Im Gegensatz zu klassischen Transaktionen erwarten sowohl Käufer- als auch Verkäuferseite bei Tech-Deals einige Besonderheiten. Die Mitarbeiter von Tech-Unternehmen sind aufgrund ihres Knowhows elementar, weshalb die arbeitsrechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten besondere Aufmerksamkeit verdienen. Auch kann der Status u.a. des Mitbestimmungsprozesses bei IT-Systemen kaufpreis- und erfolgsrelevant sein.
Was sind die Besonderheiten von Tech-Deals?
Gründe für die Akquisition von insbesondere „jungen“ Tech-Unternehmen sind vor allem Effizienz, Unabhängigkeit von den großen Playern wie Microsoft und nicht zuletzt der Einkauf von Knowhow. Diese Vorteile sind oftmals jedoch nur mit herausfordernden Verhandlungen zu erreichen. Das liegt vor allem am immateriellen Vermögenswert des Tech-Unternehmens. So gestaltet sich die Bezifferung des wirtschaftlichen Wertes des Unternehmens mangels aussagekräftiger Zahlen häufig als schwierig. Für die Bezifferung des „good will“ können der effektive Schutz und der Erwerb von Geschäftsgeheimnissen für beide Parteien eine besondere Rolle spielen. Bei Tech-Deals wird dieser Punkt umso wichtiger, da der Käufer ein besonders großes Interesse daran hat, die Technologie möglichst umfänglich kennenzulernen und insbesondere auf ihre Sicherheit zu prüfen.
Auf was sollten Private Equity-Unternehmen bei Tech-Deals aus arbeitsrechtlicher Sicht achten?
Key Person Risk und Teamstruktur
Für Tech-Unternehmen ist es entscheidend, hohe Expertise und wertvolles Knowhow an sich zu binden. Das kann im Wesentlichen über zwei Wege erreicht werden: Organisationsstruktur und Einflussnahme über die einzelnen Key Player. Einerseits kann das Knowhow unter den Mitarbeitern bereits so breit verteilt sein, dass im Falle des Weggangs einzelner Mitarbeiter kein Grund zur Panik besteht, da Wissen und Kompetenz nicht gebündelt sind. Andererseits kann sich bei näherem Blick auf die Teamzusammensetzung ergeben, dass es Key Player gibt. Das Knowhow dieser kann dabei auf unterschiedliche Weise geschützt werden bzw. sein:
Schutz durch Wettbewerbsverbote
Für die Dauer des Arbeitsverhältnisses gilt auch ohne weitere Vereinbarung ein Wettbewerbsverbot. Zur konsequenten Durchsetzung dessen können zusätzlich Vertragsstrafen vereinbart werden. Auch unabhängig hiervon können Schadensersatzansprüche geltend gemacht werden. Der Schadensnachweis gelingt oftmals jedoch nicht, sodass die Vereinbarung einer Vertragsstrafe sinnvoller ist. Weitere Sanktionsmöglichkeiten sind einstweilige Verfügung, Abmahnung und Kündigung.
Eine Möglichkeit, Key Playern den Weggang unattraktiv zu machen, sind nachvertragliche Wettbewerbsverbote. Diese müssen hingegen ausdrücklich vereinbart sein. Dabei unterliegen sie hohen rechtlichen Anforderungen und kosten wegen der erforderlichen Karrenzentschädigung viel. Der Arbeitgeber kann auf die Einhaltung des nachvertraglichen Wettbewerbsverbot aber auch verzichten und muss dementsprechend keine Karrenzentschädigung zahlen. Es bleibt daher Raum für spätere Einzelfallentscheidungen.
