Nachdem die Energie-Entlastungsgesetze als Weihnachtsgeschenke passend am 24. Dezember 2022 in Kraft getreten sind, hatte die Praxis Zeit, sich mit den Regelungen im Detail auseinanderzusetzen. Dies hat aber nicht immer zu der gewünschten Klarheit geführt. Insbesondere die arbeitsrechtlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen der Gesetze führen zu mehr Fragen als Antworten. Dies ist auch dem Gesetzgeber aufgefallen, sodass bereits an der ersten Anpassungsnovelle gearbeitet wird.
Das Strompreisbremsengesetz sowie das Erdgas-Wärme-Preisbremsengesetz haben den Regelungszweck, die stark gestiegenen Energiekosten für die Endverbraucher abzufedern und dabei auch Wettbewerbsnachteile deutscher Unternehmen zu reduzieren. Beide Gesetze verknüpfen eine Inanspruchnahme der Entlastung mit arbeitsrechtlichen Instrumenten – jedenfalls ab bestimmten Entlastungsgrößen. Anknüpfend an unseren Blogbeitrag vom 11. Januar 2023 wollen wir in aller Kürze noch einmal einen Überblick über die jeweilige Regelungssystematik geben und dabei den Blick vor allem auf Fristen, To-Dos und Regelungsschwellen sowie die geplanten Änderungen nach der Anpassungsnovelle richten. In noch folgenden Blog-Beiträgen werden wir auf die Themen der Beschäftigungssicherung sowie Boni- und Vergütungsverbote dann im Detail eingehen und praktische Umsetzungsfragen klären.
Gibt es zwingende To-Dos?
Wichtigste zu klärende Einstiegsfrage ist zunächst, ob Unternehmen überhaupt Entlastungen von mehr als 2 Mio. Euro in Anspruch nehmen wollen. Dabei ist zum einen zu beachten, dass die Entlastungen auf der Grundlage beider Energie-Entlastungsgesetze zusammenzurechnen sind. Zum anderen ist in diesem Zusammenhang nur auf das jeweilige Unternehmen als Letztverbraucher und nicht etwa weitere im Konzern verbundene Unternehmen abzustellen.
Ist zu erwarten, dass die vorgenannte Schwelle überschritten wird, sind an die weiteren Entlastungen arbeitsrechtliche Bedingungen geknüpft:
- Entlastungen von mehr als 2 Mio. Euro können nur beansprucht werden, wenn die sog. Arbeitsplatzerhaltungspflicht erfüllt wird. Unternehmen müssen daher aktiv werden und bis spätestens zum 15. Juli 2023 der Prüfbehörde den Nachweis zum Arbeitsplatzerhalt vorlegen.
- Sollen weitergehende Entlastungen mit Summen von über 25 Mio. Euro oder sogar 50 Mio. Euro in Anspruch genommen werden, bedarf es zwar nach Erfüllung der ersten Voraussetzung des Arbeitsplatzerhalts grundsätzlich keines weiteren aktiven Tuns, um in diesem Umfang gefördert zu werden. Allerdings knüpft der Gesetzgeber die „automatische“ Entlastung an weitere arbeitsrechtliche Rechtsfolgen. Je nach Höhe der Entlastungssummen greifen Boni- und Dividendenverbote. Will das Unternehmen diese vermeiden, bedarf es wiederum einer Aktivwerdens: Das Unternehmen muss bis spätestens 31. März 2023 (nach der Anpassungsnovelle wohl bis zum 31. Juli 2023 verlängert) von seinem sog. Opt-Out-Recht Gebrauch machen, um Förderungen oberhalb der Schwellenwerte und die damit einhergehenden zwingenden Zahlungsverbote zu vermeiden.
