Nur wenige arbeitsrechtliche Themen wurden in den letzten Jahren – auch auf politischer Ebene – so intensiv diskutiert wie der Einsatz von Fremdpersonal auf Basis von Werkverträgen zur Durchführung betrieblicher Kernaufgaben. Grund dafür sind sicherlich auch diverse Presseberichte über Unternehmen, die versucht haben (sollen), durch sogenannte „Scheinwerkverträge“ die Vorschriften des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG) zu umgehen. Letztlich entscheidend dürfte aber vor allem die hohe Relevanz dieses Themas für die betriebliche Praxis vieler Unternehmen sein – wie zahlreiche gerichtliche Entscheidungen aus der jüngeren Vergangenheit verdeutlichen.
Durch diese Entwicklungen ist das Konzept des Fremdpersonaleinsatzes auf Basis von Werkverträgen in letzter Zeit grundsätzlich in Verruf geraten. Das jedoch zu Unrecht. Denn es gehört zum Kernbestand einer arbeitsteiligen Wirtschaft, bestimmte Tätigkeiten nicht mit eigenen Mitarbeitern, sondern über Werkverträge durch externe Dienstleister durchführen zu lassen. Und das Recht, zu entscheiden, ob und welche Aufgaben durch externe Dienstleister durchgeführt werden sollen, ist Teil der unternehmerischen Betätigungsfreiheit (die verfassungsrechtlich geschützt ist).
Möglichkeiten und Grenzen
Insbesondere vor diesem Hintergrund hat eine kürzlich ergangene Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Hamm (Beschluss vom 14. Oktober 2016 – 13 TaBVGa 8/16 (vgl. Pressemitteilung des Landesarbeitsgerichts Hamm) für einige mediale Aufmerksamkeit und Unruhe bei Arbeitnehmervertretern gesorgt. Denn sie verdeutlicht, dass der Werkvertrag auch heute noch eine zulässige und sinnvolle Grundlage sein kann, um Fremdpersonal im Betrieb einzusetzen – wenn man die im Rahmen eines Werkvertrages nach wie vor bestehenden Gestaltungsmöglichkeiten zu nutzen weiß. Zum anderen stellt sie unmissverständlich klar, dass durch Werkverträge nicht etwa Mitbestimmungsrechte umgangen werden, sondern keine Mitbestimmungsrechte bestehen.
Hintergrund der Entscheidung
Die der Entscheidung zu Grunde liegende Konstellation ist in Deutschland bislang wohl einmalig:
Die Arbeitgeberin ist ein Unternehmen der Automobilzulieferindustrie. In ihrem Betrieb in Plettenberg produziert sie regelmäßig unter der Woche mit ihrer Stammbelegschaft Teile für Automobilhersteller. In den zurückliegenden Wochen wollte die Arbeitgeberin auch am Wochenende mit ihrer Stammbelegschaft produzieren, um aufgelaufene Produktionsrückstände wettzumachen. Die Produktion am Wochenende mit der Stammbelegschaft gilt jedoch als Mehrarbeit und bedarf der Zustimmung des Betriebsrats. Und der Betriebsrat hatte die erforderliche Zustimmung in den letzten Wochen zuletzt konsequent verweigert.
Die Arbeitgeberin schloss daraufhin mit einer Konzerngesellschaft aus Portugal einen Werkvertrag ab, wonach die portugiesische Konzerngesellschaft am Wochenende im Betrieb der Arbeitgeberin (außerhalb des Regelbetriebs) bestimmte Teile in bestimmter Menge produzieren soll. Die portugiesische Schwestergesellschaft flog daraufhin ca. 300 Mitarbeiter nach Deutschland ein, um zunächst am 8. und 10. Oktober 2016 im Betrieb der Arbeitgeberin die gemäß Werkvertrag geschuldeten Teile zu produzieren.
Auch damit war der Betriebsrat nicht einverstanden. Er reichte beim Arbeitsgericht Iserlohn einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ein, um eine Produktionstätigkeit der portugiesischen Konzerngesellschaft im Betrieb der Arbeitgeberin zu verhindern. Die 2. Kammer des Arbeitsgerichts Iserlohn wies die Anträge des Betriebsrats durch Beschluss am 7. Oktober 2016 allerdings zurück, da sie keinen Verfügungsgrund erkennen konnte (Az. 2 BVGa 21/16). Die daraufhin eingelegte Beschwerde des Betriebsrats wurde noch am selben Tag vor der 7. Kammer des Landesarbeitsgerichts Hamm verhandelt (Az. 7 TaBVGa 7/16). Unmittelbar vor Abschluss der mündlichen Verhandlung nahm der Betriebsrat seine Beschwerde jedoch wegen formaler Mängel zurück, um eine Zurückweisung der Beschwerde zu vermeiden.
Die portugiesische Konzerngesellschaft war sodann plangemäß am 8. und 10. Oktober 2016 mit ihren Mitarbeitern im Betrieb der Arbeitgeberin tätig.
