Im vorerst letzten Teil unserer Serie zur Betriebsrentenanpassung befassen wir uns mit dem Unterschied zwischen nachholender und nachträglicher Anpassung. Die beiden Begriffe sind trotz ihrer phonetischen Ähnlichkeit streng auseinanderzuhalten, denn sie bezeichnen vollkommen unterschiedliche Problemstellungen. Dass sie in der Praxis gleichwohl häufig verwechselt werden, ist insbesondere deshalb misslich, weil die Geltendmachung einer nachträglichen Anpassung an gewisse Fristen geknüpft ist, deren Missachtung für den Versorgungsempfänger zu einem Verlust des Anspruchs führen kann.
Nachholende Anpassung
Bei der Ermittlung des Anpassungsbedarfs zum jeweils aktuellen Anpassungsstichtag ist nicht nur der Kaufkraftverlust der letzten drei Jahre, sondern stets der Kaufkraftverlust seit Rentenbeginn zu berücksichtigen (BAG v. 17.4.1996 – 3 AZR 56/95). Dementsprechend werden in der Vergangenheit unterbliebene oder zu gering ausgefallene Anpassungen am aktuellen Anpassungsstichtag grundsätzlich automatisch nachgeholt (daher nachholende Anpassung).
Dieser Grundsatz gilt jedoch nicht uneingeschränkt. Gemäß § 16 Abs. 4 BetrAVG muss der Arbeitgeber eine in der Vergangenheit (z.B. wegen schlechter wirtschaftlicher Lage) zu Recht unterbliebene Anpassung zu einem späteren Zeitpunkt nicht nachholen. Wie der Anpassungsbedarf in einem solchen Fall zu berechnen ist, wurde in Teil 2 unserer Serie erläutert. Zu bedenken ist jedoch, dass der Arbeitgeber in einem etwaigen Anpassungsrechtsstreit grundsätzlich die volle Darlegungs- und Beweislast dafür trägt, dass die Anpassung zu dem früheren Anpassungsstichtag unterbleiben durfte. Da dieser Nachweis häufig alleine schon aufgrund des Zeitablaufs mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden sein wird, kommt der Gesetzgeber dem Versorgungsschuldner mit der Vermutungsregel des § 16 Abs. 4 Satz 2 BetrAVG zu Hilfe. Hiernach wird unwiderlegbar vermutet, dass die Anpassung zu Recht unterblieben ist, wenn
- der Arbeitgeber dem Versorgungsempfänger die wirtschaftliche Lage des Unternehmens schriftlich dargelegt hat,
- der Versorgungsemfänger auf die Möglichkeit des Widerspruchs sowie auf die Rechtsfolgen der nicht fristgemäßen Ausübung hingewiesen wurde und
- der Versorgungsempfänger nicht innerhalb von drei Monaten nach Zugang der Mitteilung schriftlich widerspricht.
Bedauerlicherweise schweigt sich das Gesetz dazu aus, wie die Information über die wirtschaftliche Lage des Unternehmens ausgestaltet sein muss. Die Anzahl der zu dieser Frage ergangenen Urteile ist ebenfalls überschaubar. Zwar sind nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts an den Inhalt des Unterrichtungsschreibens keine zu hohen Anforderungen zu stellen. Da es für die Beurteilung der wirtschaftlichen Lage nach § 16 Abs. 1 BetrAVG jedoch entscheidend auf die voraussichtliche Entwicklung der Eigenkapitalverzinsung und Eigenkapitalausstattung des Unternehmens ankommt (siehe hierzu Teil 3 der Serie), wird zumindest zu diesen beiden Kennziffern konkret Stellung zu nehmen sein. Erforderlich dürfte daher jedenfalls die Angabe des durchschnittlichen Eigenkapitals und dessen Verzinsung in den letzten drei Jahren vor dem Anpassungsstichtag sein. Nicht geboten erscheint hingegen die Vorlage der Bilanzen insgesamt oder sogar darüber hinausgehender Erläuterungen derselben.
Nachträgliche Anpassung
Während es bei der nachholenden Anpassung darum geht, wie der Anpassungsbedarf zum aktuellen Anpassungsstichtag zu berechnen ist, betrifft die nachträgliche Anpassung die Frage der rückwirkenden Erhöhung der Betriebsrente zu einem früheren Anpassungsstichtag unter Berücksichtigung der damaligen wirtschaftlichen Lage des Arbeitgebers. Ist der Arbeitgeber zur rückwirkenden Erhöhung der Betriebsrente (d.h. zur nachträglichen Anpassung) verpflichtet, hat er die seit dem früheren Stichtag aufgelaufenen Erhöhungsbeträge nachzuzahlen. Ob der Arbeitgeber die Betriebsrente zu einem früheren Anpassungsstichtag anheben muss, richtet sich letztlich nach den allgemeinen Anpassungsgrundsätzen.
