Die Schwerbehindertenvertretung (SBV) gilt häufig als die „kleine Schwester“ des Betriebsrats. Doch ist sie im Rahmen von Restrukturierungen auch wie der Betriebsrat zu beteiligen? Nimmt die Schwerbehindertenvertretung an den Verhandlungen zu Interessenausgleich und Sozialplan teil? Welche Unterrichtungs- und Anhörungspflichten bestehen? Wir zeigen, worauf Arbeitgeber achten sollten.
Wahl und Aufgaben der Schwerbehindertenvertretung
Sind in einem Betrieb nicht nur vorübergehend wenigstens fünf schwerbehinderte oder gleichgestellte Menschen (nachfolgend zusammen „Schwerbehinderte“) beschäftigt, ist gemäß § 177 Abs. 1 SGB IX eine SBV zu wählen. Ihre reguläre Amtszeit beträgt vier Jahre. Dabei ist zu beachten, dass das Amt der SBV auch dann nicht vorzeitig endet, wenn die Anzahl Schwerbehinderter vor Ablauf der Amtszeit unter den Schwellenwert fällt.
Die SBV hat gemäß § 178 SGB IX die Eingliederung Schwerbehinderter im Betrieb zu fördern und ihre Interessen zu vertreten. Außerdem steht sie Schwerbehinderten beratend und helfend zur Seite. Hierfür hat der Gesetzgeber eine Reihe von Informations- und Anhörungsrechten geschaffen.
Planung einer Betriebsänderung: Teilnahme der SBV an Verhandlungen?
Nach § 111 BetrVG muss der Arbeitgeber über geplante Betriebsänderungen mit dem Betriebsrat beraten und einen Sozialplan sowie ggf. einen Interessenausgleich vereinbaren. Im Rahmen der Verhandlungen nimmt der Betriebsrat die Interessen aller Arbeitnehmer wahr. Die SBV hat regelmäßig kein Teilnahmerecht an diesen Verhandlungen. Eine Ausnahme kann sich jedoch ergeben, wenn Verhandlungen über eine Betriebsänderung scheitern, daher eine Einigungsstelle gebildet wird und der Betriebsrat den Schwerbehindertenvertreter als Beisitzer der Einigungsstelle benennt. Allerdings darf die SBV nach § 178 Abs. 4 SGB IX beratend an allen Sitzungen des Betriebsrats teilnehmen.
Aus unternehmenspolitischen Gründen kann eine Teilnahme der SBV an den Verhandlungen jedoch gewünscht sein, etwa weil Schwerbehinderte von den geplanten Maßnahmen in besonderem Maße betroffen sind.
Unterrichtungs- oder Anhörungspflicht zur Entscheidung über das „Ob“ einer Betriebsänderung?
Gesondert von den Verhandlungen über die geplante Betriebsänderung sind die spezifischen Unterrichtungs- und Anhörungspflichten gegenüber der SBV zu betrachten. Ausgangspunkt hierfür ist § 178 Abs. 2 S. 1 SGB IX: Danach hat der Arbeitgeber die SBV in allen Angelegenheiten, die einen einzelnen oder die schwerbehinderten Menschen als Gruppe berühren, unverzüglich und umfassend zu unterrichten und vor einer Entscheidung anzuhören.
Dies dürfte bei geplanten Betriebsänderung zwar regelmäßig der Fall sein, sodass die Beteiligung der SBV stets erforderlich wäre. Allerdings schränkt das BAG die Rechte der SBV ein, um eine zu ausufernde Beteiligung zu verhindern. Das Beteiligungsrecht der SBV ist nur eröffnet, wenn sich eine Angelegenheit nicht in gleicher Weise auf alle Beschäftigten auswirkt, unabhängig davon, ob sie schwerbehindert sind oder nicht. Mit anderen Worten ist die SBV nur dann gesondert zu beteiligen, wenn Schwerbehinderte von einem Vorhaben spezifisch betroffen sind.
Arbeitgeber sollten daher im Einzelfall frühzeitig prüfen, ob schwerbehinderte Personen von den geplanten Maßnahmen anders oder in gleicher Weise wie nicht schwerbehinderte Personen betroffen sind. Denn die Verletzung der Unterrichtungs- und Anhörungspflichten stellt eine Ordnungswidrigkeit dar, die mit einer Geldbuße von bis zu EUR 10.000 geahndet werden kann.
Verzögerungsrisiko durch Aussetzungsanträge der SBV
Neben Bußgeldern können bei fehlerhafter Beteiligung der SBV auch Verzögerungen im Zeitplan drohen. Denn die Durchführung oder Vollziehung einer ohne erforderliche Beteiligung der SBV getroffenen Entscheidung des Arbeitgebers ist nach § 178 Abs. 2 SGB IX auszusetzen. Die Beteiligung ist dann innerhalb von sieben Tagen nachzuholen. Hierzu kann die SBV das Arbeitsgericht etwa im vorläufigen Rechtsschutz anrufen.
Umsetzung einer Betriebsänderung: Beteiligung der SBV bei personellen Maßnahmen
Von höherer Praxisrelevanz ist die Beteiligung der SBV bei personellen Einzelmaßnahmen, die sich im Rahmen der Umsetzung einer Restrukturierung ergeben. Unter anderem lösen Einstellungen, Versetzungen sowie Ein- und Umgruppierungen von Schwerbehinderten für den Arbeitgeber Unterrichtungs- und Anhörungspflichten aus.
Von besonderer praktischer Bedeutung ist die Beteiligung der SBV bei geplanten Kündigungen von Schwerbehinderten. Erfolgt die Kündigung eines Schwerbehinderten ohne vorherige Unterrichtung und Anhörung der SBV, so ist die Kündigung unwirksam (§ 178 Abs. 2 S. 3 SGB IX). Eine Nachholung der Beteiligung ist nicht möglich. Darüber hinaus ist die Zustimmung des Integrationsamtes sowie die Anhörung des Betriebsrats erforderlich. Zur Reihenfolge der Beteiligung siehe bereits unseren Blog-Beitrag vom 24. April 2019.
Werden – etwa im Rahmen von Freiwilligenprogrammen – Aufhebungsverträge mit Schwerbehinderten getroffen, so erfordern diese zwar keine vorherige Anhörung der SBV, aber deren Unterrichtung.
Darüber hinaus genießen die zur SBV gewählten Vertrauenspersonen Sonderkündigungsschutz, damit sie ihr Amt gegenüber dem Arbeitgeber unabhängig führen können.
Praxistipp für Arbeitgeber
Besteht im Unternehmen eine SBV, tun Arbeitgeber gut daran, bei der Vorbereitung und Planung von Restrukturierungen frühzeitig auch die Beteiligung der SBV zu berücksichtigen. Dies gilt insbesondere für die mit der Umsetzung einer Restrukturierung verbundenen personellen Maßnahmen, die Schwerbehinderte betreffen. Hierdurch können neben einer Erhöhung der Akzeptanz unter den betroffenen Beschäftigten insbesondere auch Verzögerungen im Zeitplan und unter Umständen sogar Bußgeldzahlungen vermieden werden.