Die Rechtsprechung lässt Arbeitnehmern recht viel Raum, was Meinungsäußerungen über den Arbeitgeber angeht. Was genau erlaubt ist, und worauf der Arbeitgeber mit Verboten oder auch Abmahnung und Kündigung reagieren kann, lohnt der näheren Betrachtung. Es hängt davon ab, was gesagt wird, und ob es sich um eine Tatsache oder um eine Meinung handelt.
Äußerungen über den Arbeitgeber
In der Gerichtspraxis trifft man meist auf Äußerungen und üble Nachrede über den Arbeitgeber – wovon dieser über Flugblätter, Mails oder soziale Medien Kenntnis erlangt.
Das Bundesarbeitsgericht bewertet Äußerungen über den Arbeitgeber stets nach demselben Maßstab: Der Arbeitnehmer kann sich im Arbeitsverhältnis auf die Meinungsfreiheit berufen, wenn seine Äußerung entweder nur ein Werturteil darstellt („mir gefällt die neue Inneneinrichtung überhaupt nicht“), oder wenn sich Tatsachen und Meinungen vermengen und die Äußerung durch Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder des Meinens geprägt sind („die Tische sind einfach viel zu klein, die Stühle zu wackelig und die Monitore flimmern“). Das gilt unabhängig vom verwendeten Medium und unabhängig davon, ob die Meinungsäußerung rational oder emotional, begründet oder unbegründet oder scharf und überzogen ist (BAG, Urt. v. 18.12.2014, 2 AZR 265/14).
Wichtig ist allerdings, an wen die Meinung adressiert wird: Unkritisch ist es, wenn die Meinung als Beschwerde an den Vorgesetzten gerichtet ist, kritisch wird es, wenn sie betriebsöffentlich oder gar ganz öffentlich gemacht wurde. Grenzfälle sind damit soziale Medien wie Facebook, Twitter oder kununu – hier kommt es auf die gesetzten Einstellungen hinsichtlich der Veröffentlichung an, und auf den Bezug zum Arbeitsverhältnis.
Keine Schmähkritik oder Vergleiche mit Diktaturen
Stets unzulässig – und damit kündigungsrelevant – sind bewusst falsche Tatsachenbehauptungen, Formalbeleidigungen oder Schmähkritik. Die Grenzen des Erlaubten werden regelmäßig dann überschritten, wenn der Arbeitnehmer sich dazu hinreißen lässt, die Verhältnisse im Betrieb mit denen in der DDR oder der Nationalsozialistischen Herrschaft zu vergleichen: Derlei Äußerungen stellen stets einen Vertragsverstoß dar (BAG, Urt. v. 24.11.2005, Az. 2 AZR 584/04).
Arbeitsrechtlich noch nicht entschieden ist übrigens die Frage, ob bewusst überzeichnete Kritik sich selbst entkräftet – wie dies strafrechtlich die Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft Mainz im Fall Jan Böhmermann angenommen hat: „Eine geradezu absurde Anhäufung vollkommen übertriebener, abwegig anmutender Zuschreibungen negativ bewerteter Eigenschaften und Verhaltensweisen, denen jeder Bezug zu tatsächlichen Gegebenheiten – offensichtlich beabsichtigt – fehlt“. Im Ergebnis dürfte die absurde Übertreibung nur beim Satiriker zulässig sein, im normalen Arbeitsverhältnis aber keinen Freifahrtschein für Beleidigungen darstellen.
Äußerungen gegenüber Dritten im Rahmen der Tätigkeit
In der betrieblichen Praxis kommt es häufig vor, dass Mitarbeiter im Rahmen ihrer eigentlichen Tätigkeit auf eine Art und Weise kommunizieren, die nicht vertragsgerecht ist. Das kommt gerade bei den „redenden Berufen“ häufig vor – ob Telefonist, Verkäufer oder Anwalt, wenn der Mitarbeiter sich zwar nicht abfällig über den Arbeitgeber, sondern bei Erfüllung seiner Arbeitsaufgabe in einer Art und Weise gegenüber dem Kunden äußert, die der Arbeitgeber nicht gutheißt.
