Nach Eingang eines Hinweises durch einen Whistleblower ist häufig eine durch interne Stellen organisierte interne Untersuchung (auch internal investigations genannt) erforderlich. Dabei ist nicht immer klar, welche Rolle der Betriebsrat einnimmt – beziehungsweise ob der Betriebsrat überhaupt zu beteiligen ist.
Ein Interesse an der Einbindung des Betriebsrats in interne Untersuchungen kann ein vom Betriebsrat selbst geäußertes Anliegen sein, es kann aber auch von anderen an der Investigation beteiligten Personen dieses Interesse geben. Nicht zuletzt kann auch der Arbeitgeber es für zweckdienlich halten, wenn dem Betriebsrat eine feste Rolle bei internen Untersuchungen zugeteilt wird.
Keine Beteiligungsrechte im Hinweisgeberschutzgesetz
Zunächst folgen aber aus dem Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG) weder Beteiligungs- noch Informations- oder Kontrollrechte gegenüber der internen Meldestelle oder dem Arbeitgeber. Beteiligungsrechte des Betriebsrats oder anderer vergleichbarer Arbeitnehmervertretungen sind dort nicht geregelt; der Betriebsrat wird im Gesetzestext vielmehr an keiner Stelle erwähnt.
Gleiches gilt für die EU-Hinweisgeberschutzrichtlinie, die Grundlage des deutschen Hinweisgeberschutzgesetzes ist und die ebenfalls keine Beteiligungs- oder Kontrollrechte der Arbeitnehmervertretungen vorsieht. Unmittelbare Beteiligungsrechte bestehen also nicht, ebenso wenig wie ein Rechtsanspruch darauf, in interne Untersuchungen eingebunden zu werden oder ihnen vorab zustimmen zu müssen.
Keine Beteiligungsrechte aus dem Betriebsverfassungsrecht
Zudem sieht auch das Betriebsverfassungsrecht selbst keine Beteiligungsrechte des Betriebsrats bei der Planung oder Durchführung interner Untersuchungen vor. Der Katalog der Mitbestimmungstatbestände in § 87 Absatz 1 BetrVG kennt keinen Tatbestand zu Mitbestimmungs- oder Beteiligungsrechten bei internen Untersuchungen oder zum Hinweisgeberschutz. Teilweise wird zwar davon ausgegangen, dass bei internen Ermittlungen Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats im Einzelfall betroffen sein können. Dies mag bei kollektiven Tatbeständen in breit angelegten Untersuchungen mit zahlreichen und standardisierten Befragungen der Fall sein.
Außerhalb solcher Konstellationen jedoch begründet die Aufklärung einzelner Hinweise nach dem HinSchG mit Befragungen von Arbeitnehmern nicht generell einen solchen kollektiven Tatbestand. Selbst bei einem unterstellten Mitbestimmungstatbestand wäre aber auch nicht zwangsläufige Folge, dass der Betriebsrat oder einzelne Betriebsratsmitglieder deshalb auch an der Aufklärung zu beteiligen wären.
Allerdings gewährt § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG dem Betriebsrat als grundlegende Aufgabe ein oftmals als „Wächteramt“ bezeichnetes Recht. Dieses Recht umfasst die Überwachung der Einhaltung sämtlicher Rechtsvorschriften durch den Arbeitgeber, die zugunsten der Arbeitnehmer des Betriebs bestehen, folglich auch auf die arbeitnehmerschützenden Regelungen im Hinweisgeberschutzgesetz.
In Bezug auf die seiner Überwachung unterliegenden Bereiche hat der Betriebsrat nach § 80 Abs. 2 BetrVG daher Unterrichtungs- und Auskunftsrechte. Bezogen auf die Tätigkeit einer Meldestelle und die Durchführung einer internen Untersuchung kann der Betriebsrat also verlangen, Informationen vorgelegt zu bekommen, die ihm eine Prüfung ermöglichen, ob die arbeitnehmerschützenden Regelungen aus dem HinSchG eingehalten werden.
Letztlich bleibt es aber bei einer reinen Rechtskontrolle der Handlungen des Arbeitgebers, ohne dem Betriebsrat eine aktive Rolle hierbei bei der Durchführung der jeweiligen Gesetze zuzuweisen. Durchsetzbares Anspruchsziel des Betriebsrats nach § 80 Abs. 2 BetrVG ist der Erhalt von Informationen. Eine Mitwirkung bei internen Untersuchungen kann hieraus nicht abgeleitet werden.
Der Betriebsrat kann insbesondere nicht Einblick in laufende Untersuchungen über den Umweg eines Auskunftsrechts nach § 80 Abs. 2 BetrVG erhalten.
Identitätsschutz der an der Untersuchung beteiligten Personen
Das HinSchG enthält in § 8 auch strenge Vertraulichkeitsvorgaben. Danach sind die Identitäten der hinweisgebenden Person, der Personen, die Gegenstand einer Meldung sind, und der sonstigen in der Meldung genannten Personen vertraulich zu behandeln. In § 9 HinSchG sind nur eng gefasste Ausnahmen davon vorgesehen. Eine Beteiligung des Betriebsrats ist kein solcher Ausnahmetatbestand.
