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Rückzahlungs- und Erstattungsklauseln für Fortbildungs- und Personalvermittlungs­kosten

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Kann ein Arbeitgeber, der seinen Mitarbeitern freiwillige Zuwendungen gewährt oder Investitionen in die Anstellung eines Mitarbeiters aufnimmt, die Kosten erstattet verlangen, wenn ein Mitarbeiter kurz darauf das Unternehmen verlässt? Rückforderungs- und Erstattungsklauseln in Arbeitsverträgen können jedenfalls nicht jeden Fall wirksam erfassen, wie das Urteil des BAG vom 20. Juni 2023 – 1 AZR 265/22 zeigt.

Mit Rückzahlungs- oder Erstattungsklauseln kann geregelt werden, dass ein Arbeitnehmer eine Zuwendung oder eine sonstige Investition in seine Anstellung ganz oder teilweise (zurück)zahlen muss, wenn er das Unternehmen verlässt. Dies kann im Arbeitsvertrag, im Tarifvertrag oder in Betriebsvereinbarungen geregelt werden.

Bei Rückforderungs- und Erstattungsklauseln in Arbeitsverträgen gilt es einiges zu beachten. Denn es handelt sich hierbei regelmäßig um Allgemeine Geschäftsbedingungen, die einer strengen Wirksamkeitskontrolle unterliegen. Im Arbeitsrecht gilt – wie auch bei anderen Verträgen zwischen Unternehmen und Verbrauchern – die Besonderheit, dass selbst eine einmalige Verwendung vorformulierter Klauseln ausreicht, um den Anwendungsbereich der §§ 305 ff. BGB zu eröffnen. Stellt sich eine Klausel als intransparent heraus oder benachteiligt sie den Arbeitnehmer unangemessen, ist sie unwirksam. Eine geltungserhaltende Reduktion scheidet aus.

Keine nachträgliche Umverteilung der Kosten für Personalvermittler

In Zeiten eines steigenden Bedarfs an Fachkräften werden immer mehr Arbeitnehmer über Personalvermittler, sogenannte „Headhunter“, an Unternehmen vermittelt. Der Vermittler erhält eine erfolgsabhängige Vergütung, die einige Monatsgehälter des Vermittelten betragen kann. Diese Kosten trägt regelmäßig der Arbeitgeber. Kündigt aber der gerade vermittelte Arbeitnehmer nach nur kurzer Zeit, stellt sich für den Arbeitgeber die Frage, ob er die vergeblich aufgewendeten Kosten vom Arbeitnehmer zurückfordern kann. Eine solchen Fall hat das BAG nun kürzlich entschieden: Die Kosten für den Headhunter sind nicht von dem kündigenden Arbeitnehmer zu tragen; eine Rückforderung scheidet aus.

Der streitgegenständliche Arbeitsvertrag regelte, dass der Arbeitnehmer im Fall seines Ausscheidens aus dem Arbeitsverhältnis vor Erreichen einer mindestens 14-monatigen Betriebszugehörigkeit die Kosten für den Headhunter zu tragen habe. Der Arbeitnehmer trat im Mai 2021 das Arbeitsverhältnis an und kündigte es zum Juni 2021. Der Arbeitgeber behielt einen Teil der noch ausstehenden Vergütung ein unter Verweis auf die Erstattungsklausel im Arbeitsvertrag. Der Arbeitnehmer klagte erfolgreich auf Zahlung der noch ausstehenden Vergütung. Sowohl die Berufung als auch die Revision des Arbeitgebers waren ohne Erfolg.

Das BAG bestätigte, dass die Erstattungsklausel den Arbeitnehmer entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteilige. Es handele sich um eine kontrollfähige Einmalbedingung gem. § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB, die nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam sei. Das garantierte Recht auf freie Wahl des Arbeitsplatzes nach Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG werde beeinträchtigt. Eine Rechtfertigung durch begründete Interessen des Arbeitgebers bestehe nicht. Dieser trage das unternehmerische Risiko, dass sich die Investitionen in die Personalbeschaffung nicht auszahlen, wenn der Arbeitnehmer von seinem Kündigungsrecht Gebrauch mache. Dem Arbeitnehmer komme durch den Einsatz des Personalvermittlers auch kein bleibender Vorteil zugute, welcher eine Rückzahlung rechtfertigen würde.

Welche Zuwendungen mit Rückforderungsklauseln erfasst werden können

Für einige Zuwendungen können Rückforderungsklauseln jedoch wirksam vereinbart werden, z. B. für Fort- und Weiterbildungskosten, eine bezahlte Freistellung während der Lehrgangsdauer und Umzugskosten. Derartige Rückforderungsabsprachen müssen zwar nicht schriftlich festgehalten werden, um wirksam zu sein – aus Nachweisgründen ist dies aber dringend zu empfehlen.

