Das Arbeitszeugnis soll dem beruflichen Fortkommen dienen. Verschlüsselte Geheimzeichen mit versteckten negativen Beurteilungen sind unzulässig. Gleichwohl hat sich eine hochgradig verklausulierte Zeugnissprache entwickelt. Dass insoweit nicht nur Fragen der Leistungs- und Verhaltensbewertung, sondern auch die Unterschrift des Zeugnis-Ausstellers Anlass für kuriose Rechtsstreite bieten kann, zeigt eine aktuelle Entscheidung des LAG Hamm (Beschluss vom 27.7.2016 – 4 Ta 118/16).
Wenn die Unterschrift zum Zankapfel wird
Jedes Zeugnis muss mit der eigenhändigen Unterschrift des Arbeitgebers oder eines für ihn handelnden Vertreters schließen. Zudem darf das Zeugnis nach § 109 Abs. 2 Satz 2 Gewerbeordnung (GewO) keine Merkmale oder Formulierungen enthalten, die den Zweck haben, eine andere als aus der äußeren Form oder aus dem Wortlaut ersichtliche Aussage über den Mitarbeiter zu treffen. Weicht eine Unterschrift signifikant von der allgemein üblichen Gestaltung ab, kann sie daher zum Zankapfel werden.
In dem vom LAG Hamm entschiedenen Fall hatte der Geschäftsführer das Zeugnis zunächst in einer Art „Kinderschrift“ unterzeichnet. Diese wich derart deutlich von seiner üblichen Unterschrift ab, dass das Gericht hierin keine ordnungsgemäße Unterschrift erkennen konnte. Denn die Identität des Ausstellers sei nicht erkennbar und die Echtheit der Unterschrift damit nicht gewährleistet. Die Erklärung des Geschäftsführers, ein Schlüsselbeinbruch habe ihn an der üblichen Art und Weise der Unterschriftsleistung gehindert, ließ das Gericht nicht gelten.
Nachdem die Mitarbeiterin insoweit bereits ein Zwangsgeld in Höhe von 1.000,00 EUR erwirkt hatte, wurde ihr eine Zeugnisausfertigung mit der üblichen Unterschrift des Geschäftsführers erteilt. Diesmal allerdings mit einer „schrägen“ Unterschrift, die diagonal zum Zeugnistext in einem 30°-Winkel von links oben nach rechts unten verlief und den darunter befindlichen Firmennamen kreuzte. Auch diese Unterschrift fiel beim LAG Hamm durch. Denn das Unternehmen konnte nicht darlegen, dass der Geschäftsführer sonst auf Urkunden diagonal unterschreibt. Eine derartige Form der Unterschriftsleistung sei im Rechtsverkehr auch völlig unüblich. Ein Zeugnisleser werde dies auf den ersten Blick feststellen und sich veranlasst sehen, sich über den Grund einer derartigen Unterschriftsleistung Gedanken zu machen. Naheliegend sei, der Unterzeichner wolle sich unter Verstoß gegen § 109 Abs. 2 Satz 2 GewO von dem Zeugnis distanzieren. Jedenfalls begründe diese Art der Unterschrift erhebliche Zweifel an der Ernsthaftigkeit des Zeugnistextes und entwerte diesen vollständig.
Lachende und traurige Smileys
Der Beschluss des LAG Hamm fügt sich in eine Reihe neuerer Entscheidungen zu Geheimcodes in Arbeitszeugnissen ein. So musste das Arbeitsgericht Kiel (Urteil vom 18.4.2013 – 5 Ca 80 b/13) ebenfalls über eine Korrektur der Zeugnis-Unterschrift befinden. Denn der erste Buchstabe des Namenszuges enthielt einen Smiley mit heruntergezogenen Mundwinkeln. Dies erwecke einen negativen Eindruck beim Zeugnisleser und sei damit ein unzulässiges Geheimzeichen, urteilte das Gericht. Kurios: Der Arbeitgeber wurde dazu verurteilt, seine Unterschrift mit einem „Smiley mit einem lachenden Gesicht“ zu versehen. Denn der Unterzeichner hatte sich in dem Rechtsstreit selbst darauf berufen, dass er die meisten Dokumente – beispielsweise seinen Personalausweis – in dieser Form unterschreibt. Gleiches musste dann auch für die Unterzeichnung des Zeugnisses gelten.
