Das Strompreisbremsegesetz (StromPBG) sowie das Erdgas-Wärme-Preisbremsengesetz (EWPBG) werfen zahlreiche Auslegungs- und Anwendungsfragen auf (siehe hierzu auch unsere Blogbeiträge vom 28.3.2023 und 4.4.2023). Dies gilt gerade auch in Bezug auf die dort vorgesehenen Einschränkungen für Bonuszahlungen und Gehaltserhöhungen. Der Beitrag beleuchtet, was Unternehmen und ihre Organe diesbezüglich beachten müssen. Dabei wird insbesondere auch der vom Bundeskabinett am 5.4.2023 beschlossene Entwurf einer Anpassungsnovelle berücksichtigt.
Erfasste Unternehmen
Unternehmen, die eine Entlastungssumme von mehr als EUR 25 Mio. bzw. mehr als EUR 50 Mio. in Anspruch nehmen, unterliegen bei der Vergütung von Geschäftsleitungen und Aufsichtsorganen für das Jahr 2023 je nach Schwellenwert unterschiedlich ausgestalteten Verboten von Bonizahlungen und Gehaltserhöhungen (§ 29a EWPBG bzw. 37a StromPBG). Für die Berechnung der Schwellenwerte werden die Entlastungen nach dem StromPBG und dem EWPG zusammengerechnet und auch weitere Förderungen eingerechnet. Während die derzeit geltende Fassung dabei nach ihrem Wortlaut schlicht auf Unternehmen abstellt, soll nach der Anpassungsnovelle eine beschränkte Konzernbetrachtung entscheidend sein. Somit kann auch Förderungen verbundener Unternehmern berücksichtigungsfähig sein. Wollen Unternehmen diesen Restriktionen (sowie im Falle einer Entlastung von mehr als EUR 50 Mio. auch dem zugleich geltenden Dividendenverbot) entgehen, können sie bis zum 30.6.2023 gegenüber der Prüfbehörde erklären, keine die Schwellenwerte überschreitende Entlastung in Anspruch zu nehmen. Die Frist lief ursprünglich bis zum 31.3.2023. Sie wurde bereits vor der nunmehr geplanten Anpassungsnovelle durch eine erste (am 31.3.2023 durch den Bundestag verabschiedete) Gesetzesänderung verlängert. Hintergrund war schlicht das Fehlen einer entsprechenden Prüfbehörde.
Welche Boni sind verboten?
Unternehmen mit einer Entlastungssumme von mehr als EUR 25 Mio., aber weniger als EUR 50 Mio. dürfen bis zum 31.12.2023 der Geschäftsleitung und den Mitgliedern des Aufsichtsorgans keine Boni oder sonstige über das Festgehalt hinausgehende Vergütungsbestandteile im Sinne des § 87 Abs. 1 AktG gewähren, die nach dem 1. Dezember 2022 vereinbart oder beschlossen worden sind.
Unter den nicht definierten Begriff der „Geschäftsleitung“ fallen nach unserer Einschätzung wohl nur die Mitglieder des gesetzlichen Vertretungsorgans (also z.B. Vorstände einer AG, Geschäftsführer einer GmbH), nicht aber leitende Angestellte außerhalb der Vertretungsorgane (auch wenn diese nach der in dem Unternehmen gebräuchlichen Terminologie zur „Geschäftsleitung“ gezählt werden).
Untersagt ist dabei, dass variable Vergütung für das Jahr 2023 gezahlt wird. Dies soll jetzt durch die Novelle ausdrücklich klargestellt werden. Dagegen ist es zulässig, im Jahr 2023 variable Vergütung (STI, LTI) auszuzahlen, die Gegenleistung für die Dienste im Jahr 2022 (oder in Vorjahren) ist.