Kündigungsfristen
Eine Alternative zu teuren nachvertraglichen Wettbewerbsverboten sind längere Kündigungsfristen. Da diese für den Arbeitnehmer gemäß § 622 Abs. 6 BGB nur verlängert werden können, wenn die längere Frist ebenso für den Arbeitgeber gilt, sollte – anders als beim nachvertraglichen Wettbewerbsverbot – bereits vorab im Einzelfall entschieden werden, ob eine Verlängerung der Fristen sinnvoll ist. Das gilt besonders mit Blick auf etwaige Trennungsprozesse. Denn dann führen längere Kündigungsfristen zum einen denklogisch dazu, dass auch eine Arbeitgeberkündigung erst zu einem späteren Zeitpunkt ausgesprochen werden können – mit der Konsequenz fortdauernder Lohnzahlung. Zum anderen bieten die längeren Kündigungsfristen dem Arbeitnehmer mehr Verhandlungsmasse.
Retention-Modelle
Ein weiteres Instrument zur Bindung von Key Playern sind Retention Boni. Dabei erhält der Mitarbeiter einen Bonus, wenn das Arbeitsverhältnis zu einem bestimmten Zeitpunkt noch besteht. Je nach „Spielart“ können Bonuszahlung an weitere Bedingungen (wie etwa Projekterfolge) gebunden sein, wobei dann anteilige Auszahlungen auch bei früherem Ausscheiden drohen können.
Vesting
Eine weitere, in der Start-Up-Szene verbreitete, Möglichkeit bietet das sog. „Vesting“. Dadurch werden Gründer oder Mitarbeiter längerfristig an das Unternehmen gebunden, indem sie sich ihre Anteile am Unternehmen dadurch verdienen, dass sie das Unternehmen über eine gewisse Dauer aufbauen (sog. „echtes Vesting“). Das Vesting kann auch so ausgestaltet sein, dass die Anteile bei vorzeitigem Ausscheiden wieder verloren werden (sog. „Reverse Vesting“). Dabei kann auch nach Gründen für den Ausstieg differenziert werden. Aufgrund der hohen Wirksamkeitsvoraussetzungen und des hohen Streitpotenzials sollte bereits bei der Vereinbarung sorgfältig gearbeitet werden, auch müssen dabei steuerrechtliche Aspekte genau durchdacht werden.
Betriebsrat
Existiert im zu akquirierenden Tech-Unternehmen ein Betriebsrat, stellt sich die Frage, welche Mitbestimmungsrechte bereits ausgeübt wurden oder noch werden könnten. Die gepflegte Kultur und das Ausmaß eines offenen Mitbestimmungstableaus können durchaus beim Kaufpreis relevant werden und sogar zum Dealbreaker werden.
Pre-deal Restrukturierung, z.B. bei Carve-outs
Nicht per se jeder Unternehmenskauf stellt eine Betriebsänderung im Sinne von § 111 BetrVG dar, die einen Interessenausgleich und Sozialplan mit entsprechenden Verhandlungen mit dem Betriebsrat notwendig macht. Gehen mit dem Inhaberwechsel aber etwa größere Entlassungen oder beträchtliche organisatorische Änderungen einher, können dadurch Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates ausgelöst werden. Hierfür müssen die Projektverantwortlichen des Tech Deals jeweils gesonderte Verhandlungsstreams, Kosteneffekte und Zeit gesondert einplanen. Dies gilt insbesondere bei notwenigen vorherigen Carve-Outs.
IT-Mitbestimmung als Verhandlungsfaktor und Deal-breaker
Tech-Unternehmen müssen vor allem eines: Schnell und sicher neue Produkte entwickeln und auf den Markt bringen können. Denn die tollste Idee bringt nichts, wenn Entwicklungen vor der Marktreife an etwaig notwendigen Mitbestimmungsprozessen scheitern. Hierbei kann es je nach Struktur der internen Entwicklungs- und Vertriebskanäle auch dazu kommen, dass ein Betriebsrat vor dem Roll-out von Produkten einbezogen werden muss. Dies gilt insbesondere, wenn Tech-Unternehmen aus großen Einheiten im Wege von Carve-outs „rausgeschnitten“ werden müssen und in bestehende interne Strukturen eingebunden werden müssen. Sind diese Strukturen nicht bereits vor dem Deal auf schnelle Launches und effiziente Beta-Phasen getrimmt, scheitern spätere Roll-outs. Daher sollten sowohl Verkäufer- und Käufer genau prüfen, in welche Strukturen Tech-Unternehmen eingebunden sind und werden. Hierbei ist besonderes Augenmerk auf eine effiziente IT-Mitbestimmung gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG zu legen. Dies sollte bereits innerhalb der Due Diligence genaustens untersucht werden.
