Ein Arbeitsentgelt, das nicht aufs klassische Bankkonto, sondern direkt ins digitale Wallet fließt? Das kann unter bestimmten Voraussetzungen möglich sein – so das BAG in seinem aktuellen Urteil vom 16. April 2025 (Az. 10 AZR 80/24). Demnach können Arbeitgeber Teile des Gehalts in Kryptowährungen wie Ether (ETH) zahlen – sofern dies im objektiven Interesse des Arbeitnehmers liegt und die gesetzlichen Grenzen, wie z.B. der Pfändungsschutz eingehalten werden. Ein weiterer Schritt in Richtung Arbeitswelt 4.0.
Der Fall: Provision in Ether statt Euro?
Die Klägerin war seit dem 1. Juni 2019 bei der Beklagten beschäftigt, einem Unternehmen, das unter anderem im Bereich Kryptowährungen tätig ist. Im Arbeitsvertrag wurde ein Provisionsanspruch auf Basis der monatlichen Geschäftsabschlüsse festgelegt. Die Provision sollte zunächst in Euro berechnet und zum Zeitpunkt der Fälligkeit – dem jeweiligen Letzten des Folgemonats – zum „aktuellen Wechselkurs“ in Ether (ETH) umgerechnet und ausgezahlt werden. Trotz mehrfacher Aufforderung und Bereitstellung eines digitalen Wallets erfolgte jedoch keine Übertragung von ETH. Stattdessen zahlte die Beklagte schließlich einen Teil der Provision in Euro aus. Die Klägerin klagte auf zusätzliche Auszahlung in ETH (konkret 19,194 ETH für Februar und März 2020) – und berief sich auf die vertragliche Vereinbarung. Die Beklagte argumentierte u.a. dagegen, dass nach § 107 Abs. 1 GewO das Arbeitsentgelt in Euro zu leisten sei.
107 GewO und Kryptowährungen: Wann Sachbezüge zulässig sind
Das BAG stellte nun klar: Eine Auszahlung in Kryptowährung kann – unter bestimmten Bedingungen – eine rechtswirksame Erfüllung des Entgeltanspruchs darstellen.
Nach § 107 Abs. 1 GewO ist das Arbeitsentgelt grundsätzlich in Geld zu zahlen, wobei unter „Geld“ die gesetzliche Währung – der Euro – zu verstehen ist. Gemäß § 107 Abs. 2 S. 1 GewO kann jedoch durch Arbeitsvertrag, Betriebsvereinbarung oder Tarifvertrag vereinbart werden, dass Sachbezüge anstelle oder zusätzlich zu Geldleistungen gewährt werden. Voraussetzung ist, dass der Wert des Sachbezugs in einem angemessenen Verhältnis zur Arbeitsleistung steht und die gewählte Vergütungsform im Interesse des Arbeitnehmers liegt.
Das BAG entschied nun, dass die Übertragung von Ether zur Erfüllung von variablen Vergütungsansprüchen (Provisionszahlungen) im konkreten Fall als zulässiger Sachbezug zu qualifizieren sei, sofern diese Form der Vergütung im objektiven Interesse des Arbeitnehmers liegt. Dies gelte insbesondere dann, wenn der Arbeitnehmer ausdrücklich den Wunsch äußert, Kryptowährung als Vergütungsbestandteil zu erhalten, und daraus wirtschaftliche Vorteile – etwa durch Kursgewinne oder eine höhere Flexibilität im Einsatz des Vermögenswerts – ziehen kann.
Wichtige Einschränkung: Das BAG stellt zugleich klar, dass der unpfändbare Teil des Arbeitsentgelts (§ 850c ZPO) stets in gesetzlicher Währung zu leisten ist. Dies dient dem Schutz des Existenzminimums des Arbeitnehmers. Nur der übersteigende Betrag kann – auf der Grundlage einer vertraglichen Vereinbarung – in Kryptowährung gewährt werden.
Bedeutung für die Praxis
Das Urteil eröffnet insbesondere technologieaffinen Unternehmen neue Möglichkeiten, innovative und individualisierte Vergütungsmodelle anzubieten. Die Einbindung von Kryptowährungen in arbeitsvertragliche Entgeltvereinbarungen ist damit arbeitsrechtlich grundsätzlich zulässig, sollte jedoch folgende Rahmenbedingungen berücksichtigen:
- Ausdrückliche arbeitsvertragliche Vereinbarung (alternativ Betriebsvereinbarung oder Tarifvertrag)
- Mechanismen zur Minimierung des Risikos von Kursschwankungen vereinbaren
- Transparente Bewertung und Dokumentation des Sachbezugs (möglichst konkrete Regelung der Auszahlungsmodalitäten und des Fälligkeitszeitpunktes)
- Zumutbarkeit und objektive Vorteilhaftigkeit für den Arbeitnehmer (objektivierte Interessenabwägung)
- Ausschluss des unpfändbaren Entgeltanteils von der Krypto-Vergütung (§ 850c ZPO)
- Sicherstellung der Einhaltung des Mindestlohngesetzes (Keine Unterschreitung des gesetzlichen Mindestlohns durch Vergütung in Kryptowährung)
Steuer- und sozialversicherungsrechtliche Aspekte:
Auch wenn das BAG-Urteil die arbeitsrechtliche Zulässigkeit der Vergütung in Kryptowährung bestätigt, bleibt deren lohnsteuerliche und sozialversicherungsrechtliche Behandlung anspruchsvoll. Vergütungen in Kryptowährungen sind grundsätzlich steuer- und beitragspflichtig. Die teils erheblichen Kursschwankungen von Kryptowährungen erschweren eine verlässliche Bewertung zum Abrechnungszeitpunkt und stellen die Lohnabrechnung vor besondere Herausforderungen.
Eine enge Abstimmung mit Steuerberatern und gegebenenfalls der zuständigen Finanzverwaltung ist daher essenziell, um Risiken bei Besteuerung und Beitragsberechnung zu vermeiden.
Fazit
Das Urteil des BAG vom 16. April 2025 (Az. 10 AZR 80/24) schafft eine neue Möglichkeit, moderne Vergütungsmodelle im Arbeitsrecht zu etablieren.
Die Einbindung von Kryptowährungen in arbeitsvertragliche Vergütungsvereinbarungen kann ein Wettbewerbsvorteil im Recruiting von tech-affinen Talenten darstellen. Gleichzeitig ist sie jedoch nicht ohne Risiken: Aufgrund der teils erheblichen Wertschwankungen kann ein Kursanstieg für den Arbeitgeber teuer werden. Zudem sind stets die steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Rahmenbedingungen sowie die Einhaltung des Pfändungsschutzes und des gesetzlichen Mindestlohns sorgfältig zu beachten.