Allerdings kann der Versorgungsempfänger eine nachträgliche Anpassung nur verlangen, wenn er seinen Anspruch rechtzeitig geltend macht. Wie schnell er reagieren muss, hängt davon ab, ob ihm der Arbeitgeber seine Anpassungsentscheidung ausdrücklich mitgeteilt hat oder nicht. Eine ausdrückliche Nichtanpassungsentscheidung des Arbeitgebers muss der Arbeitnehmer spätestens bis zum nächsten Anpassungsstichtag (also innerhalb von drei Jahren) zumindest außergerichtlich rügen; anderenfalls erlischt der Anspruch auf nachträgliche Anpassung. Hierdurch soll die Planungs- und Rechtssicherheit für den versorgungspflichtigen Arbeitgeber erhöht werden (BAG v. 10.2.2009 – 3 AZR 610/07). Hat der Arbeitgeber die Betriebsrente zu einem Anpassungsstichtag nicht angepasst, ohne dem Betriebsrentner seine Nichtanpassungsentscheidung ausdrücklich mitzuteilen, muss die Rüge der Nichtanpassung bis zum übernächsten Anpassungsstichtag (also innerhalb von sechs Jahren) erfolgen (BAG v. 17.4.1996 – 3 AZR 56/95).
Die Anforderungen an eine Rüge sind nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sehr gering. Sie kann formlos erfolgen und bedarf keiner näheren Begründung (BAG v. 21.10.2014 – 3 AZR 937/12). Für eine wirksame Geltendmachung der nachträglichen Anpassung muss die Rüge dem Arbeitgeber allerdings vor Ablauf der Frist, d.h. spätestens am Tag vor dem (über-)nächsten Anpassungsstichtag zugehen. Die bloße Klageerhebung innerhalb der Frist reicht nicht aus, sofern die Zustellung der Klage erst nach Fristablauf erfolgt. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist die Rückwirkungsfiktion des § 167 ZPO auf die Rügefrist nach § 16 BetrAVG nicht anwendbar (BAG v. 21.10.2014 – 3 AZR 937/12).
Verwirkung des Klagerechts
Vom Erlöschen des Anspruchs auf nachträgliche Anpassung wegen Versäumung der Rügefrist ist schließlich die Verwirkung des Klagerechts zu unterscheiden. Selbst wenn die außergerichtliche Rüge rechtzeitig erfolgt ist, kann das Klagerecht des Versorgungsempfängers verwirken, sofern er nicht bis zum Ablauf des nächsten auf die jeweilige Rügefrist folgenden Anpassungszeitraums Klage erhebt. Ab diesem Zeitpunkts liegen die für eine Verwirkung erforderlichen Zeit-, Umstands- und Zumutbarkeitsmomente in der Regel vor (BAG v. 17.6.2014 – 3 AZR 298/13). Allerdings können die Besonderheiten des Einzelfalles zu einer abweichenden Beurteilung führen.
Fazit: Nachholende Anpassung bedeutet, dass der Anpassungsbedarf an jedem Anpassungsstichtag stets seit Rentenbeginn zu berechnen ist. In der Vergangenheit unterbliebene oder zu gering ausgefallene Anpassungen werden daher am aktuellen Anpassungsstichtag grundsätzlich automatisch nachgeholt. Eine Nachholung erfolgt jedoch ausnahmsweise nicht, wenn die Anpassung in der Vergangenheit zu Recht unterblieben ist oder der Arbeitgeber den Versorgungsempfänger in ausreichender Weise über seine (Nicht-)Anpassungsentscheidung unterrichtet und dieser nicht innerhalb von drei Monaten widersprochen hat.
Bei der nachträglichen Anpassung geht es demgegenüber um die rückwirkende Anpassung der Betriebsrente zu einem früheren Anpassungsstichtag. Der Anspruch auf nachträgliche Anpassung ist ausgeschlossen, wenn der Arbeitnehmer die (Nicht-)Anpassungsentscheidung des Arbeitgebers nicht rechtzeitig rügt. Dies muss – je nach Konstellation – bis zum nächsten oder bis zum übernächsten Anpassungsstichtag geschehen.
Weitere Beiträge zur Betriebsrente.
Sehr geehrter Herr Saal,
vielen Dank, Ihre Serie Teile 1 bis 4 ist die beste Darstellung der rechtlichen Aspekte der Anpassung von Betriebsrenten, die ich bisher gelesen habe!