Möchten Arbeitgeber die nach § 16 Abs. 1 BetrAVG im 3-Jahres-Rhythmus zu prüfende Betriebsrentenanpassung ablehnen, müssen sie darlegen, dass ihre wirtschaftliche Lage eine Anpassung der Betriebsrenten nicht erlaubt. Hierzu haben sie eine (negative) Prognose zu ihrer zukünftigen Belastbarkeit aufzustellen, aus der sich ableiten lässt, dass Betriebsrentenerhöhungen nicht aus den Erträgen und dem Vermögenszuwachs des Unternehmens bis zum nächsten Anpassungsstichtag aufgebracht werden können. Eine Prognose zur wirtschaftlichen Entwicklung haben berichtspflichtige Arbeitgeber aber auch in den jährlich aufzustellenden handelsrechtlichen Lagebericht aufzunehmen. Kann es Arbeitgebern mit Blick auf eine unterlassene Betriebsrentenanpassung zum Verhängnis werden, wenn sie im Lagebericht positive Aussagen zu ihrer wirtschaftlichen Situation treffen?
Vielfach wähnen sich Betriebsrentner im Rechtsstreit um die Betriebsrentenanpassung bereits auf der Siegerstraße, wenn sie in den handelsrechtlichen Lageberichten (vgl. §§ 264 Abs. 1, 289 HGB) des Versorgungsschuldners Aussagen finden, die so gar nicht nach einer schlechten wirtschaftlichen Lage klingen. Häufig werden dem Gericht dann fein säuberlich seziert sämtliche positiv klingenden Aussagen aus dem Lagebericht präsentiert. Es wird suggeriert, ein Arbeitgeber, der sich „im Wettbewerb mit anderen Marktteilnehmern gut aufgestellt“ sieht, „steigende Umsatzerlöse im Servicegeschäft“ erwartet oder meint, sich „mithilfe neu entwickelter Produkte am Markt behaupten“ zu können, könne im Rahmen der Betriebsrentenanpassungsprüfung unmöglich zu einer negativen Prognose kommen.
Der Streit um die Bedeutung positiver Aussagen im Lagebericht
Tatsächlich maßen in der Vergangenheit einige Instanzgerichte dem handelsrechtlichen Lagebericht des Versorgungsschuldners erhebliche Bedeutung bei. Dies begründete das Arbeitsgericht Köln in einer ebenso bemerkenswerten wie fragwürdigen Entscheidung vom 1.2.2022 damit, dass Arbeitgeber im Lagebericht grundsätzlich ein objektives Bild der künftigen wirtschaftlichen Entwicklung zeichnen würden. In der Situation der Anpassungsprüfung seien Arbeitgeber hingegen geneigt, eher eine pessimistische Prognose der wirtschaftlichen Entwicklung zu treffen.
Überzeugend war dies zu keiner Zeit. Zwar formuliert das BAG in ständiger Rechtsprechung, die wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers sei eine „zukunftsbezogene Größe“. Seit jeher reicht dem BAG aber nicht positiv klingende Prosa aus dem Lagebericht als Prognose. Vielmehr verlangt es eine Auswertung der bisherigen wirtschaftlichen Entwicklung des Versorgungsschuldners für einen Zeitraum von wenigstens drei Jahren – anhand von validierten Geschäftszahlen. Entscheidend für die Frage, ob eine Rentenanpassung geschuldet ist, ist dabei die Entwicklung des Eigenkapitals und der Eigenkapitalverzinsung. Beides ist zu ermitteln anhand der sich aus den handelsrechtlichen Jahresabschlüssen ergebenden wirtschaftlichen Daten des Arbeitgebers. Die wirtschaftliche Prognose des Arbeitgebers bei der Betriebsrentenanpassungsprüfung war daher seit jeher zahlenbasiert.
Erfurt: Positiver Ausblick im Lagebericht widerlegt nicht negative Prognose
Nur folgerichtig hat das BAG in einer jüngeren Entscheidung nunmehr auch ausdrücklich festgehalten, dass ein positiver Ausblick im handelsrechtlichen Lagebericht nicht geeignet ist, eine im Rahmen der Anpassungsprüfung aufgestellte negative Prognose zu entkräften. Das BAG macht deutlich, dass es sich auch künftig bei der Anpassungsprüfung an die wirtschaftlichen Daten der handelsrechtlichen Jahresabschlüsse halten möchte. Diese seien ein für alle Arbeitgeber geeigneter objektiver Maßstab für die Prognosebildung. Zutreffend verweist das BAG darauf, dass im Gegensatz dazu dem Lagebericht nicht zwingend feststehende und damit verlässlich nachprüfbare wirtschaftlichen Daten zugrunde liegen müssen, sondern die dort skizzierten Chancen und Risiken auch auf bloßen Annahmen zur künftigen Marktentwicklung beruhen können.
Obschon die Aussagen des BAG letztlich nur die langjährige Spruchpraxis des dritten Senats fortführen, dürften sie gleichwohl für manchen Leser der Entscheidung überraschend sein. Denn in der Praxis hielt sich – begünstigt auch durch zweifelhafte instanzgerichtliche Entscheidungen – hartnäckig die Auffassung, mithilfe der handelsrechtlichen Lageberichte lasse sich eine negative Anpassungsentscheidung entkräften. Dieses Fehlverständnis fußte oft auf der unzutreffenden Annahme, Lagebericht und Jahresabschluss seien als eine Einheit zu bewerten. Dem hat der dritte Senat nun noch einmal ausdrücklich einen Riegel vorgeschoben und herausgearbeitet, dass der Lagebericht – obschon regelmäßig gemeinsam publiziert – nicht Teil des Jahresabschlusses und daher rechtlich eigenständig sei. Das bedeutet: dort, wo der Senat in seiner bisherigen Rechtsprechung auf die handelsrechtlichen Jahresabschlüsse abstellt, meint er auch nur diese und nicht zugleich auch die (zumeist) im selben Dokument veröffentlichten Lageberichte.
Fazit
Zugegeben: Auch die handelsrechtlichen Lageberichte sind kein Ausdruck sprießender Arbeitgeberfantasien. Im Rahmen der Betriebsrentenanpassung sind sie gleichwohl ohne maßgebliche Bedeutung. Der dahinterstehende Gedanke der Rechtsprechung ist plausibel und überzeugend: Die (Nicht-)Anpassung von Betriebsrenten soll auf einer möglichst objektiven Grundlage beruhen und so durch die Gerichte nachprüfbar bleiben.