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Kündigung in eigener Sache: Wenn der Betriebsratsvorsitzende zum Tagesordnungspunkt wird

Die außerordentliche Kündigung eines Betriebsratsmitglieds ist stets ein brisantes Thema und aus Arbeitgebersicht kein „Selbstläufer“. Handelt es sich bei dem Betroffenen sogar um den Betriebsratsvorsitzenden, können sich für Unternehmen auf dem Weg zur beabsichtigten Kündigung noch zusätzliche formale Stolpersteine ergeben. Worauf müssen Arbeitgeber also achten?

Trennung mit Hindernissen

Gemäß § 103 Abs. 1 BetrVG bedarf die außerordentliche Kündigung eines Betriebsratsmitglieds der Zustimmung des Betriebsrats. Verweigert das Gremium seine Zustimmung, muss der Arbeitgeber ein Zustimmungsersetzungsverfahren vor dem Arbeitsgericht einleiten, wenn er seine Kündigungsabsicht weiterverfolgen möchte. Gleiches gilt, wenn sich der Betriebsrat nicht innerhalb von drei Tagen nach Zugang des Zustimmungsantrags äußert. In diesem Fall gilt die Zustimmung als verweigert. Erst wenn die Zustimmung durch einen rechtskräftigen gerichtlichen Beschluss ersetzt wurde, darf der Arbeitgeber die Kündigung aussprechen.

In zeitlicher Hinsicht muss der Arbeitgeber bei der Einleitung des Zustimmungsersetzungsverfahrens  zwei Aspekte beachten: Der Antrag auf Zustimmungsersetzung

  • darf erst nach der Zustimmungsverweigerung des Betriebsrats bzw. dem fruchtlosen Ablauf der dreitägigen Stellungnahmefrist gestellt werden und
  • muss in jedem Fall noch innerhalb der zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB beim Arbeitsgericht eingehen.
Ordnungsgemäße Einleitung des Beteiligungsverfahrens

In der Praxis kommt es eher selten vor, dass der Betriebsrat der Kündigung seines „Chefs“ zustimmt. Unternehmen sollten daher bei ihrer Zeitplanung miteinkalkulieren, dass das Gremium die Stellungnahmefrist verstreichen lässt und den Zustimmungsantrag entsprechend frühzeitig beim Betriebsrat einreichen.

Bereits bei der Einleitung des Beteiligungsverfahrens stellt sich allerdings die Frage, wem der Zustimmungsantrag auszuhändigen ist. Was auf den ersten Blick trivial klingt, kann am Ende gravierende Auswirkungen auf das Zustimmungsersetzungsverfahren haben. Denn die dreitägige Stellungnahmefrist beginnt erst mit Zugang des Zustimmungsantrags beim Betriebsrat. Geht der Arbeitgeber irrtümlich von einem falschen Fristbeginn aus und stellt daraufhin noch vor dem eigentlichen Ablauf der Frist den Zustimmungsersetzungsantrag beim Gericht, riskiert er dessen Unzulässigkeit.

Selbstbetroffenheit als Verhinderungsgrund

Grundsätzlich ist der Vorsitzende Empfangsvertreter des Betriebsrats für sämtliche Anträge und Erklärungen des Arbeitgebers. Etwaige Stellungnahmefristen beginnen daher in der Regel mit Übergabe der entsprechenden Anträge an den Betriebsratsvorsitzenden zu laufen. Nur für den Fall, dass der Betriebsratsvorsitzende verhindert ist, übernimmt gemäß §§ 26 Abs. 2, 25 Abs. 1 BetrVG der stellvertretende Vorsitzende dessen Aufgaben, Befugnisse und Zuständigkeiten. Eine solche Verhinderung kann sich dabei sowohl aus tatsächlichen als auch aus rechtlichen Gründen ergeben. Ein Fall der rechtlichen Verhinderung, der den Vorsitzenden von seiner Amtstätigkeit ausschließt, liegt bei Angelegenheiten vor, die ihn persönlich betreffen. Daher ist der Vorsitzende nach einhelliger Auffassung jedenfalls von der Beratung und Beschlussfassung über den ihn betreffenden Zustimmungsantrag nach § 103 BetrVG ausgeschlossen. Er soll nicht „Richter in eigener Sache“ sein und – geleitet von offenkundigen Eigeninteressen – den Entscheidungsprozess beeinflussen.

