Bei der Wahl der Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsrat passieren oft schon bei der Besetzung des Wahlvorstands Fehler. Vor allem wenn der „Status“ der leitenden Angestellten im Unternehmen unklar ist, streiten sich Betriebsrat und Sprecherausschuss darüber, ob leitende Angestellte überhaupt Teil des Wahlvorstands sein dürfen. Der Beitrag zeigt, wie Arbeitgeber in dieser Situation reagieren und die ordnungsgemäße Durchführung der Aufsichtsratswahl schützen können.
Das Mitbestimmungsgesetz trifft eine klare Aussage: Dem Aufsichtsrat muss (sofern im Unternehmen vertreten) ein leitender Angestellter angehören. Zudem sieht die Wahlordnung vor, dass schon der Wahlvorstand mit einem leitenden Angestellten zu besetzen ist, wenn im Unternehmen mindestens 5 wahlberechtigte leitende Angestellte beschäftigt sind. Genau hier eröffnet sich Raum für Streit, wenn – meist durch Zweifel des Betriebsrats – der Status leitender Angestellter in Frage steht und der Betriebsrat sich deshalb weigert, einen leitenden Angestellten in den Wahlvorstand aufzunehmen. Greift der Arbeitgeber an dieser Stelle nicht ein, kann das zur Anfechtung und einer teuren Wiederholung der Wahl führen.
Wer entscheidet über die richtige Besetzung des Wahlvorstands?
Kommt es im Rahmen einer Aufsichtsratswahl zum Streit, wer zu den leitenden Angestellten gehört und wer nicht, oder gar ob es überhaupt leitende Angestellte gibt im Unternehmen, fehlt es an gesetzlichen Vorgaben oder Schlichtungsregelungen. Lösungsansätze lassen sich – wenn auch spärlich – Rechtsprechung und Literatur entnehmen.
- LAG Düsseldorf: In einer zugegeben betagten Entscheidung aus dem Jahr 1977 bezog sich das Gericht auf den Ausgang der letzten BR-Wahl. Ein leitender Angestellter sei im Wahlvorstand immer dann zu beteiligen ist, wenn anlässlich der letzten Betriebsratswahlen mehr als 5 Beschäftigte nicht in die Wählerliste aufgenommen und vom Wahlvorstand den Leitenden zugeordnet worden sind und zwischenzeitlich keine anderweitige gerichtliche Entscheidung oder eine Einigung zwischen Betriebsrat und Geschäftsleistung erfolgt ist. Das LAG Düsseldorf meint, dass die Wahlordnung schon aus Praktikabilitätsgründen so konzipiert sei, dass es nicht schon zu Beginn der Wahlvorbereitungen zu Streitigkeiten zwischen den Beteiligten um die Zuordnung von Angestellten zur Gruppe der leitenden oder nicht leitenden Angestellten kommt.
- Literatur: Wenige Stimmen in der Literatur gehen dagegen davon aus, dass der Gesamtbetriebsrat eine „Letztentscheidungskompetenz“ hat, weil er auch für die Bestimmung der Größe des Wahlvorstands zuständig ist. Es sei deshalb auch seine Aufgabe festzustellen, ob der Belegschaft mindestens 5 leitende Angestellte angehören oder nicht.
Keine „Letztentscheidungskompetenz“ des Betriebsrats
Wortlaut, Systematik sowie Sinn und Zweck der Wahlordnung sprechen allerdings dafür, dass der Betriebsrat kein Recht hat, Statusfragen inzident zum Gegenstand des Wahlverfahrens zu machen. Selbst wenn also der Betriebsrat eine „Letztentscheidungskompetenz“ hätte, dürfte diese nicht ein Statusfeststellungsrecht umfassen. Zum einen folgt aus dem Recht, die Größe des Wahlvorstands zu bestimmen nicht gleichzeitig das Recht, über die Zusammensetzung zu entscheiden. Vielmehr sind Zweifel am „Status“ eines Beschäftigten dem arbeitsgerichtlichen Statusfeststellungsverfahren vorbehalten und nicht im Rahmen einer Aufsichtsratswahl zu klären. Die Aufsichtsratswahl zu nutzen, um entgegen sämtlichen Grundsätzen der Mitbestimmung und Wahlordnung „Fakten zu schaffen“ und eine Art „Beweislastumkehr“ zu erreichen, würde das für diese Fragen vorgesehene Statusfeststellungsverfahren unterlaufen.
Was tun, wenn der Betriebsrat leitende Angestellte einfach ausschließt?
Überschreitet der Betriebsrat dennoch seine Kompetenz und schließt leitende Angestellte aus dem Wahlvorstand aus, stehen zwei mögliche Rechtmittel zur Wahl: Das Unternehmen (oder auch der Sprecherausschuss bzw. beide gemeinsam) kann die Durchführung der Aufsichtsratswahl unter dem fehlerhaft besetzten Wahlvorstand abwarten und das Ergebnis im Rahmen der Wahlanfechtung nach § 22 MitbestG anfechten. Angesichts der mit der Wiederholung der Wahl verbundenen Kosten wird dies jedoch der weniger präferierte Weg sein. Schneller ist die Korrektur im Wege einer vorgeschalteten gerichtlichen Kontrolle im einstweiligen Verfügungsverfahren, bevor der fehlerhaft besetzte Wahlvorstand die Wahl überhaupt durchführen kann.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist in diesem Fall auf Abbruch der Wahl und Korrektur des Wahlfehlers zu richten. Das Bundesarbeitsgericht hält ein solches Vorgehen für möglich, da nur im Wege eines vorgeschalteten gerichtlichen Kontrollverfahrens Fehler im Wahlverfahren rechtzeitig korrigiert und eine Wahlanfechtung vermieden werden könne (BAG, Beschluss vom 4.11.2015, Az. 7 ABR 42/13). Dies ist insbesondere sinnvoll, um Streitigkeiten im Rahmen eines Anfechtungsverfahrens vorzubeugen und so eine erhöhte Kostenlast für das Unternehmen zu verhindern. Anders als bei Betriebsratswahlen entsteht infolge einer Verzögerung der Wahl der Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer und leitenden Angestellten durch ein vorgezogenes gerichtliches Kontrollverfahren kein mitbestimmungsfreier Zustand und ist deshalb statthaft.
Fazit und Empfehlung
Die Wahl der Vertreter der Arbeitnehmer und leitenden Angestellten im Aufsichtsrat eröffnet keine Statusfeststellung durch die Hintertür. Fragen der Zuordnung von Beschäftigten zu den leitenden Angestellten i.S.d. § 5 Abs. 3 BetrVG sind kompliziert und sollten daher dringend aus dem ohnehin schon komplexen Wahlverfahren herausgehalten werden. Eine verbindliche Statuszuordnung bleibt dem gesonderten Statusfeststellungsverfahren vorbehalten oder kann allenfalls im Rahmen der Wahlanfechtung nach § 22 MitbestG vorgenommen werden.
In Fällen, in denen der Betriebsrat seine Kompetenz überschreitet, ist es angezeigt, rechtliche Schritte auch schon vor Abschluss des Wahlverfahrens einzuleiten, um hieraus entstehende Konflikte zwischen beteiligten Gremien im Keim zu ersticken. Es empfiehlt sich, das von der Rechtsprechung anerkannte Rechtsmittel des einstweiligen Rechtsschutzes auf Abbruch bzw. Korrektur der fehlerhaften Wahlhandlung zu nutzen.