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Keine Arbeitsleistung im Home-Office – kann Arbeitgeber Gehalt zurückfordern?

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Das Thema Home-Office mit all seinen Vor- und Nachteilen ist hinlänglich bekannt. Ob Arbeitnehmer nun effektiver zu Werke gehen, sich vor der Arbeit drücken oder die Teamkultur leidet – letztlich dürften die Auswirkungen höchst individuell sein. Sowohl verschiedene Arbeitgeber aus der gleichen Branche als auch Arbeitnehmer aus dem selben Betrieb beurteilen dies je nach persönlicher Situation mitunter völlig konträr.

Frei nach dem Motto „hierzu ist bereits alles gesagt, nur nicht von jedem“, wollen wir dieses Fass hier nicht aufmachen. Was aber können Arbeitgeber unternehmen, wenn tatsächlich der worst case eintritt und Arbeitnehmer ihre Arbeitsleistung im Home-Office nicht erbringen?

In einem jüngeren Fall stritten die Parteien um die Rückzahlung der Vergütung wegen nicht erbrachter Arbeitsleistung im Home-Office (LAG Mecklenburg-Vorpommern vom 28.9.2023 – 5 Sa 15/23).

Was war geschehen?

Die Klägerin arbeitete als Pflegemanagerin und leitende Pflegefachkraft in einer Tagespflegeeinrichtung. Wie mit ihrer Arbeitgeberin vereinbart, verbrachte sie in den Monaten Januar bis März (um die es vor Gericht ging) fast die Hälfte ihrer Arbeitszeit im Home-Office. Die Arbeitszeiten erfasste sie dabei jeden Monat eigenständig in einer vorgegebenen Tabelle.

Nachdem die Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis gekündigt hatte, verlangte sie (widerklagend) die Rückzahlung des gezahlten Arbeitsentgeltes für 300,75 Stunden, insgesamt EUR 7.112,75.

Zur Begründung führte die Arbeitgeberin an, dass die Klägerin im Home-Office Arbeitszeiten im Umfang von 300,75 Stunden angegeben habe, ohne hierfür irgendein objektivierbares Arbeitsergebnis oder einen anderen Nachweis vorgelegt zu haben.

Wie entschied das Arbeitsgericht?

Das LAG Mecklenburg-Vorpommern wies die Widerklage der Arbeitgeberin ab.

Der Vergütungsanspruch eines Arbeitnehmers entfalle, soweit er seiner Verpflichtung zur Arbeitsleistung nicht nachkomme. Es sei denn, die Vergütung ist aus anderen Rechtsgründen fortzuzahlen (z.B. Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall). Das entspricht dem Grundsatz: „Ohne Arbeit kein Lohn“.

Die Darlegungs- und Beweislast für die Behauptung, die Arbeitnehmerin habe ihre Arbeitsleistung nicht erbracht, liege jedoch bei der Arbeitgeberin. Nur wenn die Arbeitgeberin hierzu überhaupt einlassungsfähigen Vortrag leiste, obliege es der Arbeitnehmerin, unter Darlegung der konkreten Arbeitsleistung im Einzelnen zu erwidern. Die Arbeitgeberin habe nicht darlegen können, in welchem Umfang die Klägerin ihre Arbeitspflicht im Home-Office nicht erfüllt habe.

Die Arbeitnehmerin legte im Verfahren E-Mails vor, die die Übersendung von überarbeiteten Dokumenten im Zusammenhang mit einem von ihr erstellten Konzept beinhalten sollten. Sie verwies auf weitere Tätigkeiten, die sie im Home-Office geleistet habe. Die Erstellung des Konzepts belegte sie nicht.

Hieraus ergebe sich laut Auffassung des Gerichts, dass im Home-Office jedenfalls verschiedene Arbeitsleistungen erbracht worden seien. Soweit den E-Mails Anlagen beigefügt waren, ließen diese zumindest auf gewisse vorangegangene Arbeitsleistungen schließen.

Unerheblich sei, ob die Klägerin die Arbeiten in der gewünschten Zeit oder in dem gewünschten Umfang erledigt habe. Ein Arbeitnehmer genüge seiner Leistungspflicht, wenn er unter angemessener Ausschöpfung seiner persönlichen Leistungsfähigkeit arbeite. Die nicht vollständige Erledigung einer einzelnen (wenn auch wichtigen) Arbeitsaufgabe durch die Klägerin ändere an diesem Maßstab nichts. Getreu der Losung, dass der Arbeitnehmer nur das tun muss, was er tun soll, und zwar nur so gut wie er kann.

Was sind die wesentlichen Erkenntnisse des Urteils?

Für den Bereich des Home-Offices lag zur Nichtarbeit bislang keine obergerichtliche Entscheidung vor. Das LAG Mecklenburg-Vorpommern hat das Rad aber nicht neu erfunden. Im Kern ist lediglich (erneut) bestätigt worden, dass die Spielregeln des Arbeitsrechts auch bei der Arbeit im Home-Office gelten.

Die Darlegungs- und Beweislast bei Zweifeln an der Erfüllung der Arbeitspflicht trägt für die Arbeit im Betrieb nach gefestigter Rechtsprechung der Arbeitgeber – jedenfalls sofern feststeht, dass der Arbeitnehmer überhaupt tätig geworden ist. Das LAG überträgt die Maßstäbe zur Darlegungs- und Beweislast zur Nichtarbeit im Betrieb 1:1 auf die Arbeit im Home-Office.

