Der „Dienst nach Vorschrift“ ist ein geflügeltes Wort und kommt im Arbeitsverhältnis nicht selten vor. Oftmals gehen Arbeitgeber davon aus, dass es sich dabei um einen zulässigen Rückzugsposten des Mitarbeiters handelt, dem man nicht wirksam begegnen kann. Dies ist indes – jedenfalls in dieser Allgemeinheit – ein Irrglaube. So hat es der Arbeitgeber grundsätzlich in der Hand, die „Vorschriften“, nach denen der „Dienst“ zu verrichten ist, über sein Direktionsrecht selbst zu bestimmen. Insofern hat das Direktionsrecht zentrale Bedeutung für die rechtliche Beurteilung solcher Sachverhalte bis hin zu einer etwaigen Kündigung.
Bewusste Verringerung der Arbeitsleistung
Das Verhaltensmuster „Dienst nach Vorschrift“ kann sehr unterschiedliche Hintergründe haben. In den seltensten Fällen jedoch handelt es sich um ein Arbeitsverhalten, das bereits seit Beginn des Arbeitsverhältnisses an den Tag gelegt wurde. Der „Dienst nach Vorschrift“ beginnt vielmehr regelmäßig erst im Verlaufe eines Arbeitsverhältnisses, z.B. nach einer persönlichen Enttäuschung oder als Rebellion gegen einen unliebsamen Vorgesetzten. In diesen Fällen reduziert der Mitarbeiter bewusst seine Arbeitsleistung, um seiner Enttäuschung oder Rebellion Ausdruck zu verleihen. Er beruft sich dabei auf fehlende Vorschriften zu den Arbeitsaufgaben und Arbeitsabläufen oder auf eine vermeintliche ausreichende Durchschnittsleistung. Maßstäbe fehlen in der Praxis tatsächlich nicht selten, da die Aufgabenerledigung und die Arbeitsabläufe häufig in einem unbelasteten Arbeitsverhältnis von selbst funktionieren. Der Arbeitgeber hat es jedoch in der Hand, entsprechende Vorschriften auch nachträglich zu erlassen und damit die geschuldete Arbeitsleistung des Mitarbeiters maßgeblich zu beeinflussen. Gleichzeitig legt der Arbeitgeber mit dem Erlass konkreter Vorschriften den Grundstein für arbeitsrechtliche Maßnahmen wegen einer Schlechtleistung des Mitarbeiters im Arbeitsverhältnis. So setzt insbesondere eine verhaltensbedingte Kündigung wegen pflichtwidriger Schlechtleistung zwingend voraus, dass der Mitarbeiter nicht „tut, was er soll“, also von den Vorschriften des Arbeitgebers abweicht. Das arbeitgeberseitige Direktionsrecht hat damit im Falle des „Dienstes nach Vorschrift“ gleich mehrfache Bedeutung.
Ausübung des Direktionsrechts zur Konkretisierung der geschuldeten Arbeitsleistung
Bei „Dienst nach Vorschrift“ kann die geschuldete Arbeitsleistung durch die Nutzung des arbeitgeberseitigen Direktionsrechts konkretisiert und die Anforderungen können angehoben werden. Dabei bezieht sich das Weisungsrecht inhaltlich auf die Einbringung der Arbeitsleistung im Ganzen sowie die Umstände der Leistungserbringung durch den Mitarbeiter (vgl. § 106 GewO). Die vom Arbeitgeber erteilten Weisungen sollten sich beim „Dienst nach Vorschrift“ dabei vornehmlich auf folgende Punkte beziehen:
- Gestaltung der Arbeitsabläufe
- Priorisierung von Aufgaben
- Zeitliche Vorgaben für die Ausübung bestimmter Aufgaben
- Regelmäßige Berichtspflichten über die Ausführung der Aufgaben.
Bei der Ausgestaltung der Arbeitsanweisungen ist darauf zu achten, möglichst genaue inhaltliche, zeitliche und quantitative Vorgaben zu machen und diese (ggf. schriftlich) zu dokumentieren, um eine objektive Messbarkeit der Arbeitsleistung zu erreichen.
Das Direktionsrecht sollte umso intensiver genutzt werden, je weiter sich der Mitarbeiter auf fehlende Vorschriften zurückzieht. Das Ziel ist ein immer enger werdendes Netz an Vorgaben und Berichtspflichten, um die Anforderungen für den betreffenden Mitarbeiter zu erhöhen. Bestenfalls kehrt er zur Vermeidung weiterer Vorgaben von selbst zu seiner alten Arbeitsleistung zurück. Zugleich wird das Risiko für den Mitarbeiter erhöht, gegen konkrete Arbeitsanweisungen zu verstoßen.
