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Insolvenzfestigkeit der Direktversicherung – Wie sicher ist meine Altersvorsorge wirklich?

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Die Direktversicherung zählt zu den beliebtesten Durchführungswegen der betrieblichen Altersvorsorge (bAV). Sie bietet Arbeitnehmern und Organmitgliedern eine attraktive Möglichkeit, steuerbegünstigt für das Alter vorzusorgen. Doch wie sicher sind die angesparten Versorgungsansprüche im Falle einer Insolvenz des Arbeitgebers?

In diesem Beitrag beleuchten wir die rechtlichen Grundlagen der Insolvenzfestigkeit der Direktversicherung und erklären die Unterschiede zwischen widerruflichem und unwiderruflichem Bezugsrecht. Darüber hinaus geben wir praxisnahe Empfehlungen für Arbeitnehmer, Organmitglieder und Arbeitgeber, um Risiken zu minimieren.

Die Direktversicherung als Form der betrieblichen Altersvorsorge

Die Direktversicherung ist eine von fünf möglichen Durchführungswegen der bAV und gehört zu den am häufigsten genutzten Varianten. Sie ist dadurch gekennzeichnet, dass der Arbeitgeber eine Lebens- oder Rentenversicherung für den Arbeitnehmer abschließt. Die Beiträge werden entweder vollständig vom Arbeitgeber, vom Arbeitnehmer (in Form der Entgeltumwandlung), oder von beiden gemeinsam (sog. Mischfinanzierung) getragen.

Die Direktversicherung bietet steuerliche Vorteile, da die Beiträge bis zu bestimmten Höchstgrenzen steuer- und sozialabgabenfrei eingezahlt werden können. Zudem ist sie relativ einfach zu administrieren, da der Versicherungsvertrag direkt zwischen dem Versicherungsunternehmen und dem Arbeitgeber besteht, wobei der Arbeitnehmer als Bezugsberechtigter eingetragen wird.

Bei der Direktversicherung handelt es sich um einen Vertrag zugunsten Dritter. Das Versicherungsverhältnis zwischen dem Arbeitgeber als Versicherungsnehmer und dem Versicherer ist streng von dem Versorgungsverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu trennen. Der Arbeitnehmer ist zwar Begünstigter der Versicherung, nicht aber Vertragspartner des Versicherers.

Insolvenzfestigkeit der Direktversicherung

Ein zentrales Thema der Direktversicherung ist die Frage der Insolvenzfestigkeit.

Betriebsrentner brauchen sich hinsichtlich der Insolvenz ihres ehemaligen Arbeitgebers keine Sorgen zu machen, da sie mit Eintritt des Versicherungsfalls einen unmittelbaren Anspruch gegen den Versicherer erwerben, der sich dem Zugriff des (insolventen) Arbeitgebers entzieht.

Das gilt jedoch nicht für Betriebsrentenanwärter, die sich frühzeitig mit dem Thema der Insolvenzfestigkeit befassen sollten. Schließlich soll sichergestellt werden, dass die vor Eintritt des Versicherungsfalls angesparten Versorgungsansprüche im Falle einer Insolvenz des Arbeitgebers nicht verloren gehen. Regelmäßig wird der Insolvenzverwalter versuchen, die zugunsten der Bezugsberechtigten abgeschlossenen Direktversicherungsverträge zu kündigen und den Rückkaufswert in die Masse zu ziehen.

Allein die versicherungsrechtliche Lage ist entscheidend dafür, ob die Rechte an der Versicherung im Falle der Insolvenz des Arbeitgebers der Masse zustehen oder der Bezugsberechtigte die Aussonderung verlangen kann. Ist letzteres der Fall, kann der Bezugsberechtigte unabhängig von der Insolvenz des Arbeitgebers mit seiner Zustimmung in den Versicherungsvertrag eintreten oder aber die Auszahlung an sich verlangen.

Ausschlaggebend ist dabei die konkrete vertragliche Ausgestaltung des Bezugsrechts. Hierbei sind drei Varianten zu unterscheiden: Das unwiderrufliche, das eingeschränkt widerrufliche und das widerrufliche Bezugsrecht.

Unwiderrufliches Bezugsrecht

Sofern dem Arbeitnehmer ein unwiderrufliches Bezugsrecht eingeräumt wurde, sind die Leistungen aus der Direktversicherung im Falle der Insolvenz des Arbeitgebers geschützt. Der Arbeitnehmer erhält unmittelbar aus dem Versicherungsvertrag ein eigenständiges Recht auf die Versicherungsleistung. Die Ansprüche auf die Versicherungssumme zum vertraglich vorgesehenen Fälligkeitstermin oder auf den Rückkaufswert im Falle der Kündigung gehören nicht zur Insolvenzmasse und können ausgesondert werden.

