Ziele erreicht werden. Gleichzeitig verdeutlicht die Entscheidung jedoch auch, dass rein formale gesetzliche Bereichsausnahmen von der Arbeitszeiterfassungspflicht nicht ausreichend sein können, wenn nicht sichergestellt ist, dass die Mindestruhezeiten und die wöchentliche Höchstarbeitszeit eingehalten werden.
Die Entscheidung macht jedoch wieder einmal deutlich, dass die Mitgliedsstaaten die Möglichkeit haben, die konkreten Modalitäten zur Umsetzung und Form eines Systems der Arbeitszeiterfassung festzulegen und dabei branchen- oder tätigkeitsspezifische Besonderheiten und Eigenheiten bestimmter Unternehmen, namentlich ihrer Größe zu berücksichtigen.
Diese Gestaltungsaufgabe sollte der künftige Gesetzgeber aufgreifen und dies zum Anlass nehmen, das Arbeitszeitgesetz insgesamt zukunftsfähig und flexibler auszugestalten. Bleibt zu hoffen, dass es sich dabei nicht nur um einen Wunsch zum neuen Jahr handelt, der unerfüllt bleibt.