Erste Schwelle – Arbeitsplatzerhaltungspflicht
Unternehmen haben drei Möglichkeiten, ihrer Arbeitsplatzerhaltungspflicht nachzukommen:
- Variante 1: Regelung zur Beschäftigungssicherung durch Betriebsvereinbarung oder Tarifvertrag
- Variante 2: Schriftliche Erklärung des Letztverbrauchers zur Beschäftigungssicherung mit Stellungnahmen der Verhandlungspartner über die Gründe des Nichtzustandekommens einer Kollektivvereinbarung
- Variante 3: Erklärung des Letztverbrauchers mit einer Selbstverpflichtung zum Kündigungsschutz
Zu den verschiedenen Begründungsformen einer Beschäftigungssicherung stellen sich viele Fragen, z.B. in welchem Regelungsverhältnis die Varianten zueinanderstehen, inwiefern eine kollektivrechtliche Beschäftigungssicherung versucht worden sein muss und welche inhaltlichen Vorgaben jeweils gelten – hierzu noch ausführlich in einem der nächsten Blog-Beiträge. Zwei Punkte sind jedenfalls klar geregelt: In sämtlichen Fällen muss sich die Beschäftigungssicherung auf einen Zeitraum bis zum 30. April 2025 erstrecken. Und nur im Fall der dritten Variante verlangt der Gesetzgeber den Erhalt einer Belegschaft, die mindestens 90 Prozent der am 1. Januar 2023 vorhandenen Arbeitsplatzvollzeitäquivalente entspricht.
Wird der Arbeitsplatzerhalt nicht form- und fristgerecht erbracht, hat die Prüfbehörde sämtliche die 2 Mio.-Euro-Schwelle überschreitende Entlastungen zwingend zurückzufordern.
Zweite und dritte Schwelle – Boni- und Dividendenverbote
Überschreiten die Entlastungssummen die Schwellen von EUR 25 Mio. oder EUR 50 Mio., greifen für den Auszahlungszeitraum bis 31. Dezember 2023 unterschiedliche Boni- und Dividendenverbote. Dabei liegt eine Besonderheit dieser Schwellenregelung darin, dass neben den Entlastungen nach den Energie-Entlastungsgesetzen auch weitere Förderungen eingerechnet werden (Entlastungsbeträge nach Härtefallregelungen des Bundes oder der Länder aufgrund gestiegener Energiekosten infolge der Aggression Russlands gegen die Ukraine, nach § 36a SGB IX und nach § 26f KHG und abzüglich der Entlastungsbeträge nach dem Erdgas-Wärme-Soforthilfegesetz). Zudem soll nach der Anpassungsnovelle für die Berechnung der Entlastungssumme nunmehr auch eine beschränkte Konzernbetrachtung angestellt werden.
Die Verbote erfassen persönlich sämtliche Mitglieder der Geschäftsleitung sowie der gesellschaftsrechtlichen Aufsichtsorgane. Sachlich beziehen sie sich auf Boni und sonstige variable und vergleichbare Vergütungsbestandteile, die über die vereinbarte Festvergütung hinausgehen. Erfasst sind dabei auch Abfindungen oder sonstige rechtlich nicht gebotene freiwillige Leistungen. Dabei ist irrelevant, ob die unmittelbar betroffene Gesellschaft oder Unternehmen im Konzernverbund die Leistung gewähren. Überschreitet die Entlastungssumme die Schwelle von EUR 50 Mio. erstreckt sich das Verbot darüber hinaus auf Dividenden oder sonstige, vertraglich oder gesetzlich nicht geschuldete Gewinnausschüttungen. Die Verbote können nur über die oben genannte fristgebundene Opt-Out-Erklärung vermieden werden; mit Blick auf verfassungsrechtliche Bedenken soll dieses Recht nun auch auf die 50 Mio. Euro-Schwelle bezogen werden (Anpassungsnovelle).
Auch zu dieser Regelung bleiben viele Praxisthemen offen, nicht zuletzt die Frage, wer eigentlich über die Wahrnehmung der Opt-Out-Rechte zu entscheiden hat. Hierzu mehr in den nächsten Blog-Beiträgen.
Fazit
Politisch mag man trefflich darüber streiten, warum Energieförderungen mit einer Beschäftigungssicherung verknüpft werden und warum eine als sinnvoll erachtete staatliche Entlastung bei den Energiekosten zugleich dem Erhalt von ggf. nicht mehr benötigten Arbeitsplätzen dienen muss. Wenn man aber schon meint, diese Verknüpfung vornehmen zu müssen, sollte man dem Rechtsanwender jedenfalls klare und verständliche Rechtsregeln an die Hand geben.