Die Betriebsratsarbeit nicht freigestellter Betriebsratsmitglieder wirft in der Praxis vielfach Fragen hinsichtlich der Abmeldepflichten der Betriebsratsmitglieder auf. Ebenso ist der zulässige zeitliche Umfang der Betriebsratsarbeit nicht freigestellter Betriebsratsmitglieder für den Arbeitgeber häufig unklar. Dieser Beitrag soll auch anhand aktueller Rechtsprechung einen Überblick zur Arbeitszeitkontrolle und über die dabei bestehenden wechselseitigen Rechte und Pflichten des Arbeitgebers und der nicht freigestellten Betriebsratsmitglieder geben.
Wie weit darf der Arbeitgeber kontrollieren?
Das Betriebsverfassungsgesetz sieht keinen Informationsanspruch des Arbeitgebers über Abwesenheiten wegen Betriebsratsarbeit vor. Entsprechende Informationspflichten ergeben sich vielmehr individualrechtlich als arbeitsvertragliche Nebenpflichten zur Rücksichtnahme auf die Interessen des Arbeitgebers. Danach muss sich ein nicht freigestelltes Betriebsratsmitglied regelmäßig bei seinem Arbeitgeber abmelden, bevor es Betriebsratsarbeit nachgeht, und im Anschluss daran wieder zurückmelden. Eine nachträgliche Mitteilung über die Gesamtdauer der in einem bestimmten Zeitraum geleisteten Betriebsratstätigkeit ist hingegen nur ausnahmsweise ausreichend. Da der Arbeitgeber keine Befugnis hat, Betriebsratsarbeit inhaltlich zu überprüfen, kann er generell auch keine Angaben über die Art der Betriebsratsarbeit verlangen. Und obwohl der Arbeitgeber zur Kontrolle der Einhaltung des Arbeitszeitgesetzes (ArbZG) durch die Arbeitnehmer verpflichtet ist, gilt dies gemäß zwei landesarbeitsgerichtlichen Entscheidungen aus dem Jahr 2015 nicht für den zeitlichen Umfang der Betriebsratsarbeit. Wenn aber Betriebsratsarbeit keine Arbeitszeit im Sinne des ArbZG ist, müssen die Betriebsratsmitglieder dann nacharbeiten? Nur dann, so die Landesarbeitsgerichte, wenn es den Betriebsratsmitgliedern zumutbar ist. Das wiederum soll regelmäßig nur insoweit der Fall sein, als die Grenzen des ArbZG eingehalten werden. Man fragt sich verwundert: Was denn nun: Beachtung des ArbZG ja oder nein? Eine Beantwortung dieser Frage durch das Bundesarbeitsgericht (BAG) steht bevor.
Keine unmittelbare Anwendbarkeit des ArbZG
Nach den Entscheidungen der Landesarbeitsgerichte (LAG) Hamm (Urt. v. 20.02.2015 – 13 Sa 1386/14) und Niedersachsen (Urt. v. 20.04.2015 – 12 TaBV 76/14) stellt Betriebsratsarbeit keine Arbeitszeit i. S. d. ArbZG dar. Damit finde auch das ArbZG zumindest nicht unmittelbar auf Betriebsratsarbeit Anwendung, der Arbeitgeber sei damit auch nicht befugt, einzelne Betriebsratsmitglieder „quasi ins Bett zu schicken“. Vielmehr obliege es dem Betriebsrat, selbst zu entscheiden, in welchem zeitlichen Umfang er Betriebsratsaufgaben, die ein Ehrenamt darstellen, bewältigt.
Beachtung des ArbZG durch die Hintertür?
Allerdings zogen das LAG Hamm und das LAG Niedersachsen die Wertungen des ArbZG hinsichtlich der täglichen Höchstarbeitszeit (§ 3 ArbZG) und der Länge der Ruhepausen (§ 5 ArbZG) letztlich mittelbar doch wieder heran: Im Regelfall dürfe die Summe aus der vertraglichen Arbeitszeit und Betriebsratsarbeit die Grenzen des ArbZG nicht überschreiten; es sei denn, die Betriebsratsarbeit war z.B. wegen längerer Sitzungspausen nicht besonders intensiv oder in anderen Einzelfällen. Vom BAG wurde die Frage der Anwendbarkeit oder mittelbaren Heranziehung des ArbZG auf Betriebsratsarbeit bisher noch nicht entschieden, weshalb hierzu nun Revisions- bzw. Rechtsbeschwerdeverfahren beim BAG anhängig sind (7 AZR 224/15; 7 ABR 17/15).