Es wäre natürlich wünschenswert gewesen, das LAG hätte sich mit der Frage befasst, wie der Arbeitgeber bei Arbeit im Home-Office zum Erkenntnisgewinn der Nichtleistung von Arbeit gelangen soll. Trifft der Arbeitgeber seine Mitarbeiter nicht gerade in einer privaten Situation an, kann sich der Arbeitgeber nur auf die Ehrlichkeit bei der Dokumentation der Arbeitszeit verlassen. Mit dieser Erkenntnis hätte das LAG die Messlatte für die Darlegungslast des Arbeitgebers während der Arbeit im Home-Office durchaus tiefer hängen können. Hier bliebe eine Entscheidung des BAG abzuwarten (das LAG hat die Revision allerdings nicht zugelassen).

Wie sollten sich Arbeitgeber verhalten?

Sofern der Verdacht besteht, Arbeitnehmer erbringen ihre Arbeitsleistungen während der Home-Offices nicht oder nur eingeschränkt, sind Arbeitgeber nicht schutzlos.

Arbeitgeber sollten folgende Empfehlungen berücksichtigen:

  • Klare Anweisungen zu Art und Umfang der Tätigkeiten
    Es ist (natürlich) vom Weisungsrecht des Arbeitgebers gedeckt, seinen Arbeitnehmern dezidierte Arbeitsanweisungen zu erteilen. Mit der Kontrolle der Ergebnisse kann festgestellt werden, ob die Arbeit tatsächlich erbracht worden ist.
    Wichtig ist dabei, realistische Ziele auszugeben und ggf. Vergleichswerte anderer Mitarbeiter parat zu haben.
  • Arbeitsrechtliche Konsequenzen
    Bei Nichteinhaltung der Vorgaben kann eine Abmahnung ausgesprochen werden. Im worst case kann eine personen- oder verhaltensbedingte Kündigung angezeigt sein. Hier unterscheidet sich die Behandlung des Low-Performers im Home-Office nicht von der Behandlung quantitativ minderwertiger Arbeitsleistungen bei Präsenzarbeit.Es spricht nichts dagegen, einen ausgewiesenen Low-Performer engmaschiger zu kontrollieren als seine Kollegen. Die Hürden für eine rechtmäßige unterschiedliche Behandlung aller Arbeitnehmer sind hier gering.
  • Übertragung der Darlegungslast auf den Arbeitnehmer
    Erfüllt der Arbeitnehmer die konkreten Arbeitsanweisungen nicht, dürfte von den Gerichten vom Arbeitnehmer ein substantiierter Vortrag verlangt werden, warum er trotzdem ausreichend gearbeitet haben will.
    Die vom LAG Mecklenburg-Vorpommern aufgestellten Grundsätzen verschieben sich auf diese Weise zugunsten des Arbeitgebers.
  • Einbehalt oder Rückforderung der Vergütung
    Nach dem Prinzip „kein Lohn ohne Arbeit“ kann der Arbeitgeber bei Nichtleistung auch den Lohn einbehalten oder zurückfordern. Hierbei sind sowohl arbeits- und tarifvertragliche Regelungen als auch Pfändungsfreigrenzen und ggf. der rechtmäßige Verbrauch des Lohns zur Lebensführung zu berücksichtigen.
  • Rückruf an den betrieblichen Arbeitsplatz
    Diese Option sollte Bestandteil jeder Home-Office-Vereinbarung und/oder Betriebsvereinbarung sein.Hierbei ist zu beachten, dass ein anlassloser Rückruf unwirksam sein kann. Arbeitsvertragliche Regelungen, die Arbeitgebern das uneingeschränkte Recht zum Rückruf zubilligen, dürften ebenfalls nicht durchsetzbar sein.An dieser Stelle gilt wie so oft: Eine sauber formulierte Vereinbarung erspart Bauchschmerzen für den „Fall der Fälle“.
  • Kontrolle des Mitarbeiters
    Im Verdachtsfall können auch Mitarbeiterkontrollen – z.B. mithilfe der IT – möglich sein.Diese dürfen aus datenschutzrechtlicher Sicht nicht anlasslos ins Blaue erfolgen. Voraussetzung ist regelmäßig der Anfangsverdacht einer Straftat oder einer erheblichen Vertragspflichtverletzung. Dazu gehört z.B. auch der Arbeitszeitbetrug durch falsche Angaben im Rahmen der Zeiterfassung (oder der Aufnahme einer Konkurrenztätigkeit während der Arbeitszeit).Nicht ausreichend ist die allgemeine Mutmaßung, es könnten Straftaten oder Vertragsverletzungen begangen werden. Ein „dringender“ Tatverdacht (der einen hohen Grad von Wahrscheinlichkeit für die Begehung von Straftaten voraussetzt) ist ebenfalls nicht erforderlich.Generell gilt hier: „Datenschutz ist kein Täterschutz“, so dass in der Regel auch bei datenschutzrechtlich unrechtmäßiger Überwachung, die gewonnenen Erkenntnisse dennoch als Beweismittel im Arbeitsgerichtsprozess verwendet werden können.

Tobias Vößing

Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Senior Associate
Tobias Vößing berät deutsche wie internationale Unternehmen und Führungskräfte in allen Fragen des Arbeitsrechts. Schwerpunkte bilden Arbeitsgerichtsprozesse und Vertragsgestaltungen sowie Fragen des Arbeitnehmerdatenschutzes. Außerdem unterstützt er seine Mandantschaft bei Kündigungsschutzverfahren, Umstrukturierungen und Outsourcing-Projekten.
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