Am 11. Juli 2025 hat der Bundesrat auf Initiative mehrerer Bundesländer einen Entschließungsbeschluss zur Modernisierung der betrieblichen Mitbestimmung gefasst (BR-Drucksache 239/25(B)). Darin macht er der Bundesregierung mehrere Vorschläge zur Anpassung des Betriebsverfassungsgesetzes. Wir zeigen Ihnen, um was es dabei genau geht, und ordnen die Vorschläge bewertend ein.
Die Bundesregierung hat sich in ihrem Koalitionsvertrag für die 21. Legislaturperiode des Deutschen Bundestages vorgenommen, die „richtigen Rahmenbedingungen“ für die Digitalisierung der Arbeitswelt und der Künstlichen Intelligenz schaffen (s. dazu auch unseren Blogbeitrag vom 10. April 2025). Daran knüpft der Bundesrat nun an.
Die Reformvorschläge im Überblick
Ein Großteil der Vorschläge des Bundesrats zielt im Kern nicht auf eine Modernisierung der Mitbestimmung, sondern schlicht auf deren Ausweitung ab. So fordert der Bundesrat
- die Erweiterung des Anwendungsbereichs des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) durch Ausweitung des Arbeitnehmerbegriffs auf „alle Personen […], die für einen Betrieb tätig sind“, insbesondere auf arbeitnehmerähnliche Personen;
- Bewertung: Diese Forderung geht klar zu weit. Es würden dadurch etwa auch Selbständige und Arbeitnehmer Dritter, die im Rahmen von Dienst- oder Werkverträgen im Betrieb – oft auch nur kurzzeitig – eingesetzt werden, den Regelungen des BetrVG unterfallen.
- die Schaffung der Möglichkeit zur Gründung von Betriebsräten in der Plattformökonomie;
- Bewertung: Diese Forderung ist nicht zielführend. Es ist nicht erkennbar, inwiefern sich ein Betriebsrat an einem Ort für Arbeitnehmer einsetzen können soll, wenn dort arbeitgeberseitig mangels Leitung vor Ort keinerlei Entscheidungen getroffen, sondern lediglich umgesetzt werden; ein Einfluss auf Entscheidungen des Arbeitgebers und damit eine effiziente Mitbestimmung ist so schon nicht möglich (s. dazu auch unseren Blogbeitrag vom 3. Juli 2024).
- die Schaffung neuer Mitbestimmungsrechte betreffend den Umgang mit Beschäftigtendaten, insbesondere in Bezug auf den Einsatz Künstlicher Intelligenz, softwarebasierter Systeme sowie die Einführung und Gestaltung der Rahmenbedingungen zeit- und ortsungebundener Arbeit;
- Bewertung: Der Schutz von Beschäftigtendaten ist selbstredend wichtig. Für diesen bedarf es aber keiner Ausweitung betrieblicher Mitbestimmungsrechte. Die damit einhergehenden, mutmaßlich noch langwierigeren Verhandlungen zur Einführung und Nutzung von IT-Systemen stünden der Gewährleistung von optimaler IT-Sicherheit zudem eher im Wege.
- die Ausweitung von Beteiligungsrechten des Betriebsrats nach § 111 BetrVG, insbesondere durch Einräumung eines Beratungsrechts im Falle eines Betriebsübergangs (§ 613a BGB);
- Bewertung: § 111 BetrVG reicht schon heute weit und vermag wesentliche Veränderungen im Zusammenhang mit digitalen Prozessen abzubilden. Angesichts dessen besteht kein Bedarf für eine Ausweitung. Dies gilt gerade mit Blick auf Betriebsübergänge: Sobald sie den Betrieb als solchen berühren, kann der Betriebsrat schon heute regelmäßig Mitwirkungsrechte nach § 111 BetrVG aufgrund einer Betriebsspaltung geltend machen. Weshalb dem Betriebsrat darüber hinaus Mitwirkungsrechte eingeräumt werden sollen, erschließt sich nicht.
