Streitigkeiten um Betriebsrentenerhöhungen nehmen nach unserer Einschätzung derzeit stark zu. Aufgrund wirtschaftlicher Zwänge prüfen viele Arbeitgeber momentan sehr genau, ob sie zu Rentenanpassungen verpflichtet sind. Für Betriebsrentner hingegen geht es teils um nicht weniger als die Wahrung des gewohnten Lebensstandards. Eine konfliktträchtige Gemengelage. Lehnt der Versorgungsschuldner eine Rentenerhöhung ab, berufen sich Betriebsrentner immer öfter auf eine Einstandspflicht anderer Konzernunternehmen mit besseren wirtschaftlichen Kenndaten. Die Hürden für einen solchen Berechnungsdurchgriff sind jedoch hoch.
Aktuell hatte das BAG zu entscheiden, ob ein (isolierter) Gewinnabführungsvertrag einen Berechnungsdurchgriff auf die wirtschaftliche Lage der herrschenden Gesellschaft rechtfertigt. Nachdem das BAG diese Frage in einigen vorherigen Verfahren im Ergebnis offen lassen konnte, hat es dies nun mit überzeugenden Argumenten abgelehnt.
Konzernverbindung allein ohne Auswirkungen auf die Rentenanpassungspflicht
Im Einklang mit seiner bisherigen Rechtsprechung hat der 3. Senat in der Entscheidung vom 15.11.2022 hervorgehoben, dass eine Konzernverbindung allein nichts an der rechtlichen Selbstständigkeit der im Konzern verbundenen juristischen Personen zu ändern vermag. Das bedeutet: auch wenn ein Konzern unter dem Strich positive Ergebnisse erzielt, muss ein einzelnes Konzernunternehmen, das – anders als andere Konzernunternehmen – in den drei Jahren vor dem Anpassungsstichtag keine positive wirtschaftliche Lage bzw. Entwicklung aufweist, Betriebsrenten grundsätzlich nicht anpassen.
Differenzierung zwischen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag
Etwas anderes soll nach der bereits bestehenden Rechtsprechung des BAG jedoch gelten, wenn der Versorgungsschuldner durch einen Beherrschungsvertrag mit einem anderen Konzernunternehmen verbunden ist. Als abhängige Gesellschaft ist der Versorgungsschuldner dann verpflichtet, Weisungen des herrschenden Unternehmens zu befolgen. Das begründet nach Auffassung der Erfurter Richter die Gefahr, dass Versorgungsansprüche der Betriebsrentner durch nachteilige Weisungen wirtschaftlich entwertet werden. Auch bei einem Beherrschungsvertrag ist ein Berechnungsdurchgriff indes nur gerechtfertigt, wenn sich die durch den Vertrag geschaffene Gefahrenlage realisiert hat. Es muss also tatsächlich Weisungen mit negativen Folgen für die wirtschaftliche Lage des Versorgungsschuldners gegeben haben. Anderenfalls stünde der Betriebsrentner allein durch seine Konzernzugehörigkeit besser, als wäre er bei einem konzernunabhängigen Arbeitgeber beschäftigt gewesen.
Nur folgerichtig hat das BAG am 15.11.2022 nun entschieden, dass ein isolierter Ergebnisabführungsvertrag einen Berechnungsdurchgriff nicht rechtfertigen kann. Denn wenn ein solcher selbst bei einem Beherrschungsvertrag nur in Frage kommt, wenn die herrschende Gesellschaft tatsächlich negativen Einfluss auf die wirtschaftliche Lage des Versorgungsschuldners genommen hat, scheidet ein Berechnungsdurchgriff bei einem Ergebnisabführungsvertrag denklogisch aus. Denn – das führt auch das BAG überzeugend aus – der isolierte Ergebnisabführungsvertrag verleiht dem herrschenden Unternehmen gerade nicht die Möglichkeit, Weisungen gegenüber dem abhängigen Unternehmen rechtlich durchzusetzen. Das herrschende Unternehmen hat nicht die Rechtsmacht, um den Gewinn des zur Gewinnabführung verpflichteten Unternehmens zu beeinflussen. Allein die aufgrund des Ergebnisabführungsvertrags bestehende enge wirtschaftliche Verknüpfung des Versorgungsschuldners mit anderen Konzernunternehmen führt mithin nicht dazu, dass sich der Versorgungsschuldner die gute wirtschaftliche Lage des anderen Konzernunternehmens zurechnen lassen und Betriebsrenten anpassen muss.
Hintertür: Anspruch aus § 826 BGB
Eine Hintertür lässt das BAG freilich offen: ist der Versorgungsschuldner allein infolge von Transaktionen innerhalb des Konzerns wirtschaftlich nicht mehr zu Rentenanpassungen in der Lage, soll ein Anspruch wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung nach § 826 BGB denkbar sein. Dieser Anspruch dürfte jedoch weitgehend leer laufen, da kaum einem Betriebsrentner der Nachweis einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung gelingen dürfte.
Fazit
Eine Positionierung des BAG zum Berechnungsdurchgriff bei einem isolierten Ergebnisabführungsvertrag war lange erwartet worden. Nun hatte das Gericht Gelegenheit, die bis dato ungeklärte Rechtsfrage zu entscheiden – in dem von vielen erwarteten Sinne. Das bedeutet nicht, dass man die Rechtsprechung des BAG nicht auch kritisch hinterfragen könnte. Nicht selten werden unternehmerische Entscheidungen in Konzernen mit verflochtenen Konzernstrukturen eben nicht in den einzelnen Konzernunternehmen, sondern bei der Konzernmutter getroffen. Die tatsächlichen Einflussmöglichkeiten der herrschenden Unternehmen überlagern oft die rechtlichen Einflussmöglichkeiten. Selbst Geschäftsführer sind mitunter mehr Sachwalter denn Entscheider. Gleichwohl ist der Linie des BAG beizupflichten. Denn sie schafft Rechtssicherheit und Planbarkeit. Rechtliche Verbindungen und Einflussmöglichkeiten lassen sich anders als tatsächliche Einflussnahmen verhältnismäßig objektiv bewerten.