Individualrechtliche Mitteilungspflichten
Gleichwohl sind nicht freigestellte Betriebsratsmitglieder arbeitsvertraglich verpflichtet, sich beim Arbeitgeber vor der Ausübung von Betriebsratsarbeit abzumelden und im Anschluss wieder zurückzumelden, damit es dem Arbeitgeber möglich ist, die Arbeitseinteilung vorübergehend umzuorganisieren (BAG, Urt. v. 29.06.2011 – 7 ABR 135/09). Die Verletzung dieser Pflicht kann daher Gegenstand einer Abmahnung sein; ein stumpfes Schwert, denn weitere Maßnahmen kommen wegen des besonderen Kündigungsschutzes (§ 15 Abs. 1 KSchG, § 103 Abs. 1 BetrVG) kaum in Betracht. Eine Abmeldepflicht besteht somit nur in den Fällen nicht, in denen eine vorübergehende Umorganisation der Arbeitseinteilung nicht in Betracht kommt, z. B. bei Betreuung eines langfristigen Projekts. Die Mitteilungspflicht soll keine inhaltliche Kontrolle durch den Arbeitgeber ermöglichen. Daher hat ein Betriebsratsmitglied bei der Abmeldung lediglich den Ort und die voraussichtliche Dauer der Betriebsratsarbeit mitzuteilen. Eine formlose Mitteilung, per E-Mail oder telefonisch, ist ausreichend. Eine Weisung des Arbeitgebers über die Ausgestaltung des Abmeldeverfahrens, z.B. Nutzung eines Zeiterfassungssystems, ist unzulässig (LAG Hamm, Urt. v. 26.11.2013 – 7 TaBV 74/13) und stellt eine Behinderung der Betriebsratsarbeit dar (§ 78 S. 1 BetrVG), gegen die der Betriebsrat einen Unterlassungsanspruch geltend machen kann. In extremen Fällen kommen sogar Ordnungsgelder bis zu EUR 10.000 (§ 23 Abs. 3 BetrVG) oder die Verhängung einer Geld- oder Freiheitsstrafe (§ 119 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG) in Betracht. Umgekehrt kann der Arbeitgeber nur ausnahmsweise ein Betriebsratsmitglied auffordern, weitere Angaben zu machen, sofern am erforderlichen Umfang begründete Zweifel bestehen (BAG, Urt. v. 15.03.1995 – 7 AZR 643/94). Die Arbeitszeitkontrolle ist daher stark eingeschränkt.
Fazit und Praxisempfehlung
Um erforderliche Dispositionen aufgrund des Ausfalls nicht freigestellter Betriebsratsmitglieder planen zu können, sollten Arbeitgeber darauf achten, dass sich die Betriebsratsmitglieder so frühzeitig wie möglich vor Aufnahme der Betriebsratsarbeit beim Arbeitgeber abmelden und danach wieder zurückzumelden. Eine nur nachträgliche Mitteilung der Betriebsratsmitglieder muss hingegen grds. nicht akzeptiert werden. Bei Missachtung der Abmeldepflichten ist der Arbeitgeber im Regelfall auf die Sanktion der Abmahnung beschränkt. Hinsichtlich der von zwei LAGs vorgenommenen mittelbaren Anwendung des ArbZG auf Betriebsratsarbeit sind die anstehenden Entscheidungen des BAG auch dringend geboten, damit für Arbeitgeber Rechtssicherheit hinsichtlich der Arbeitspflicht trotz Betriebsratsarbeit gegeben ist und sie darüber hinaus nicht befürchten müssen, gegen ihre Pflicht zur Überwachung der Höchstarbeitszeit und der Ruhepausen des ArbZG zu verstoßen.