Allerdings ist darauf zu achten, dass die Grenzen des Direktionsrechts nicht überschritten werden. Insbesondere dürfen keine Aufgaben zugewiesen werden, die dem vertraglichen Tätigkeitsbild des Mitarbeiters widersprechen (vgl. § 106 GewO). Zudem müssen die Weisungen billigem Ermessen entsprechen. Dies setzt voraus, dass die wesentlichen Umstände des Falles abgewogen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt werden. Weisungen hinsichtlich der Arbeitsabläufe und Arbeitsinhalte werden sich im Regelfall im Rahmen der zulässigen Grenzen bewegen. Die Grenzen sind allerdings dann schnell überschritten, wenn bestehende Arbeitsabläufe und Arbeitsinhalte nicht nur konkretisiert, sondern verändert werden. Dies gilt insbesondere bei der Zuweisung oder dem Entzug von Aufgaben. Hier können zudem im Einzelfall Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats betroffen sein. So stellt der Austausch (Entzug oder Zuweisung) wesentlicher Teilbereiche einer Tätigkeit eine mitbestimmungspflichtige Versetzung nach § 99 BetrVG dar. Die Grenze der Wesentlichkeit wird dabei bei einer Veränderung des aktuellen Aufgabengebietes um etwa 25 % erreicht sein.
Ausübung des Direktionsrechts und Vorbereitung einer Kündigung
Die konsequente Ausübung des Direktionsrechts kann gleichzeitig der Vorbereitung einer verhaltensbedingten Kündigung wegen einer pflichtwidrigen Schlechtleistung im Arbeitsverhältnis dienen. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung gilt der folgende Grundsatz: Der Mitarbeiter muss tun, was er soll, und zwar so gut, wie er kann. Folgt er den Weisungen nicht, liegt eine Schlechtleistung und damit eine arbeitsvertragliche Pflichtverletzung vor. Dies hat der Arbeitgeber in einem etwaigen Rechtsstreit darzulegen und zu beweisen. Die Festschreibung von Arbeitsaufgaben und Arbeitsabläufen im Rahmen des arbeitgeberseitigen Direktionsrechts ermöglicht dabei auf der ersten Ebene die Darlegung der konkreten vertraglichen Pflichten und aufgrund dessen, was der Mitarbeiter „tun soll“.
Die Darlegung des zweiten Teils der obigen Definition („…, und zwar so gut, wie er kann“) ist die schwierigere Aufgabe und eröffnet Wertungsmöglichkeiten. Die Rechtsprechung erkennt keine objektive Leistungspflicht im Arbeitsverhältnis an, sondern hat vielmehr einen subjektiven Leistungsbegriff entwickelt. Danach orientiert sich die Leistungspflicht an der Leistungsfähigkeit des individuellen Mitarbeiters. Dies bedeutet jedoch nicht, dass der Mitarbeiter seine Arbeitspflicht selbst willkürlich bestimmen darf. Er muss vielmehr unter angemessener Ausschöpfung seiner persönlichen Leistungsfähigkeit arbeiten. Ob er dies tut, ist für den Arbeitgeber nicht immer anhand objektivierbarer Kriterien erkennbar. Oft ist das deutliche und längerfristige Unterschreiten des von vergleichbaren Mitarbeitern erreichbaren Mittelwerts der einzige Hinweis für den Arbeitgeber, dass der Mitarbeiter seine Reserven nicht in vollem Umfang nutzt. Bei quantitativer Minderleistung lässt es die Rechtsprechung daher zunächst genügen, dass der Arbeitgeber ein Unterschreiten der Durchschnittsleistung um mehr als ein Drittel darlegt. Bei qualitativen Minderleistungen gibt es eine solche Grenze jedoch nicht. Hier ist vielmehr eine einzelfallbezogene Betrachtungsweise erforderlich, die auch die konkreten Arbeitsanforderungen und die konkreten Gegebenheiten des Arbeitsplatzes berücksichtigt.
Bei einem Rückzug des Mitarbeiters auf einen „Dienst nach Vorschrift“ hat es der Arbeitgeber insofern leichter, da ein Vergleich mit den früheren Leistungen des Mitarbeiters möglich ist. Der entsprechende Mitarbeiter kann an seinen eigenen Leistungen der Vergangenheit gemessen und damit häufig belegt werden, dass er seine persönliche Leistungsfähigkeit nun nicht mehr angemessen ausschöpft. Um sich diese Vergleichsmöglichkeit zu bewahren, ist Arbeitgebern allerdings zu einem zügigen Vorgehen zu raten, wenn sie bei einem Mitarbeiter eine Umstellung auf einen „Dienst nach Vorschrift“ feststellen.
Mehr zum Thema finden Sie bei Faerber/Turck/Vollstädt/Wiederhake, Umgang mit schwierigen Mitarbeitern – Herausfordernde Mitarbeiter wirksam führen, Konflikte lösen, rechtliche Fehler vermeiden, 3. Aufl. 2016, erhältlich bei www.haufe.de.