Fehlendes Leerzeichen ist kein Geheimcode
Beinhalten Arbeitszeugnisse Schreibfehler, sind diese zu berichtigen, sofern sie negative Folgen für die Mitarbeiter haben können. Kein Korrekturanspruch besteht hingegen, wenn zwischen maschinell geschriebenem Nachnamen und Klammerzusatz mit der Position des Unterzeichners ein Leerzeichen fehlt. Mit einem entsprechenden Berichtigungsbegehren scheiterte zuletzt eine Arbeitnehmerin vor dem LAG Schleswig-Holstein (Beschluss vom 23.6.2016 – 1 Ta 68/16). Nach Ansicht des Gerichts sei darin kein verbotenes Geheimzeichen zu erblicken, weil durch das fehlende Leerzeichen keine Distanzierung vom sonstigen Inhalt des Zeugnisses erfolge.
Welche Aussagekraft haben „Übersetzungslisten“?
In arbeitsrechtlicher Literatur sowie im Internet kursieren diverse „Übersetzungslisten“ zu Geheimcodes in Arbeitszeugnissen. Darin werden positiv klingende Zeugnisformulierungen ihren vermeintlich wahren (negativen) Bedeutungen gegenübergestellt. Teilweise werden die Formulierungsbeispiele mit arbeitsgerichtlichen Entscheidungen belegt. Derartige Listen sind allerdings mit Vorsicht zu genießen.
Denn ob Formulierungen unzulässigen Geheimcode enthalten, sei nicht isoliert mit Hilfe von Übersetzungslisten, sondern anhand des Gesamtzusammenhangs im Zeugnis zu ermitteln, so das BAG (Urteil vom 15.11.2011 – 9 AZR 386/10). Im zugrundeliegenden Fall enthielt das Zeugnis eine Formulierung, wonach der Arbeitgeber den Mitarbeiter als interessiert und hochmotiviert „kennen gelernt“ hatte. In dieser Formulierung konnte das BAG keine abwertende oder distanzierende Beurteilung erkennen. Jedenfalls ergebe sich aus einer Betrachtung des Zeugnisses als einheitliches Ganzes, dass der Mitarbeiter nicht nur in der Phase des Kennenlernens, sondern bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses stets gute Leistungen erbrachte.
Anspruch auf ein „gutes“ Zeugnis?
Haben Mitarbeiter lediglich durchschnittliche oder unterdurchschnittliche Leistungen erbracht, kann dies ohne Rückgriff auf Geheimcodes mithilfe der üblichen Zufriedenheitsskala im Zeugnis zum Ausdruck gebracht werden. Ein Anspruch auf ein „gutes“ Zeugnis besteht grundsätzlich nicht.
Für eine überdurchschnittliche Bewertung müssen Arbeitnehmer Tatsachen darlegen und beweisen können, die eine „gute“ oder „sehr gute“ Beurteilung rechtfertigen. Dies hat das BAG zuletzt erneut festgestellt (Urteil vom 18.11.2014 – 9 AZR 584/13) und damit seine bisherige Rechtsprechung bestätigt. Selbst wenn es in der Praxis inzwischen eine Tendenz zur Erteilung von Gefälligkeitszeugnissen (und eine entsprechende Noteninflation) geben sollte, sind Unternehmen nicht verpflichtet, sich dieser Übung unter Verstoß gegen den Grundsatz der Zeugniswahrheit anzuschließen. Stattdessen können Arbeitgeber von ihrem Beurteilungsspielraum Gebrauch machen und eine durchschnittliche Leistung auch als solche bewerten.