Um eine solche Einflussnahme zu verhindern, muss der Vorsitzende jedoch konsequenterweise nicht nur von der Beratung und Beschlussfassung an sich, sondern von sämtlichen Amtshandlungen ausgeschlossen sein, die den Antrag des Arbeitgebers nach § 103 BetrVG betreffen. Der Betriebsratsvorsitzende ist daher nach der hier vertretenen Auffassung sowohl von der Entgegennahme des Antrags als auch hinsichtlich der weiteren Verfahrensschritte, wie etwa der Einberufung der Sitzung zur Beratung des Antrags ausgeschlossen (zur Zuständigkeit des Stellvertreters für die Einberufung der Sitzung zur Beratung über den Zustimmungsantrag vgl. auch Hessisches LAG v. 8. April 2024 – 16 TaBVGa 42/24, n.v.). Der Antrag auf Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung des Betriebsratsvorsitzenden ist daher richtigerweise seinem Stellvertreter auszuhändigen.

Zustimmung des Betriebsrats – zu früh gefreut?

In den seltenen Fällen, in denen das Betriebsratsgremium seine Zustimmung zur beabsichtigten Kündigung des Vorsitzenden erteilt, kann sich das Unternehmen den kosten- und zeitintensiven Umweg über das gerichtliche Zustimmungsersetzungsverfahren ersparen. Doch auch in dieser Konstellation können dem Arbeitgeber die formalen Besonderheiten, die sich aufgrund der Selbstbetroffenheit des Betriebsratsvorsitzenden ergeben, möglicherweise zum Verhängnis werden.

Denn die Kündigung setzt eine wirksame Zustimmung und somit insbesondere einen wirksamen Beschluss des Betriebsratsgremiums voraus. Etwaige Verfahrensfehler (bspw. die von einem unerfahrenen Vertreter nicht ordnungsgemäß erfolgte Einladung zur Sitzung, die unterbliebene Ladung eines Ersatzmitglieds für den rechtlich verhinderten Vorsitzenden) gehen dabei grundsätzlich zu Lasten des Arbeitgebers. Die von der Rechtsprechung im Zusammenhang mit dem Anhörungsverfahren nach § 102 BetrVG entwickelte Sphärentheorie, wonach Verfahrensfehler des Betriebsrats nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung führen, findet nach wohl herrschender Meinung bei der Zustimmung nach § 103 Abs. 1 BetrVG keine Anwendung. Dies ist für den Arbeitgeber besonders misslich, da er in der Regel keine Einblicke in die Arbeit des Betriebsrats hat und daher nicht beurteilen kann, ob die ihm erteilte Zustimmung auf einem ordnungsgemäßen Betriebsratsbeschluss beruht. Hat er Zweifel an der Wirksamkeit des Beschlusses und damit der wirksamen Zustimmung, kann er zwar ein Zustimmungsersetzungsverfahren einleiten. Gelangt das Arbeitsgericht jedoch zu dem Ergebnis, dass die Zustimmung wirksam war, verliert der Arbeitgeber das Verfahren. Da von vornherein eine wirksame Zustimmung vorlag, hemmt das (überflüssige) Zustimmungsersetzungsverfahren auch nicht die Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB. Die Folge: Die außerordentliche Kündigung ist endgültig vom Tisch.

Dieses Dilemma des Arbeitgebers hat die Rechtsprechung jedoch erkannt und billigt ihm einen gewissen Vertrauensschutz zu: Sofern der Arbeitgeber die Tatsachen, aus denen sich der Mangel des Betriebsratsbeschlusses ergibt, nicht kannte und diese auch nicht aufgrund einer etwaigen Offensichtlichkeit kennen musste, ist zu seinen Gunsten von einer wirksamen Zustimmung auszugehen.

Fazit

Der Weg zur außerordentlichen Kündigung eines Betriebsratsvorsitzenden ist kein einfacher. Mit einer guten rechtlichen Vorbereitung und einer vorausschauenden Zeitplanung lassen sich jedoch bereits einige Stolpersteine aus dem Weg räumen.

 

Christina Hartmann

Rechts­an­wäl­tin
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Counsel
Christina Hartmann berät Unternehmen in sämtlichen Bereichen des individuellen und kollektiven Arbeitsrechts. Neben der laufenden arbeitsrechtlichen Dauerberatung und der Vertretung in Kündigungsschutzstreitigkeiten unterstützt sie Unternehmen insbesondere bei Fragen im Bereich der betrieblichen Altersversorgung. Sie ist Mitglied der Fokusgruppe "Betriebliche Altersversorgung".
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