„Amtliche Warnung vor Frost und Glätte“ – bei plötzlichem Wintereinbruch mit Schnee und Glatteis kommen in Unternehmen eine Vielzahl an Fragen auf, auf die Arbeitgeber und Personalabteilungen oftmals sehr kurzfristig reagieren müssen. Für eine umfassende rechtliche Bewertung bleibt in diesen Momenten meist keine Zeit. Wir zeigen bereits jetzt, worauf es in diesen Fällen ankommt.
I. Der Arbeitnehmer kann nicht in die Arbeit kommen,
1. … da der Arbeitsweg durch Schnee und Glatteis beeinträchtigt ist.
Winterliche Witterungsbedingungen können im Extremfall dazu führen, dass Arbeitnehmer nicht in die Arbeit kommen können, da öffentliche Verkehrsmittel ausfallen und Straßen nicht befahrbar sind. Doch wer trägt die Verantwortung dafür, wenn der Arbeitnehmer die Arbeitsstätte nicht beziehungsweise nur mit einer erheblichen Verspätung erreicht?
Grundsätzlich muss der Arbeitnehmer sicherstellen, dass er zum vereinbarten Arbeitsbeginn in der Arbeitsstätte erscheinen kann. Er trägt das sogenannte Wegerisiko. Daran ändert sich zunächst auch nichts durch extreme Witterungsbedingungen.
Sollte es dem Arbeitnehmer nicht oder nur mit erheblicher Verspätung möglich sein, die Arbeitsstätte zu erreichen, gilt der Grundsatz „Ohne Arbeit kein Lohn“ und der Vergütungsanspruch entfällt in der Regel. Die Ausnahmeregelung des § 616 BGB greift nicht per se bei winterlichen Witterungsbedingungen. Witterungsbedingungen allein stellen einen allgemeinen Verhinderungsgrund und nicht einen für das Eingreifen von § 616 BGB notwendigen vorübergehenden, persönlichen Verhinderungsgrund des Arbeitnehmers dar. Etwas anderes kann gelten, wenn eine konkrete Straße gesperrt ist.
Der Arbeitnehmer trägt somit durch das Wegerisiko die finanzielle Last des Lohnausfalls, wenn er die Arbeitsstätte nicht beziehungsweise nicht rechtzeitig erreichen kann. Im Unterschied hierzu trägt der Arbeitgeber das sogenannte Betriebsrisiko, wenn die Arbeitsleistung aufgrund von Störungen im Betrieb (zum Beispiel durch ausbleibende Lieferung, Stromausfall) nicht erbracht werden kann.
Auch wenn grundsätzlich das Wegerisiko bei den Arbeitnehmern liegt, so wird Arbeitgebern stets eine Fürsorgepflicht gegenüber den Arbeitnehmern zuteil. Diese Pflicht bezieht sich insbesondere auch darauf, das Leben und die Gesundheit der Arbeitnehmer zu schützen. Bei extremen Witterungsbedingungen könnte eine notwendige Schutzmaßnahme der Arbeitgeber auch daran liegen, einem Verlangen nach dem Arbeiten im Homeoffice zu entsprechen oder Arbeitnehmern bei einer drohenden sich verschlechternden Wetterlage im Laufe des Arbeitstages den Wechsel in das Homeoffice anzubieten. Hierbei sind aber wie so oft die Umstände des Einzelfalls entscheidend.
2. … da betreuungspflichtige Kinder von Kindergarten-/Schulschließungen betroffen sind.
Sollten extreme Witterungsbedingungen zu kurzfristigen Kindergarten- und Schulschließungen führen, verursacht das bei Arbeitnehmer oftmals einen Konflikt zwischen Betreuungs- und Arbeitnehmerpflichten. In einer solchen Situation sollte von den Arbeitsvertragsparteien geprüft werden, ob die Lösung des Konfliktes durch eine Tätigkeit des Arbeitnehmers im Homeoffice oder eine flexible Arbeitszeitgestaltung denkbar ist. Sollte dies nicht umsetzbar sein und die Erfüllung der Arbeitspflicht für den Arbeitnehmer unzumutbar sein, kann eine kurzfristige (unbezahlte) Freistellung des Arbeitnehmers empfehlenswert beziehungsweise im Einzelfall sogar zwingend notwendig sein.