Am 11. Oktober 2016 legte der Betriebsrat erneut Beschwerde gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Iserlohn vom 7. Oktober 2016 ein. Die erneute Beschwerde wurde am 14. Oktober 2016 vor der 13. Kammer des Landesarbeitsgerichts Hamm verhandelt. Da diesmal keine formalen Mängel vorlagen, entschied das Landesarbeitsgericht Hamm in der Sache. Es stellte fest, dass dem Betriebsrat im Zusammenhang mit dem Einsatz der portugiesischen Konzerngesellschaft keine Beteiligungsrechte zustehen. Der Betriebsrat sei zwar zuständig für den Regelbetrieb, der den Einsatz der Arbeitnehmer in der Woche umfasst. Für die Mitarbeiter der portugiesischen Konzerngesellschaft sei der Betriebsrat jedoch nicht zuständig, auch wenn diese im Betrieb eingesetzt würden. Denn durch die unternehmerische Entscheidung der Arbeitgeberin, die Betriebsanlagen am Wochenende durch die portugiesische Konzerngesellschaft auf Werkvertragsbasis nutzen zu lassen, entstehe ein neuer Betrieb. Eine Betriebsänderung werde dadurch nicht ausgelöst. Auch eine Eingliederung der Mitarbeiter der portugiesischen Konzerngesellschaft in den Betrieb könne nicht angenommen werden (die Arbeitgeberin hatte vorsorglich aber dennoch das Unterrichtungsverfahren nach § 99 BetrVG eingeleitet). Es liege auch keine Umgehung rechtlicher Beteiligungstatbestände vor, da die Arbeitgeberin sich durch den Abschluss des Werkvertrages im Rahmen unternehmerischer Freiheit legal verhalten habe.
Werkvertrag statt Mitbestimmung
Auch wenn die tatsächliche Konstellation, die der Entscheidung zu Grunde liegt, sicherlich außergewöhnlich ist. In rechtlicher Hinsicht fügt sich die Entscheidung nahtlos in die höchstrichterliche Rechtsprechung und geltende Rechtslage ein. Denn der Fremdpersonaleinsatz im Betrieb auf Basis eines Werkvertrages unterliegt nicht der Mitbestimmung des Betriebsrats (z.B. Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten nach § 87 BetrVG). In Betracht kommen lediglich Unterrichtungs- und Beratungsrechte des Betriebsrats (z.B. §§ 80 Abs. 2 und 92 Abs. 1 BetrVG). Allenfalls im Fall einer Eingliederung des Fremdpersonals in den Betrieb soll auch bei Werkverträgen ein Mitbestimmungsrecht nach § 99 BetrVG zu beachten sein (vgl. dazu zuletzt BAG v. 13. Mai 2014 – 1 ABR 50/12).
Auch nachdem der Bundestag am 21. Oktober 2016 das sogenannte „Gesetz gegen Missbrauch von Leiharbeit und Werkverträgen“ verabschiedet hat, wird sich an dieser Rechtslage in absehbarer Zeit nichts ändern. Denn das Gesetz, welches am 1. April 2017 in Kraft treten soll, sieht keine Erstreckung von Mitbestimmungsrechten des Betriebsrats beim Einsatz von Fremdpersonal auf Basis eines Werkvertrages vor. Lediglich die – teilweise ohnehin schon bestehenden – Unterrichtungs- und Beratungsrechte des Betriebsrats (nach § 80 Abs. 2 und § 92 Abs. 1 BetrVG) sollen durch Ergänzungen im Gesetzestext klarstellend ausdrücklich festgeschrieben werden.
Wichtig: Sorgfalt bei der Gestaltung
Dennoch bleibt der Einsatz von Fremdpersonal auf Basis eines Werkvertrages für beauftragende Unternehmen auch in Zukunft ein riskantes Geschäft. Denn die Grenzen zur Arbeitnehmerüberlassung sind nicht immer klar zu ziehen und stets von einer Einzelfallbetrachtung abhängig. Für eine Abgrenzung zwischen Werkvertrag und Arbeitnehmerüberlassung wird es auch weiterhin maßgeblich auf die tatsächliche Organisation des Arbeitseinsatzes des im Betrieb eingesetzten Fremdpersonals ankommen. Damit von einem Werkvertrag ausgegangen werden kann, muss der Werkunternehmer den Arbeitseinsatz insbesondere eigenverantwortlich organisieren und die arbeitsrechtliche Weisungsbefugnis gegenüber seinen Mitarbeitern ausüben.
Wenn sich ein werkvertraglicher Fremdpersonaleinsatz in der tatsächlichen Handhabung als Arbeitnehmerüberlassung entpuppt, können beim beauftragenden Unternehmen ungewünschte Arbeitsverhältnisse mit dem im Betrieb eingesetzten Fremdpersonal entstehen. Noch kann dieses Risiko durch eine vorsorgliche Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis des Werkunternehmers ausgeschlossen werden. Ab dem 1. April 2017 wird dieses Mittel zur Risikominimierung jedoch nicht mehr zur Verfügung stehen. Daher wird es in Zukunft umso mehr auf eine professionelle arbeitsrechtliche Vorbereitung und organisatorische Begleitung von Fremdpersonaleinsätzen auf Basis von Werkverträgen ankommen.
Mehr zum neuen AÜG und Werkverträgen finden Sie auf unserem Blog in den Beiträgen von Thomas Gerdom und Philipp Wiesenecker.