Am 2. November 2016 hat das Bundeskabinett einen Entwurf zur Neuregelung der Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV) beschlossen. Nach der grundlegenden Neuordnung der ArbStättV von 2004 will der Verordnungsgeber nun auf die Entwicklungen in der Technik reagieren. „Knackpunkt“ ist dabei die Fusion mit der Bildschirmarbeitsverordnung (BildschArbV). Wir geben einen Überblick über die Neuregelungen und bewerten: Passt die Vorstellung des Gesetzgebers vom Arbeitsschutz zu einer immer flexibleren und digitalisierten Arbeitswelt?
Ziele der Neuregelung
Hauptziel der Novellierung ist die Vereinheitlichung der arbeitsschutzrechtlichen Anforderungen aus ArbStättV und BildscharbV sowie die Harmonisierung mit geltendem (europäischem) Recht. Der Gesetzgeber beabsichtigt zudem die „Beseitigung von Unklarheiten in der Praxis“.
Positiv zu bewerten ist zunächst die begriffliche und konzeptionelle Vereinheitlichung im Zuge der Neuregelung. Bisherige Unklarheiten bei der Rechtsanwendung werden durch die teilweise Klarstellung von Definitionen beseitigt. Das betrifft z.B. die Streichung der zeitlichen Komponente bei der Definition eines Arbeitsplatzes oder den Einbezug von psychischen Komponenten in den Gesundheitsschutz.
Darüber hinaus wurden jedoch bestimmte Bereiche umfassend neu gestaltet. Praxisrelevant ist hier insbesondere die Gefährdungsbeurteilung für Home-Office-Arbeitsplätze.
Die Neuregelungen im Detail
Eine Auflistung sämtlicher Änderungen würde den Rahmen dieses Blogbeitrages sprengen. Wir beschränken uns daher auf eine Liste der für die Praxis prima facie wesentlichsten Neuregelungen
Zusammenfassung der Arbeitsschutzverordnungen
Durch die Vereinheitlichung von ArbStättV und BildschArbV sind nun nicht mehr nur Tätigkeiten am namensgebenden Bildschirm, sondern allgemein im Umgang mit allen hiermit verbundenen Computerteilen, wie etwa Rechnern und Einrichtungen zur Datenein- und –ausgabe, von den Arbeitsschutzvorschriften erfasst.
Inspizierung und Beurteilung von Telearbeitsplätzen
Neu ist die Pflicht zur Durchführung einer Gefährdungsbeurteilung bei der erstmaligen Errichtung eines Telearbeitsplatzes. Die ArbstättV bietet nunmehr eine Definition des Telearbeitsplatzes:
Telearbeitsplätze sind vom Arbeitgeber fest eingerichtete Bildschirmarbeitsplätze im Privatbereich der Beschäftigten, für die der Arbeitgeber eine mit den Beschäftigten vereinbarte wöchentliche Arbeitszeit und die Dauer der Einrichtung festgelegt hat. Ein Telearbeitsplatz ist vom Arbeitgeber erst dann eingerichtet, wenn Arbeitgeber und Beschäftigte die Bedingungen der Telearbeit arbeitsvertraglich oder im Rahmen einer Vereinbarung festgelegt haben und die benötigte Ausstattung des Telearbeitsplatzes mit Mobiliar, Arbeitsmitteln einschließlich der Kommunikationseinrichtungen durch den Arbeitgeber oder eine von ihm beauftragte Person im Privatbereich des Beschäftigten bereitgestellt und installiert ist.
Der Verordnungsgeber formuliert hierzu etwas apologetisch:
Da der Arbeitgeber prinzipiell eine gesetzliche Fürsorgepflicht und Verantwortung für die Sicherheit und die Gesundheit seiner Mitarbeiter hat, sind auch für ausgelagerte Telearbeitsplätze im Privatbereich klare Regelungen erforderlich. (…) Der Arbeitgeber hat aber nur begrenzte Rechte und Möglichkeiten, die Arbeitsumgebung im Privatbereich zu beeinflussen.
Nicht berücksichtigt hat der Verordnungsgeber trotz der anerkannten „begrenzten Rechte und Möglichkeiten“ das praktische Bedürfnis an einem Zutrittsrecht des Arbeitgebers zu den Privaträumen des Arbeitnehmers, wohl aus verfassungsrechtlichen Bedenken. Ein Zutrittsrecht ist praktisch erforderlich, will der Arbeitgeber die Einhaltung der arbeitsschutzrechtlichen Vorschriften seriös kontrollieren können.