Compliance und Datenschutz
Insbesondere in der Start-Up-Szene ist es keine Seltenheit, dass Datenschutz- und Compliance-Bestimmungen nicht ausreichend beachtet werden. Mit Blick auf mögliche Bußgelder und Schadensersatzansprüche sollte dieser Bereich aber nicht stiefmütterlich behandelt werden.
Wesentliche Kernfragen in der Due Diligence
Mit Blick auf diese arbeitsrechtlichen Besonderheiten hat die Käuferseite im Rahmen der Due Diligence besonderes Augenmerk auf die folgenden Aspekte zu legen:
- Wie ist das Knowhow innerhalb des Teams verteilt? Sind die Strukturen im Team anzupassen, um das Schlüsselpersonenrisiko zu minimieren?
- Werden Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates ausgelöst? Welche Kosten sind hierbei zu erwarten? Dabei sind insbesondere zu berücksichtigen: Verhandlungen, Berater, Abfindungen, Umsetzung, Kommunikation, Einigungsstelle und sich anschließende arbeitsgerichtliche Verfahren.
- Wie sind die Arbeitsverträge und Zusatzvereinbarungen der Key Player ausgestaltet?
- Überprüfung von Cybersicherheit, Compliance und Datenschutz. Insbesondere bei jungen Unternehmen sollte hier genau hingesehen werden.
- Ist das zu akquirierende Tech-Unternehmen in eine größere Einheit eingebunden und wie ist dort die IT-Mitbestimmung ausgestaltet?
- Soll das zu akquirierende Tech-Unternehmen in eine größere Einheit eingebunden werden und wie ist dort die IT-Mitbestimmung ausgestaltet?
Gestaltungsmöglichkeiten in der Transaktion
Nach sorgfältiger Analyse des Tech-Unternehmens bestehen mehrere Möglichkeiten, um die besonderen Schwierigkeiten von Tech-Deals aufzulösen:
Bei Bewertungsunsicherheiten bezüglich des Unternehmenswertes hilft man sich zum einen durch Vergleiche mit der Konkurrenz. Eine andere Möglichkeit zur Beilegung der Meinungsverschiedenheiten ist die Vereinbarung sogenannter „Earn-Outs“. Dabei werden Teile des Kaufpreises an den zukünftigen Erfolg des Unternehmens gebunden. Um das Risiko auf mehrere Partner zu verteilen, bieten sich zudem als Alternative zum klassischen Unternehmenskauf Joint-Venture-Modelle an.
Den berechtigten Verkäuferinteressen an der Wahrung der Geschäftsgeheimnisse kann Rechnung getragen werden, indem sog. „Clean Teams“ eingesetzt werden. Diese sind zu besonderer Verschwiegenheit verpflichtet.
Zur Bindung von Mitarbeitern und deren Knowhow können Ergänzungsvereinbarungen geschlossen werden. Die Umsetzung dürfte dabei bezüglich längerer Kündigungsfristen und nachvertraglicher Wettbewerbsverbote zwar nur schwerlich gelingen. Neue Arbeitsverträge sollten jedoch entsprechend angepasst werden. Hinsichtlich Retention-Modelle und „Vesting“-Klauseln sind Zusatzvereinbarungen aber durchaus realistisch.
Stellt sich im Rahmen der Due Diligence heraus, dass die Käuferseite bei Abschluss des Tech-Deals mit deutlichen Mehrkosten wegen Mitbestimmungsrechten zu rechnen hat, kann hierfür zum Ausgleich ein Preisabschlag vereinbart werden.
Fazit
Die aufgezeigten Besonderheiten machen wie so oft deutlich, dass lieber Vorsicht als Nachsicht geboten ist. Durch präzise Begutachtung können Private Equity Unternehmen großen Einfluss auf langfristige Zufriedenheit – auch auf Mitarbeiterseite – mit dem Tech-Deal nehmen.