Die Vergütung von Betriebsratsmitgliedern während ihrer Freistellung von der Arbeit ist immer wieder Gegenstand von arbeitsgerichtlichen Auseinandersetzungen. Denn während der Betriebsratsarbeit behält das Betriebsratsmitglied nach § 37 Abs. 2 BetrVG weiterhin seinen Lohnanspruch. Die zutreffende Bestimmung dieses Lohnanspruchs bereitet in der Praxis gerade in Schichtbetrieben Probleme. Eine aktuelle Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG – 7 AZR 197/23) gibt für die Praxis wertvolle Hinweise zur Bestimmung von Vergütungsansprüchen während der Freistellung für Betriebsratstätigkeiten.
Sachverhalt
Dem Urteil lag die Revision eines klagenden Arbeitnehmers auf ein Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts zugrunde. Inhaltlich ging es dem Kläger, der seit 2013 bei dem Beklagten, einem gemeinnützigen Verein und Betreiber eines Rettungsdienstes, als Notfallsanitäter arbeitete, um die Zahlung diverser Zulagen und Zuschläge, insbesondere einer Wechselschichtzulage.
Besonders interessant wurde der Fall nun dadurch, dass der Kläger zwar in Vollzeit für den Beklagten tätig war und bis 2020 in dieser Funktion u.a. in Wechselschicht arbeitete. Hierfür waren ihm die jeweiligen tarifvertraglich vorgesehenen Zuschläge und Zulagen ausgezahlt worden. In der Folge seiner Betriebsratstätigkeit wurde der Kläger jedoch seit 2020 zunächst teilweise, seit 2022 sogar vollständig von seiner beruflichen Tätigkeit freigestellt. Obwohl der Kläger aufgrund der Freistellung seine Betriebsratstätigkeit von nun an zu den üblichen Bürozeiten erbrachte und damit nicht mehr die tariflichen Voraussetzungen der Zuschläge und Zulagen erfüllte, bestand er weiterhin auf deren Auszahlung.
Der Kläger argumentierte, wäre er nicht aufgrund seiner Betriebsratstätigkeit von der Arbeit freigestellt worden, hätte er weiterhin im Schichtsystem gearbeitet und vor diesem Hintergrund auch weiterhin die Auszahlungsvoraussetzungen erfüllt. Dass der Kläger seine Betriebsratstätigkeit zur Ermöglichung der Teilnahme an Betriebsratssitzungen nunmehr zu den üblichen Bürozeiten erbringen müsse, könne ihm insofern nicht zum Nachteil gereichen.
Entscheidung des BAG
Während das Hessische Landesarbeitsgericht einen Anspruch des Klägers noch verneint hatte, da der Kläger die Betriebsratsarbeit nicht zu den zuschlagspflichtigen Zeiten erbracht hatte, gab das BAG dem Kläger nun Recht. Entscheidend sei, wann der Kläger, wenn er nicht als Betriebsratsmitglied von seiner beruflichen Tätigkeit befreit gewesen wäre, seine Arbeitsleistung als Sanitäter erbracht hätte. Der Anspruch auf Zahlung der streitgegenständlichen Zulagen und Zuschläge ist somit nicht deshalb ausgeschlossen sei, weil der Kläger seine Betriebsratstätigkeit zu Zeiten erbringe, für die nach den tariflichen Regelungen diese Leistungen nicht zu erbringen seien.
Das demnach anzuwendende Lohnausfallprinzip erfordert eine hypothetische Betrachtung, welches Arbeitsentgelt das Betriebsratsmitglied ohne die Arbeitsbefreiung verdient hätte. Hierzu gehören alle Vergütungsbestandteile, also auch Zuschläge für Mehr-, Über-, Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit. Würden im aktiven Arbeitsverhältnis Zuschläge für Erschwernisse bei der Arbeit gewährt, stünden diese einem freigestellten Betriebsratsmitglied in der Folge auch dann zu, wenn aufgrund der Amtstätigkeit überhaupt keine Arbeitstätigkeit zu den zuschlagsrelevanten Zeiten erbracht werde.
Fazit
Entscheidend bei der Anwendung des Lohnausfallprinzips und der hypothetischen Betrachtung zur Ermittlung der fortzuzahlenden Vergütung ist die Ermittlung, wann das Betriebsratsmitglied welche Arbeitsleistungen erbracht hätte, wenn es nicht (teilweise) von seiner beruflichen Tätigkeit freigestellt gewesen wäre und welche Vergütungsbestandteile, insbesondere Zuschläge und Zulagen es dabei verdient hätte. Dabei ist jedoch zu beachten, dass – ungeachtet dessen, dass das Betriebsratsmitglied diese Vergütungsbestandteile zwar nicht „verdienen“ muss – die jeweiligen Anspruchsvoraussetzungen für die Vergütungsbestandteile vorliegen und auch ihre etwaigen Besonderheiten berücksichtigt werden müssen. Ein „Freifahrtschein“ stellt § 37 Abs. 2 BetrVG nicht dar.