Zu unterscheiden sind hier zwei Konstellationen: Verstößt der Mitarbeiter gegenüber dem Kunden grob gegen die Regeln des Anstands, kann das auch ohne vorherige Abmahnung zur fristlosen Kündigung reichen. Der Arbeitgeber muss nicht hinnehmen, dass seine Kunden grundlos beschimpft werden, eine Formulierung etwa war: „Nun werden Sie mal nicht so pissig“ (LAG Schleswig-Holstein, Urt. v. 5.10.1998, 5 Sa 309/98).
Schwieriger zu greifen sind Äußerungen, die nicht beleidigend, aber dennoch nicht regelkonform und nicht sachgerecht sind – etwa die unfreundliche Rezeptionistin im Hotel. Solche Fälle der Schlechtleistung sind nur schwer justiziabel, wenn sie nicht mit klaren Anweisungen und konsequenten Abmahnungen durchgesetzt werden – woran es in der Praxis meistens fehlt. Bei konsequenten Vorgaben und Abmahnungen aber kann ein Verstoß gegen angewiesene Regeln zur Kommunikation durchaus zur Kündigung reichen, wie ein Fall des LAG Hamm (Urt. v. 20.04.2011, 4 Sa 2230/10) zeigt: Dort hatte die religiös überzeugte Verkäuferin sich partout nicht an Vorgaben zum weltanschaulich neutralen Kundengespräch gehalten und zum Abschied regelwidrig gesagt: „Jesus hat Sie lieb, vielen Dank für Ihren Einkauf und einen schönen Tag“. Die schließlich ausgesprochene Kündigung war sozial gerechtfertigt.
Compliance-Verstöße kein eigener Maßstab
Bestimmten unerwünschten Äußerungen und Verhaltensweisen im Betrieb und gegenüber Kunden werden in der Praxis durch Compliance-Richtlinien zu unterbinden versucht. Insbesondere wenn eine Äußerung diskriminierenden oder anzüglichen Kontext hat, werden schnell Konsequenzen bis hin zur fristlosen Kündigung eingeleitet. Oft basiert dies auf unzureichender arbeitsrechtlicher Wertung des Einzelfalls, der keineswegs nur deshalb einen nicht hinnehmbaren Verstoß darstellt, weil er nicht „compliant“ ist, sondern für den gleichwohl das kündigungsrechtliche Prognoseprinzip gilt. So wird die einmalige unangemessene Äußerung mit anzüglichem Kontext regelmäßig noch nicht zur Kündigung genügen, insbesondere nicht ohne vorherige Abmahnung. Die externe Kommunikation ist ähnlich schwer zu regeln und wird nur bei klaren Beleidigungen zu Konsequenzen führen.
Klug sind daher vertragliche Konkretisierungen in den Fällen, in denen Kommunikation und Verhalten zum Kern der Tätigkeit gehören. Regeln zur Kommunikation müssen hierbei klar dokumentiert werden. Verstöße sind regemäßig abmahnfähig. Sofern der Betriebsfrieden in Mitleidenschaft gezogen wird, können sich Arbeitgeber zudem auf ihr Fragerecht und die korrespondierende Loyalitätspflicht gegenüber dem Arbeitnehmer und Kollegen berufen: Der Arbeitgeber kann sich über Inhalte von Gesprächen und Reaktionen des Kunden oder Mandanten berichten lassen und hat ein Recht auf wahrheitsgemäße Auskunft.
In der Praxis bewährt sich regelmäßig eine maßvolle und zielgerichtete Reaktion. Eine Erläuterung gegenüber dem Arbeitnehmer, wie und warum er anders kommunizieren sollte, bewirkt meist mehr, als mit Kanonen auf Spatzen zu schießen. Entsprechend geschulte Mitarbeiter sollten dann aber auch entsprechend kontrolliert und Verstöße sanktioniert werden. Das gebietet schon die Bedeutung der Kommunikation für Ruf und Wert des Unternehmens, gerade in Zeiten der sozialen Medien.
Abgewandelte und gekürzte Fassung; Beitrag zuerst veröffentlicht auf Legal Tribune Online im Oktober 2016.
Vertiefungshinweis: Mehr zum Grenzbereich der Meinungsäußerung bzw. Beleidigung speziell in sozialen Medien lesen Sie im Gastbeitrag unseres Autors Dr. Till Hoffmann-Remy auf karrierebibel.de: „Private Facebook-Posts: Riskiere ich meinen Job?“