Nach dem Ausspruch einer Kündigung treffen sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer häufig im Kündigungsschutzverfahren vor dem Arbeitsgericht wieder. Eine rechtskräftige Entscheidung über die Wirksamkeit der Kündigung kann sich aufgrund des Instanzenzugs über mehrere Jahre hinziehen. Sollte schließlich die Unwirksamkeit der Kündigung rechtskräftig feststehen, kann der Arbeitnehmer in der Zwischenzeit Annahmeverzugslohnansprüche in der Höhe mehrerer Jahresgehälter angesammelt haben. Ein kürzlich ergangenes Urteil des LAG Berlin-Brandenburg erleichtert es Arbeitgebern, derartige Ansprüche abzuwehren (Urteil vom 30. September 2022 – 6 Sa 280/22).
Auskunftsanspruch
Das BAG hatte bereits im Mai 2022 (Urteil vom 27. Mai 2020 – 5 AZR 387/19) entschieden, dass der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber gegenüber zur Auskunft über Vermittlungsangebote der Agentur für Arbeit verpflichtet ist, wenn er Vergütung wegen Annahmeverzugs fordert und die Einwendung böswillig unterlassenen anderweitigen Erwerbs wahrscheinlich begründet ist. Dabei muss sich die Auskunft auf die Vermittlungsvorschläge unter Nennung von Tätigkeit, Arbeitszeit, Arbeitsort und Vergütung erstrecken.
Das LAG Berlin-Brandenburg zeigt nun exemplarisch auf, welche Indizien für ein ungenügendes Bemühen des Arbeitnehmers um anderweitigen Erwerb sprechen können. In dem entschiedenen Fall hatten die Parteien in einem vorgelagerten Rechtsstreit über die Wirksamkeit von arbeitgeberseits ausgesprochenen Kündigungen gestritten. Nachdem der Arbeitnehmer das Kündigungsschutzverfahren gewonnen hatte, stritten die Parteien sodann über Annahmeverzugslohnansprüche in der Höhe von insgesamt knapp vier Jahresgehältern. Der Arbeitgeber berief sich darauf, dass es der Arbeitnehmer böswillig unterlassen habe, anderweitig zumutbare Arbeit anzunehmen. Die Darlegungs- und Beweislast für diesen Einwand trägt zwar der Arbeitgeber. Den Arbeitnehmer trifft unter Berücksichtigung der Pflicht, sich zu den vom Arbeitgeber behaupteten Tatsachen wahrheitsgemäß und vollständig zu erklären, aber eine sekundäre Darlegungslast, wenn der Arbeitgeber keine nähere Kenntnis der maßgeblichen Umstände und auch keine Möglichkeit zur weiteren Sachverhaltsaufklärung hat, während dem klagenden Arbeitnehmer nähere Angaben dazu ohne weiteres möglich und zumutbar sind.
Indizien für ein böswilliges Unterlassen ausreichender Bemühungen
Das LAG Berlin-Brandenburg verwies auf verschiedene Indizien für ein böswilliges Unterlassen anderweiten Erwerbs. So hatte sich der Kläger nur auf drei der zwölf von der Bundesagentur für Arbeit benannten Vermittlungsvorschläge beworben.
Quantität der Bewerbungen
Hinsichtlich der Quantität der Bewerbungen des Klägers aus Eigeninitiative rügte das Gericht, dass der Kläger in einem Zeitraum von knapp 29 Monaten lediglich 103 Bewerbungen versandt hatte. Dies entsprach rechnerisch nicht einmal einer Bewerbung je Woche. Nach Ansicht der Sechsten Kammer des LAG Berlin-Brandenburg hätte der arbeitslose Kläger im zeitlichen Umfang einer Vollzeitstelle (!) Bewerbungsbemühungen entfalten müssen.
Qualität der Bewerbungen
Auch die Qualität der Bewerbungsschreiben genügte dem Gericht nicht. So ließ sich den Bewerbungen weder ein Stellenkennzeichen noch eine schlagwortartige Bezeichnung der Stelle, auf die sich der Kläger bewarb, entnehmen. Auch individualisierte der Kläger die Anrede nicht. Die Rückantwort zweier Arbeitgeber offenbarte des Weiteren, dass der Kläger telefonisch nicht zu erreichen gewesen bzw. dass eine E-Mail nicht vollständig eingegangen sei, weswegen um erneute Zusendung gebeten wurde. Auch dieser Bitte war der Kläger nicht nachgekommen. Darauf, dass die Bundesagentur für Arbeit die unzureichenden Bewerbungsbemühungen des Klägers nicht sanktioniert hatte, kam es nach Auffassung des Gerichts hingegen nicht an. Aufgrund der Vielzahl von Indizien kam die Kammer somit zu dem Ergebnis, dass der Kläger das Bemühen um anderweitigen Erwerb böswillig unterlassen hatte. Sie sprach dem Kläger keinen Annahmeverzugslohn zu.
Fazit
Bereits mit dem Blog-Beitrag vom 14. Juni 2021 hatten wir mit der Prozessbeschäftigung des Arbeitnehmers ein weiteres Mittel zur Begrenzung der Kostenrisiken aus Annahmeverzugslohnansprüchen hingewiesen. Die erfreuliche Entscheidung des LAG Berlin-Brandenburg ist nun ein weiterer „Pfeil im Köcher“ des Arbeitgebers, um Annahmeverzugslohnansprüche abzuwehren. Das Urteil kann auch eine Entscheidungshilfe für Arbeitgeber sein, die von Arbeitnehmern unter Verweis auf das ihnen drohende Annahmeverzugsrisiko mit überzogenen Abfindungsforderungen zur einvernehmlichen Beendigung des gerichtlichen Kündigungsschutzverfahrens gedrängt werden. Weiterhin unbeantwortet bleibt schließlich die Frage, ob sich der Auskunftsanspruch des Arbeitgebers auch auf eigene Bewerbungsbemühungen des Arbeitnehmers erstreckt – hierzu haben weder das LAG Berlin-Brandenburg noch das BAG in ihren Entscheidungen bislang Stellung beziehen müssen.