Laut Begründung sollen Arbeitnehmer und Arbeitgeber hierüber eine einvernehmliche Regelung treffen. Es ist also auch unter dem Gesichtspunkt des Arbeitsschutzes in Zukunft besondere Sorgfalt auf die ordnungsgemäße Gestaltung von Home Office-Vereinbarungen zu legen.
Eine Beurteilung des Telearbeitsplatzes ist unter der neuen ArbStättV erforderlich, soweit der Arbeitsplatz von dem im Betrieb abweicht. Hier ist aber nicht erforderlich, dass die Arbeitsbedingungen am Bildschirmarbeitsplatz zuhause exakt den Bedingungen im Betrieb entsprechen. Der Arbeitgeber darf die Eigenart von Telearbeitsplätzen – namentlich das Arbeiten in Privaträumen – berücksichtigen. Der Telearbeitsplatz muss (Nr. 6 des Anhangs) lediglich sicher und geeignet für die Art der Tätigkeit (Bildschirmarbeit) sein; die Gesundheit der Beschäftigten darf nicht gefährdet werden.
Eine weitergehende Kontrolle der Sanitärräume, der Fluchtwege, etc. muss nicht vorgenommen werden. Auch ist keine wiederholte Kontrolle des Home Office-Arbeitsplatzes erforderlich.
Neudefinition des Arbeitsplatzes
Wichtig für die Praxis ist schließlich: beruflich bedingte „mobile Arbeit“, also die typischen Fälle der ortsungebundenen Arbeit mit dem Laptop im Zug o.Ä., sind nicht vom Anwendungsbereich erfasst.
Bisher galt als Arbeitsplatz im Sinne der ArbStättV lediglich eine Arbeitsstätte, an der sich der Arbeitnehmer zwei Stunden täglich oder mindestens an 30 Tagen pro Jahr führ seine Tätigkeit aufhielt. Mit der Novellierung der ArbStättV entfällt diese zeitliche Komponente vollständig.
Dies betrifft insbesondere Arbeitsplätze auf Baustellen und ähnliche wechselnde Arbeitsorte. Soweit jedoch Arbeitsstättenregeln die alte Arbeitsplatzdefinition mit der zeitlichen Einschränkung verwenden, gelten diese übergangsweise solange fort, bis sie vom Ausschuss für Arbeitsstätten überprüft und gegebenenfalls angepasst wurden.
Vertiefungshinweis:
Mehr zur Ausgestaltung von Home Office-Vereinbarungen lesen Sie im Beitrag von Klimburg, Homeoffice: Fallstricke vermeiden!, bereits erschienen auf diesem Blog.
Alles schön und gut, für wichtige konkrete Fragen gibt die ASR aber keine Hinweise, da sind wieder Sie gefragt (ein Anwalt). Z.B. die Frage, ob die Tätigkeit im Außendienst unter das Thema Telearbeit fällt. I.d.R. ist ja ein „ein Bürotag“ in der Woche notwendig und der wird ja i.d.R. zu Hause geleistet. Ist dafür jetzt eine Vereinbarung für Telearbeitsplätze notwendig oder nicht?
Sehr geehrter Herr Ingwers,
vielen Dank für Ihre Nachfrage zu unserem Blog-Beitrag. Die ArbeitsstättenVO definiert den Telearbeitsplatz sehr eng und verlangt, dass hierfür eine Ausstattung des Arbeitsplatzes durch den Arbeitgeber erfolgt. Ist das nicht so, liegt keine Telearbeit im Sinne der Verordnung vor. Das von Ihnen genannte Beispiel des Außendienstlers (ohne „echtes“ eigenes Home Office) dürfte daher regelmäßig auch nicht unter die ArbeitsstättenVO zu fassen sein – jedenfalls, wenn man den Verordnungsgeber beim Wort nimmt. Ob das das letzte Wort zum Thema ist, bleibt abzuwarten, da insbesondere die europäischen Rahmenregelungen zum Arbeitsschutz eine etwas andere Stoßrichtung haben.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr Team von Arbeitsrecht. Weltweit.