Wird die Direktversicherung in Form der Entgeltumwandlung aus der dem Arbeitnehmer zustehenden Vergütung gespeist, ergibt sich bereits aus dem Gesetz, dass dem Arbeitnehmer ein unwiderrufliches Bezugsrecht eingeräumt werden muss, § 1b Abs. 5 S. 2 BetrVG. Aber auch hierbei handelt es sich lediglich um eine Pflicht des Arbeitgebers, die ihn nicht daran hindert, das Bezugsrecht dennoch widerruflich auszugestalten.

Eingeschränkt widerrufliches Bezugsrecht

Daneben kann das Bezugsrecht auch eingeschränkt widerruflich ausgestaltet sein. Das heißt, grundsätzlich wird dem Arbeitnehmer ein unwiderrufliches Bezugsrecht eingeräumt, das jedoch unter bestimmten, konkret im Versicherungsvertrag vereinbarten Voraussetzungen dennoch widerrufen werden kann. Regelmäßig wird das Widerrufsrecht etwa für den Fall vorbehalten, dass das Arbeitsverhältnis vor dem Versicherungsfall endet und bestimmte Alters- und Laufzeitgrenzen nicht überschritten sind.

Das eingeschränkt widerrufliche Bezugsrecht steht einem uneingeschränkt widerruflichen Bezugsrecht in wirtschaftlicher und rechtlicher Hinsicht gleich, solange die tatbestandlichen Voraussetzungen des vereinbarten Vorbehalts nicht erfüllt sind. Im Falle der Insolvenz des Arbeitgebers gilt demnach Folgendes: Liegen die Voraussetzungen des Widerrufsvorbehalts vor, kann das Bezugsrecht durch den Insolvenzverwalter widerrufen werden. Sind die Voraussetzungen des Vorbehalts demgegenüber nicht gegeben, steht dem Bezugsberechtigten wiederum ein eigenständiges Recht auf die Versicherungsleistungen und damit ein Aussonderungsrecht zu.

Widerrufliches Bezugsrecht

Ist das Bezugsrecht jedoch widerruflich ausgestaltet, ist die Direktversicherung insolvenzbefangen. Der begünstigte Arbeitnehmer erwirbt das Recht auf die Versicherungsleistung erst mit Eintritt des Versicherungsfalls. Dem Arbeitgeber als Versicherungsnehmer bleibt es bis dahin unbenommen, über den Versicherungsvertrag zu disponieren und dem Arbeitnehmer das Bezugsrecht wieder zu entziehen.

Der Arbeitgeber verhält sich im Falle des Widerrufs möglicherweise vertragswidrig. Dies jedoch nur mit Blick auf das Arbeitsverhältnis und gegenüber seinem Arbeitnehmer. Damit sind keinerlei Auswirkungen auf das hiervon unabhängige Versicherungsverhältnis verbunden.

Im Falle der Insolvenz des Arbeitgebers fallen die Ansprüche aus der Direktversicherung in die Insolvenzmasse. Der Insolvenzverwalter kann das Bezugsrecht widerrufen, den Versicherungsvertrag kündigen und somit den Rückkaufswert der Insolvenzmasse zuführen.

Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung erlangt der Arbeitnehmer im Falle des widerruflich ausgestalteten Bezugsrechts lediglich die Hoffnung auf eine zukünftig fällig werdende Versicherungssumme. Eine gesicherte Rechtsposition entsteht indes nicht. Der Arbeitnehmer muss stets damit rechnen, seinen Anspruch im Falle der Insolvenz des Arbeitgebers zu verlieren.

Das gilt selbst dann, wenn der Arbeitnehmer bereits unverfallbare Anwartschaften erlangt hat. Denn das Gesetz sieht in § 1b Abs. 2 S. 1 BetrAVG lediglich vor, dass der Arbeitgeber verpflichtet ist, das Bezugsrecht nicht mehr zu widerrufen. Er ist jedoch rechtlich nicht gehindert, das Bezugsrecht dennoch unter Verletzung dieser Pflicht zu widerrufen. Dasselbe gilt für den Insolvenzverwalter, der in die Rechtsposition des Arbeitgebers tritt. Die Möglichkeit des Widerrufs muss er regelmäßig nutzen, um nicht selbst seine Pflichten als Insolvenzverwalter zu verletzen. Bei dem daraus resultierenden Schadensersatzanspruch handelt es sich um eine Insolvenzforderung, die lediglich zur Insolvenztabelle angemeldet werden kann. Selbiges gilt für den Verschaffungsanspruch aus § 1 Abs. 1 S. 3 BetrVG.