Rückforderungsklauseln sind im Rahmen der Vertragsfreiheit der Parteien möglich, sofern kein gesetzlicher Anspruch auf die Zuwendung besteht, es sich also um rein freiwillige Arbeitgeberleistungen handelt. Die Zahlung darf nicht an bereits erbrachte Leistungen des Arbeitnehmers geknüpft werden. Erforderlich ist auch, dass der Arbeitnehmer durch die Zuwendung einen langfristigen Vorteil erhalten hat (z. B. einen geldwerten Vorteil oder einen gesteigerten Wert auf dem Arbeitsmarkt). Ausgeschlossen ist eine Rückforderung, wenn ausschließlich der bisherige Arbeitgeber von der Zuwendung profitiert oder wenn es sich bei Fortbildungen lediglich um eine Auffrischung oder Anpassung bereits vorhandener Kenntnisse handelt.

Damit die Regelung transparent ist, muss die Bindungsdauer vorab festgelegt sein. Zudem ist bei einer hohen Zuwendung eine anteilige Reduktion der Rückzahlung bei einem späteren Ausscheiden festzulegen. Der Arbeitnehmer muss bei Abschluss des Vertrages bzw. vor Erhalt der Zuwendung frei entscheiden können, ob er sich so lange an den Arbeitgeber binden oder eine Rückzahlung in Kauf nehmen möchte. Die Kosten sind dem Grunde und der Höhe nach im Rahmen des Möglichen zu benennen (vgl. BAG, Urteil vom 21. August 2012 – 3 AZR 698/10).

Die Rückzahlungspflicht darf nur durch ein Ereignis ausgelöst werden, auf das der Arbeitnehmer Einfluss hat und das nicht in die Risikosphäre des Arbeitgebers fällt. Bei einer betriebsbedingten Kündigung des Arbeitgebers scheidet eine Rückforderung somit aus. Auch eine Rückzahlungspflicht bei einer krankheitsbedingten Eigenkündigung hält das BAG für unangemessen benachteiligend, wenn der Arbeitnehmer sein Arbeitsverhältnis unverschuldet nicht weiterführen kann (BAG, Urteil vom 1. März 2022 – 9 AZR 260/21 – vergleiche hierzu unseren KLIEMT-Blogbeitrag). Bei vertragswidrigem Verhalten des Arbeitgebers kommt eine Rückzahlung gleichermaßen nicht in Betracht. Damit eine Rückzahlungsklausel wirksam ist, muss somit sorgfältig nach dem Grund des vorzeitigen Ausscheidens differenziert werden.

Auch eine zu lange Bindung des Arbeitnehmer an den Arbeitgeber oder eine zu hoch angesetzte Rückzahlung haben die Unwirksamkeit einer Klausel zur Folge. Hinsichtlich der Dauer gelten folgende Orientierungswerte, wobei die Höhe der Ausbildungskosten, der Freistellungsumfang und die beruflichen Vorteile des Arbeitnehmers im Einzelfall eine kürzere oder längere Bindung rechtfertigen können:

Eine Bindung von bis zu fünf Jahren kommt in Ausnahmefällen bei einer Förderungsdauer von mehr als zwei Jahren in Betracht. Eine Bindung aufgrund einer Berufsausbildung ist hingegen nicht zulässig, § 12 Abs. 1 Satz1 BBiG.

Für finanzielle Zuwendungen gilt, dass für einen Betrag bis 100 € keine Betriebstreue erwartbar ist. Übernimmt ein Arbeitgeber besonders hohen Kosten, z. B. Studiengebühren oder die Kosten einer Meisterfortbildung, ist eine Klausel angemessen, wenn sie eine ratierliche Rückzahlung je nach Ausstiegsdatum vorsieht.

Fazit

Arbeitgeber können nicht jede Aufwendung, die im Zusammenhang mit der Anstellung oder Tätigkeit eines Mitarbeiters entstanden ist, bei einer vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses zurückfordern. Wichtig für eine wirksame Vereinbarung einer Rückzahlung oder Kostenerstattung ist, dass nach den Gründen des Ausscheidens differenziert wird, die aufgrund der Rückzahlung oder Erstattung bewirkte Bindung des Arbeitnehmers nicht unangemessen lang ist und dass sich die Höhe des Rückzahlungs- oder Erstattungsbetrags zeitanteilig verringert.

Katharina Keuken

Rechtsanwältin

Associate
Katharina Keuken berät und vertritt nationale und internationale Unternehmen in sämtlichen Bereichen des individuellen und kollektiven Arbeitsrechts. Neben Restrukturierungsprojekten berät sie ihre Mandanten zudem in Kündigungsrechtsstreitigkeiten, im Bereich des Betriebsverfassungsrechts sowie in der Vertragsgestaltung.
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