Ein Anspruch des Arbeitnehmers auf bezahlte Freistellung besteht (nur), wenn im Einzelfall die Voraussetzungen des § 616 BGB eingreifen, da keine andere Person die Kinder betreuen kann, oder eine entsprechende Regelung im Arbeitsvertrag, in einer Betriebsvereinbarung oder in einem einschlägigen Tarifvertrag vorgesehen ist. Es empfiehlt sich, bereits vorsorglich die entsprechenden Vertragswerke auf eine Regelung zu familiären Notfällen zu überprüfen.
II. Unfälle durch Schnee und Glatteis
1. Auf dem Arbeitsweg
Sollte ein Arbeitnehmer auf dem Weg zur Arbeit, zum Beispiel wegen Glatteis, stürzen oder einen Unfall haben, ist dies meist von dem Versicherungsschutz der gesetzlichen Unfallversicherung des Arbeitgebers gedeckt. Etwas anderes kann gelten, wenn der Arbeitnehmer den Arbeitsweg aus privaten Gründen, zum Beispiel dem Wocheneinkauf, unterbricht.
Dies bedeutet allerdings nicht, dass der Arbeitgeber für Unfälle der Arbeitnehmer auf dem Arbeitsweg haftet. Dies ist nur der Fall, wenn der Unfall auf einen Verstoß des Arbeitgebers gegen seine Fürsorgepflicht zurückzuführen ist. Eine Fürsorgepflicht hat der Arbeitgeber insbesondere dahingehend den Zugang zur Arbeitsstätte zu sichern. Zum Beispiel durch das Streuen von Salz oder das Schneeräumen auf Parkplätzen und Zufahrtswege.
2. Auf dem Betriebsgelände
Die Fürsorgepflicht und Verkehrssicherungspflicht des Arbeitgebers erstrecken sich nicht nur auf den Zugang zur Arbeitsstätte, sondern auch auf die Bedingungen in der Arbeitsstätte selbst. Der Arbeitgeber ist verantwortlich dafür, dass Gehwege in der Arbeitsstätte gefahrlos passierbar sind. Der Arbeitgeber sollte die Arbeitnehmer zudem bei extremen Witterungsbedingungen auf mögliche Gefahren (zum Beispiel durch herabrutschende Schneelawinen oder Eiszapfen) hinweisen und konkrete Verhaltensweisen empfehlen. Dies kann beispielsweise durch interne Rundschreiben, Schulungen oder Informationsveranstaltungen erfolgen.
Kommt es trotz aller Vorkehrungen zu einem Unfall, ist dieser (meist) von der gesetzlichen Unfallversicherung des Arbeitgebers gedeckt. Der Arbeitnehmer sollte in diesen Fällen dazu aufgefordert werden, sich ärztlich im notwendigen Umfang untersuchen zu lassen, den Unfall möglichst detailliert zu dokumentieren und den Unfall unverzüglich bei der Unfallversicherung zu melden, um schnellstmöglich die entsprechenden Versicherungsansprüche geltend machen zu können.
Eine Haftung des Arbeitgebers kommt in Betracht, wenn dieser seiner Verkehrssicherungspflicht (zum Beispiel dem Räumen der Gehwege) nicht nachgekommen ist und es dadurch zu einem Unfall des Arbeitnehmers kam.
Fazit
Der Winter bringt für Personalverantwortliche eine Reihe an rechtliche Herausforderungen. Arbeitgeber sollten ihre Verkehrssicherungspflicht ernst nehmen und entsprechende Maßnahmen ergreifen, um das Unfallrisiko für ihre Mitarbeiter zu minimieren. Eine denkbare Maßnahme ist bei drohendem Wintereinbruch die Arbeit im Homeoffice proaktiv anzubieten. Sollte die Arbeit in der Arbeitsstätte zwingend notwendig sein, sollte die Sicherung der Gehwege zur und an der Arbeitsstätte für die Arbeitgeber oberste Priorität haben.