Die Zahlung von Vergütung die für das Jahr 2023 gezahlt wird, ist erlaubt, wenn diese spätestens am 1. Dezember 2022 vereinbart oder beschlossen wurde. Damit ist jedenfalls die Zahlung variabler Vergütung für 2023 zulässig, die ohne Ermessenspielraum nur an das Erreichen bestimmter ebenfalls zuvor festgelegter Ziele (etwa bezogen auf Unternehmenskennziffern wie das EBIDTA) anknüpft. Auch soweit der Anspruch auf eine variable Vergütung dem Grunde nach zuvor vereinbart wurde, die konkreten Ziele für das Jahr 2023 aber erst nach dem 1. Dezember 2022 festgelegt bzw. vereinbart werden, ist eine Auszahlung wohl nicht per se untersagt. Soweit allerdings vertraglich ohne weitere Vorgaben nur ein nach billigem Ermessen (§ 315 BGB) festzulegender Bonus vereinbart ist, dürfte vieles dafür sprechen, dass eine Festlegung auf „Null“ regelmäßig billigem Ermessen entspricht und auch geboten ist.
Keine Gehaltserhöhungen
Verboten ist zudem die Zahlung einer Grundvergütung für das Jahr 2023, die über die zum 1. Dezember 2022 geltende Grundvergütung hinausgeht. Nicht explizit geregelt ist, ob bereits vor dem Stichtag vereinbarte, aber erst danach in Kraft tretenden Gehaltserhöhungen ausgezahlt werden dürfen. Der Wortlaut der Regelungen legt an sich ein Verbot nahe, Sinn und Zweck sprechen hingegen dafür, hier wie bei den Boni auf den Zeitpunkt der Vereinbarung abzustellen.
Besonderheiten bei Unternehmen mit mehr als EUR 50 Mio. Entlastungssumme
Bei Unternehmen mit einer Entlastungssumme von über EUR 50 Mio. gelten im Ausgangspunkt identische Beschränkungen, allerdings mit der einschneidenden Verschärfung, dass auch vor dem 1. Dezember 2022 vereinbarte variable Vergütung für das Jahr 2023 nicht ausgezahlt werden darf. Zulässig bleibt dagegen die Auszahlung variabler Vergütungen für die Vorjahre, auch soweit dies erst in 2023 erfolgt.
Umsetzung in den Anstellungsverträgen und Rechtsfolgen von Verstößen
In der derzeit geltenden Gesetzesfassung sind die Folgen für bestehende Anstellungsverträge und die Rechtsfolgen einer gesetzwidrig ausgezahlten Vergütung nicht explizit geregelt. In dem Entwurf der Bundesregierung für die Anpassungsnovelle ist nunmehr als Rechtsfolge eine Rückforderung der über den jeweiligen Schwellenwert hinausgehenden Entlastungsbeträge durch die Prüfbehörde vorgesehen. Damit soll nach der Entwurfsbegründung zugleich „klargestellt“ werden, dass die Normen keinen Eingriff in bestehende Verträge in Form eines Verbotsgesetzes nach § 134 BGB darstellen. Ein Unternehmen, das entsprechende Entlastungen in Anspruch nimmt, kann damit vertraglich gegenüber den Mitgliedern der Geschäftsleitung weiterhin verpflichtet sein, die gegen die Energiepreisbremsengesetze verstoßenden Boni auszuzahlen.
Einvernehmliche Vertragsänderungen sind selbstverständlich möglich. Was aber gilt, wenn eine solche einvernehmliche Änderung an der Zustimmung des Organmitglieds scheitert? Eine (Treue-)Pflicht der betroffenen Person, einer entsprechenden Vertragsänderung zuzustimmen, dürfte sich nur schwer begründen lassen. Anpassungsmöglichkeiten ohne entsprechende Zustimmung (etwa nach § 87 Abs. 2 AktG, nach den Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage oder in Form einer außerordentlichen Änderungskündigung) können zwar in Betracht gezogen werden, hierfür sind aber jeweils hohe Hürden zu überwinden. Zudem begründet die Verweigerung der Zahlungen auch das Risiko, dass sich das betroffene Mitglied seinerseits vom Vertrag löst.