- die Stärkung der Rechte des Betriebsrats in Bezug auf die Personalplanung und -bemessung sowie hinsichtlich Qualifizierungs- und Weiterbildungsanforderungen;
- Bewertung: Auch diese Forderung geht klar zu weit. Personalplanung und -einsatz sind originäre Aufgaben des Arbeitgebers und Kernbestandteil seiner unternehmerischen Freiheit. Die bisher im BetrVG vorgesehenen Teilhaberechte des Betriebsrats sind mit Rücksicht hierauf bereits mehr als ausreichend.
Weiter fordert der Bundesrat,
- die Regelung eines digitalen Zugangsrechts für Gewerkschaften in die Betriebe,
- Bewertung: Diese Forderung ist – je nach Ausgestaltung – mit Rücksicht auf Datenschutz und IT-Sicherheit äußerst bedenklich, s. hierzu bereits unseren Blogbeitrag vom 25. Februar 2025.
- den Schutz vor sog. Union Busting (d.h. der Behinderung oder Beeinträchtigung der Betriebsratstätigkeit) zu verbessern,
- Bewertung: Bereits heute sieht das BetrVG zahlreiche Bestimmungen zur Sicherung ungestörter Betriebsratstätigkeit vor. Eine zusätzliche Verschärfung bedürfte einer sorgfältigen Abwägung. § 119 BetrVG, der die Betriebsratsbehinderung und -benachteiligung bereits heute als Straftat qualifiziert, von einem Antrags- zu einem Offizial- und damit einem von Amts wegen zu verfolgenden Delikt zu machen, dürfte mit Blick auf die andauernden Belastungen der Ermittlungsbehörden im Ergebnis wohl eher keinen Mehrwert bieten.
- die Erleichterung der Nutzung digitaler Formate für die Wahl und die Arbeit des Betriebsrats;
- Bewertung: Diese Forderung kann im Grundsatz uneingeschränkte Zustimmung finden.
- Einräumung eines Nutzungsrechts des Betriebsrats für betriebliche Kommunikationsmittel und die technische Ausstattung des Arbeitgebers, um diese bei der Umsetzung hybrider Sitzungsformate und Wahlfahren sowie zur Information der Belegschaft einzusetzen:
- Bewertung: Die Nutzung hat sich auf bereits vorhandene bzw. erforderliche Ausstattungen zu beschränken. Ein Mehrwert ggü. der aktuellen Rechtslage (vgl. § 40 Abs. 2 BetrVG) ist unklar.
Fazit und Ausblick
Die betriebliche Mitbestimmung zu modernisieren, ist ohne jeden Zweifel sinnvoll. Die Vorschläge des Bundesrats hierzu weisen allerdings fast gänzlich in eine völlig falsche Richtung. Statt Unternehmen die zum Zwecke des Erhalts (oder auch erst Herstellung) ihrer Wettbewerbsfähigkeit dringend notwendigen Freiräume gerade in den Bereichen Digitalisierung und Transformation zu gewähren, würden die Vorschläge im Falle ihrer Umsetzung in erster Linie Folgendes bedeuten: Mehr unternehmensinterne Bürokratie, langwierigere Prozesse, höhere Kosten, weniger Flexibilität – kurz das Gegenteil einer Stärkung des Wirtschaftsstandortes Deutschland. Einzig positiv zu werten ist der Vorstoß, die Digitalisierung der Betriebsratsarbeit voranzutreiben.
Es ist offen, ob und ggf. wann die Bundesregierung die- rechtlich unverbindlichen – Vorschläge des Bundesrates aufgreifen wird. Richtigerweise sollte sie den weiteren Einschnitten in die verfassungsrechtlich geschützte Unternehmerfreiheit eine Absage erteilen und sich stattdessen für eine ausbalancierte, innovationsförderliche Mitbestimmungspraxis einsetzen. Dazu zählte insbesondere das Mitbestimmungsrecht bei technischen Einrichtungen nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG auf den Kern der Regelung einer tatsächlichen und nicht nur möglichen Leistungs- und Verhaltenskontrolle verfassungskonform zu beschränken.
Wir halten Sie jedenfalls auf dem Laufenden!










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