Gesetzliche Insolvenzsicherung

Aber auch bei (eingeschränkt) widerruflich ausgestaltetem Bezugsrecht müssen Arbeitnehmer nicht gänzlich leer ausgehen.

Widerruft der Arbeitgeber das Bezugsrecht, kann der Arbeitnehmer auf die gesetzliche Insolvenzsicherung des § 7 BetrAVG zurückgreifen, sofern er bereits unwiderrufliche Anwartschaften erlangt hat. Das ist der Fall, wenn die Versorgungszusage zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits mindestens drei Jahre bestanden und der Arbeitnehmer das 21. Lebensjahr vollendet hat. Dann tritt der Pensionssicherungsverein (PSV) für ausbleibende Versicherungsleistungen ein. Dies jedoch nur in beschränktem Umfang:

Die Insolvenzsicherung über den PSV ist auf den gesetzlichen Mindestschutz unverfallbarer Versorgungsanwartschaften beschränkt. Der Arbeitnehmer erhält die auf den Insolvenzstichtag zurückgerechnete Versicherungssumme. Rentenanpassungen finden indes nicht statt (sog. Veränderungssperre).

Besonderheiten für Organmitglieder

Organmitglieder trifft das Risiko einer (eingeschränkt) widerruflich ausgestalteten Direktversicherung gleichermaßen. Im Falle der Insolvenz können Geschäftsführer oder Vorstandsvorsitzende ebenso auf der Strecke bleiben wie Arbeitnehmer.

Grundsätzlich unterfallen Organmitglieder ebenfalls dem Anwendungsbereich des BetrAVG – allerdings nur, sofern sie keine Mehrheitsbeteiligung an der Gesellschaft halten. Ist ein Organmitglied mehrheitlich beteiligt, entfallen die Schutzmechanismen des BetrAVG, was das Risiko im Insolvenzfall erheblich erhöht. Dies gilt insbesondere hinsichtlich der gesetzlichen Insolvenzsicherung. Mehrheitsbeteiligte Organmitglieder können nicht auf den PSV zurückgreifen und sollten daher besonders darauf Acht geben, dass das Bezugsrecht der Direktversicherung unwiderruflich ausgestaltet ist.

Organmitglieder ohne Mehrheitsbeteiligung sollten ferner berücksichtigten, dass die Sicherung durch den PSV auf das Dreifache der im Zeitpunkt der ersten Fälligkeit geltenden Beitragsbemessungsgrenze der gesetzlichen Sozialversicherung begrenzt ist. Auch hier kann es je nach Höhe der Versicherungsleistung zu Ausfällen kommen.

Fazit

Die Insolvenzfestigkeit der Direktversicherung hängt maßgeblich von der konkreten vertraglichen Ausgestaltung des Bezugsrechts ab. Während ein widerrufliches Bezugsrecht den Arbeitnehmer im Falle einer Insolvenz des Arbeitgebers schutzlos stellt, bietet ein unwiderrufliches Bezugsrecht eine deutlich höhere Sicherheit. Besonders bei einer Direktversicherung, die durch Entgeltumwandlung finanziert wurde, sollte auf eine rechtlich einwandfreie Umsetzung geachtet werden, da hier ein unwiderrufliches Bezugsrecht gesetzlich vorgeschrieben ist.

Arbeitnehmer und Organmitglieder sollten stets darauf achten, dass das Bezugsrecht unwiderruflich ausgestaltet ist. Arbeitgeber sind gut beraten, klare und insolvenzsichere Regelungen zu treffen, um spätere Streitigkeiten zu vermeiden.

Letztlich zeigt sich: Die Direktversicherung ist eine solide Vorsorgeoption, wenn sie rechtssicher ausgestaltet ist. Eine frühzeitige Auseinandersetzung mit der Thematik kann helfen, finanzielle Verluste im Ernstfall zu vermeiden.

Fabio Aru

Rechtsanwalt

Associate
Fabio Aru berät und vertritt nationale und internationale Unternehmen in sämtlichen Bereichen des individuellen und kollektiven Arbeitsrechts. Neben der Führung von Kündigungsrechtsstreitigkeiten berät er seine Mandanten im Bereich des Betriebsverfassungsrechts sowie in der Vertragsgestaltung.
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