Das deutsche Urlaubsrecht unterlag in den vergangenen Jahren durch spektakuläre Entscheidungen vom EuGH und BAG ständigen Veränderungen. Arbeitgebern ist dringend anzuraten, sich hier auf dem aktuellen Stand der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu halten. Doch Vorsicht: Bis eine Rechtsfrage höchstrichterlich geklärt ist, tragen oftmals kontroverse Entscheidungen der Instanzgerichte zur erheblichen Rechtsunsicherheit bei. Das LAG Baden-Württemberg hatte sich kürzlich mit der Frage zu beschäftigen, ob ein Arbeitnehmer gegen seinen Arbeitgeber einen Anspruch auf Urlaubsgewährung in Form von halben Urlaubstagen hat und vertrat im Ergebnis eine andere Rechtsansicht als das LAG Hamburg aus dem Jahr 2015.
Der Ausgangsfall
In dem Rechtsstreit hatte ein Arbeitnehmer gegen seinen Arbeitgeber auf Gewährung von halben Urlaubstagen geklagt. Der Kläger, dessen Familie ein Weingut betreibt, erhielt in früheren Jahren immer wieder halbe Urlaubstage genehmigt, um bei der Arbeit im Weinberg mithelfen zu können. Die Anzahl der gewährten halben Urlaubstage betrug durchschnittlich acht bzw. zehn Urlaubstage (16 bzw. 20 halbe Urlaubstage) pro Jahr. Im August 2017 informierte der Arbeitgeber den Arbeitnehmer überraschend, ihm künftig nicht mehr als sechs halbe Urlaubstage pro Jahr gewähren zu wollen. Mit seiner vor dem ArbG Heilbronn erhobenen Klage wollte der Arbeitnehmer erreichen, dass der Arbeitgeber ihm mit einer Ankündigungsfrist von jeweils einem Tag pro Jahr zehn bzw. mindestens acht halbe Urlaubstage gewähren muss. Hilfsweise berief er sich auf eine in der Vergangenheit etablierte betriebliche Übung hinsichtlich der Gewährung von halben Urlaubstagen im für ihn gewohnten Umfang.
LAG Baden-Württemberg: Kein Anspruch auf halbe Urlaubstage
Das LAG Baden-Württemberg bestätigte das erstinstanzliche klageabweisende Urteil des ArbG Heilbronn in seinem Urteil vom 6. März 2019 (Az. 4 Sa 73/18). Dabei stellte das Gericht klar, dass das Bundesurlaubsgesetz keinen Rechtsanspruch auf halbe Urlaubstage oder sonstige Bruchteile von Urlaubstagen kenne. Die Richter wiesen darauf hin, dass nach § 7 Abs. 2 Satz 1 BUrlG der Urlaub zusammenhängend zu gewähren ist. Eine Ausnahme hiervon greife nur, wenn dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe eine Teilung erforderlich machen. Ein solcher Ausnahmefall war für das LAG Baden-Württemberg hier nicht ersichtlich. Das Gericht bezog sich bei seiner Urteilsfindung auf eine alte Entscheidung des BAG aus dem Jahr 1965, wonach eine Urlaubsgewährung in Kleinstraten der gesetzgeberischen Grundwertung, dass der Urlaub Erholungszwecken diene, widerspreche. Eine „Zerstückelung und Atomisierung des Urlaubs in viele kleine Einheiten“ könne weder vom Arbeitnehmer durchgesetzt werden, noch habe eine solche Urlaubsgewährung Erfüllungswirkung des Urlaubsanspruchs zur Folge. Bei fehlender Erfüllungswirkung könnte der in halben Tagen gewährte Urlaub vom Arbeitnehmer noch einmal gefordert werden. Auch einen Anspruch aus betrieblicher Übung lehnte das LAG Baden-Württemberg ab, da es insbesondere an einem kollektiven Bezug der vom Arbeitnehmer behaupteten Praxis der Urlaubsgewährung fehle.
Das LAG Baden-Württemberg wies zwar darauf hin, dass Arbeitgeber mit ihren Mitarbeitern vertraglich durchaus halbe Urlaubstage vereinbaren können. Um dem Grundsatz der Unabdingbarkeit des Urlaubsanspruchs zu Ungunsten des Arbeitsnehmers gerecht zu werden, sei dies allerdings nur für die Urlaubstage denkbar, die den gesetzlichen Mindesturlaub übersteigen. Dieser vom Gericht ins Spiel gebrachte Rettungsanker half dem Arbeitnehmer jedoch nicht weiter: Eine solche Vereinbarung mit seinem Arbeitgeber konnte er nicht darlegen und nicht beweisen.
LAG Baden-Württemberg vs. LAG Hamburg
Mit seiner Kernaussage, ein Arbeitnehmer habe keinen Anspruch auf Gewährung von halben Urlaubstage setzt sich das LAG Baden-Württemberg in Widerspruch zur Rechtsauffassung des LAG Hamburg. Das LAG Hamburg hatte in seinem Urteil vom 21. September 2015 (Az. 8 Sa 46/14) einen solchen Anspruch des Arbeitnehmers und die Erfüllungswirkung grundsätzlich bejaht. Dies mit der Begründung, dass § 7 Abs. 1 BUrlG einen fehlenden Erholungszweck nicht als Ablehnungsgrund für den Urlaubswunsch vorsehe. Zudem sei die Frage, wann Erholung eintrete, eine rein subjektive Frage und einer rechtlichen Bewertung nur bedingt zugänglich.
Praxishinweis
Infolge divergierender Entscheidungen von verschiedenen Landesarbeitsgerichte ist für Arbeitgeber weiterhin unklar, ob sie den Wunsch eines Arbeitnehmers auf Gewährung von halben Urlaubstagen erfüllen müssen und ob bei tatsächlicher Gewährung Erfüllungswirkung eintreten kann. Eine Klärung dieser Rechtsfrage durch das BAG steht noch aus. Bis dahin könnte eine vertragliche Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer helfen, zumindest den übergesetzlichen Urlaub auch als halbe Urlaubstage zu gewähren.