Zuständiges Organ für Opt-Out
Damit verknüpft ist auch die Frage, welches Organ für die Entscheidung eines Opt-Out zuständig ist und die Gesellschaft insoweit gegenüber der Prüfbehörde vertritt. Das Geschäftsleitungsorgan (im Fall einer AG also der Vorstand) oder das für dessen Vergütung zuständige Organ (im Fall einer AG also der Aufsichtsrat)? Für eine Zuständigkeit des Aufsichtsrats ließe sich eine Annexkompetenz bzw. § 112 AktG (analog) heranziehen: Bei bestehendem Boni-Verbot ist der Aufsichtsrat zweifelsohne für etwaige Maßnahmen zu dessen Umsetzung bezogen auf die Vorstandsvergütung zuständig und hat entsprechende Vertretungsmacht. Dies spricht dafür, ihm auch eine Zuständigkeit für die vorgelagerte Frage eines Opt-Out zuzuerkennen. Für eine Zuständigkeit des Vorstands spricht dagegen seine Eigenschaft als allgemeines Leitungs- und Vertretungsorgan der Gesellschaft (§§ 76, 77 AktG). Zudem betrifft der Opt-Out nicht zwingend nur die eigene Vergütung des Vorstands, sondern gerade auch die Aufsichtsratsvergütung (bei der allerdings variable Vergütungskomponenten praktisch weniger relevant sind) und ggf. Dividendenzahlungen. Er steht auch im Zusammenhang mit den an niedrigere Schwellenwerte anknüpfenden Pflichten der Beschäftigungssicherung [Verlinkung Blogbeitrag 4.4.2023], die in die Zuständigkeit des Vorstands fallen. Die besseren Gründe dürften damit für eine Zuständigkeit des Vorstands sprechen. Für die Praxis bedeutet dies:
- Wenn sich sämtliche Aufsichtsrats- und Vorstandsmitglieder einig sind, empfiehlt sich ein abgestimmtes Vorgehen und ggf. auch eine gemeinsame Abgabe der Erklärung durch beide Organe.
- Die Konstellation, dass der Aufsichtsrat von dem Opt-Out Gebrauch machen will (also gegen das Bonusverbot votiert), der Vorstand dagegen nicht (also für ein Bonusverbot ist), dürfte praktisch kaum relevant sein.
- Will der Vorstand die Opt-Out-Möglichkeit nutzen, der Aufsichtsrat dagegen nicht, ist insbesondere zu prüfen, ob das ohne Opt-Out geltende Bonus-Verbot gegenüber den Vorstandsmitgliedern auch tatsächlich umgesetzt werden kann. Werden (zumindest einzelne) Vorstandsmitglieder gegen das StromPBG bzw. EWPBG verstoßende Bonuszahlungen ohnehin mit hoher Wahrscheinlichkeit erfolgreich durchsetzen, liegt es nahe, einen Opt-Out zu erklären. So werden zumindest Rückzahlungspflichten und insbesondere entsprechende Zinsen vermieden. Lässt sich das Bonusverbot dagegen wahrscheinlich erfolgreich durchsetzen (etwa weil der Aufsichtsrat wegen einer Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage von § 87 Abs. 2 AktG Gebrauch machen kann), wäre ein Opt-Out und damit der Verzicht auf die Förderung regelmäßig pflichtwidrig. In diesem Fall sollte der Aufsichtsrat versuchen, den Vorstand entsprechend zu überzeugen. Im Weigerungsfall drohen dem Vorstand dann Sanktionen wie Abberufung, Kündigung und insbesondere Schadensersatz.
Fazit
Auch wenn die geplante Novelle mit dem Inhalt des Regierungsentwurfs in Kraft treten sollte, verbleiben zahlreiche offene Praxisfragen. Eine der derzeit besonderes relevanten Streitfragen wäre dann allerdings geklärt: Die Boniverbote stellen keine Verbotsgesetze nach § 134 BGB dar, lassen bestehende Regelungen in Anstellungsverträgen also nicht ohne Weiteres nichtig werden. Eine Durchsetzung der Boni-Verbote ohne Zustimmung der betroffenen Organmitglieder ist somit nur unter engen Voraussetzungen (insbesondere § 87 Abs. 2 AktG) möglich.