Aber auch darüber hinaus sprechen der Schutz von Persönlichkeitsrechten sowie das Gebot, den Kreis der in interne Untersuchungen eingebundenen Personen möglichst klein zu halten, gegen eine Einbindung des Betriebsrats oder einzelner seiner Mitglieder in interne Untersuchungen.
Ausgestaltung von Betriebsvereinbarungen
Insbesondere bei der Verhandlung von IT-Betriebsvereinbarungen werden gar nicht selten Betriebsräten dennoch Beteiligungsrechte eingeräumt. So könnte etwa geregelt sein, dass eine Auswertung von Systemdaten (auch) im Fall des Verdachts einer schweren Pflichtverletzung oder gar Straftat nur im Beisein eines Mitglieds des Betriebsrats erfolgen darf. Nicht wenige Betriebsvereinbarungen enthalten solche und ähnliche Regelungen über die Beteiligung des Betriebsrats.
Derlei Regelungsinhalte sind indes mit Vorsicht zu behandeln. Eine rechtliche Grundlage dafür besteht nicht. Zudem könnten die Persönlichkeitsrechte etwaig unter Verdacht stehender Arbeitnehmer einer solchen Einbindung entgegenstehen. Arbeitnehmer, die unter Verdacht stehen, eine schwere Pflichtverletzung begangen zu haben, haben ein berechtigtes Interesse daran, dass der Kreis der in die Untersuchung eingebundenen Personen nicht unnötig erweitert wird. Die Einbeziehung des Betriebsrats(gremiums) würde dem widersprechen.
Hinzuziehung bei Befragungen und Anhörungen
Teilweise fordern Betriebsräte, dass bei Befragungen im Rahmen von internen Untersuchungen Betriebsratsmitglieder hinzugezogen werden müssten, weil von einer eigenständigen Rolle des Betriebsrats bei der Untersuchung ausgegangen wird oder zumindest als Vertrauensperson der oder des Befragten.
Ein Recht auf Teilnahme an Befragungen und Anhörungen hat der Betriebsrat jedoch nicht. Insbesondere sehen weder das HinSchG noch das BetrVG solche Teilnahmerechte vor.
Eine generelle Hinzuziehung bei Befragungen würde dem Schutz von Persönlichkeitsrechten beteiligter Arbeitnehmer widersprechen. Diese möchten möglicherweise nicht, dass ihre Beteiligung an einem bestimmten Sachverhalt Mitgliedern des Betriebsrats bekannt wird. Zumal gerade bei großen Gremien sich der Kreis der in Kenntnis Gesetzten schlagartig vervielfachen kann, etwa wenn die Befragung im Gremium oder zwischen einzelnen Betriebsratsmitgliedern erörtert wird, was praktisch kaum ausgeschlossen werden kann.
Was aber, wenn der Hinweisgeber oder eine andere in eine Untersuchung eingebundene Person verlangt, dass zu einer Befragung ein Betriebsratsmitglied hinzugezogen wird? Hier greifen dann die Überlegungen zum Persönlichkeitsschutz nicht. Auch so liegt es nahe, eine Teilnahme zu ermöglichen, um die Befragung leichter durchführen zu können.
Im Ausnahmefall wird man der internen Meldestelle die Möglichkeit der Hinzuziehung von Betriebsratsmitgliedern zugestehen können. Eine solche Entscheidung über die Hinzuziehung eines Betriebsratsmitglieds muss aber im konkreten Einzelfall von den Mitgliedern der internen Meldestellen frei getroffen werden können. Zudem darf eine Hinzuziehung von Betriebsratsmitgliedern nur dann ermöglicht werden, wenn zugleich die Vertraulichkeitsvorgaben nach §§ 8, 9 HinSchG eingehalten werden und Identitäten geschützt bleiben.
Zusammenfassung:
- Ein generelles Recht auf Einbindung von Mitgliedern des Betriebsrats bei der Aufarbeitung von Hinweisen besteht nicht und darf rechtlich auch nicht zugestanden werden. Dies gilt insbesondere für Informationen über den gemeldeten Sachverhalt, wenn dabei Personenidentitäten direkt oder indirekt preisgegeben werden, und für die Beteiligung bei Befragungen.
- In Ausnahmekonstellationen kann die interne Meldestelle im eigenen Ermessen – ohne dass dies zuvor abstrakt festgelegt werden könnte – entscheiden, dass sie ein Betriebsratsmitglied einbezieht. Das kann etwa der Fall sein, wenn ein Hinweisgeber ausdrücklich um Beteiligung eines Betriebsratsmitglieds in einem mit ihm geführten Aufklärungsgespräch bittet. In diesen Konstellationen muss aber sichergestellt sein, dass die Persönlichkeitsrechte der beteiligten (anderen) Personen bestmöglich gewahrt bleiben.
- Rechtlich zulässig ist die Zurverfügungstellung von Informationen über abstrakte Sachverhalte an den Betriebsrat, wenn keine Personenidentitäten direkt oder indirekt preisgegeben werden. Dies betrifft etwa Information darüber, welcher Kategorie Vorwürfe in Meldungen zuzuordnen sind, welche generellen Aufklärungsmaßnahmen ergriffen werden oder wie lange die Bearbeitungsdauer bei der Aufklärung von Meldungen ist.