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Kosteneinsparung durch Desk-Sharing – mit oder ohne Betriebsrat?

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Der erste Schnee ist gefallen. Die Weihnachtsmärkte eröffnen. Dennoch ist die Vorweihnachtszeit für viele Unternehmen auch dieses Jahr alles andere als besinnlich. Denn aufgrund exorbitant steigender Heiz- und Energiepreise müssen viele Arbeitgeber überlegen, wie sie noch schnell – quasi über Nacht – die laufenden Betriebskosten senken können. Schnell steht das Einsparpotential fest: Statt die gesamte Bürofläche soll nur noch ein Teil beheizt und beleuchtet werden, die Arbeitnehmer sollen sich – dank Home-Office – Arbeitsplätze teilen, wenn sie im Büro sind. Das Unternehmen verkündet also die Einführung von „Desk-Sharing“. Aber: Können Arbeitgeber Desk-Sharing überhaupt ohne den Betriebsrat einführen?

Hintergrund und Fragestellung  

Arbeitgeber trifft die Energiekrise ebenso wie Verbraucher, sodass kurzfristig nach Einsparmöglichkeiten gesucht wird. Die Reduzierung der Mietzahlungen scheidet regelmäßig wegen langer Kündigungsfristen bei Gewerbemietverträgen aus. Einsparpotenzial besteht bei den Energiekosten, wenn nicht die gesamte Bürofläche beheizt und beleuchtet wird. Umsetzbar ist diese Möglichkeit durch die Einführung von Desk-Sharing. Das bedeutet, Arbeitgeber reduzieren die bestehenden Büroarbeitsplätze und die Mitarbeiter müssen sich täglich vor Arbeitsbeginn einen neuen freien Schreibtisch suchen. Einen eigenen, also fest zugeordneten Schreibtisch gibt es dann nicht mehr. Voraussetzung für Desk-Sharing ist, dass Mitarbeiter auch aus dem Home-Office arbeiten dürfen und können. Für Arbeitgeber stellt sich die Frage, ob sie das neue Arbeitskonzept einfach einführen können oder den Betriebsrat beteiligen müssen. Die Antwort lesen Sie in diesem Blogbeitrag.

Wie kann ein Desk-Sharing-Konzept aussehen?

Für Desk-Sharing gibt es verschiedene Gestaltungsmöglichkeiten. Typischerweise reduziert der Arbeitgeber die Büroarbeitsplätze, sodass beispielsweise auf 100 Mitarbeiter nur noch 80 Schreibtische kommen. Flankiert wird diese Maßnahme nicht selten mit einem Umbau und neuen Büromöbeln. Damit Desk-Sharing funktioniert, müssen Mitarbeiter auch von zu Hause arbeiten können, sodass es einer Betriebsvereinbarung zum Mobilen Arbeiten bedarf. Daneben ist es wichtig, dass die Mitarbeiter nach Arbeitsende den Schreibtisch wieder aufräumen und ihre persönlichen Gegenstände nicht auf dem Schreibtisch stehen lassen. Arbeitgeber stellen regelmäßig abschließbare Schränke bereit, in denen die persönlichen Gegenstände nach Arbeitsende verstaut werden. Die Organisation von Desk-Sharing kann auch mit der Einführung einer Reservierungs- oder Belegungs-App für freie Arbeitsplätze verbunden werden. Verkünden Arbeitgeber die Einführung dieser neuen Arbeitsmethode, ruft das regelmäßig den Betriebsrat auf den Plan, der beteiligt werden möchte. Die Frage lautet, in welchem Umfang?

Desk-Sharing als Betriebsänderung?

Das Stichwort „neue Arbeitsmethode“ führt zu einem ersten Beteiligungsrecht, dass in den § 111 BetrVG geregelt ist. Dass Desk-Sharing eine Form der Betriebsänderung sein kann, ist nicht von vornherein ausgeschlossen. Hier kommt es maßgeblich auf die Ausgestaltung an. In einem Beschluss des Arbeitsgerichts Frankfurt aus dem Jahr 2003 (Beschluss, vom 8. Januar 2003 – 2 BVGa 587/02) stellte es fest, dem Betriebsrat stehe ein Unterlassungsanspruch gegen die Einführung von Desk-Sharing zu, solange keine ordnungsgemäße Betriebsratsbeteiligung erfolgte. Diese Entscheidung kann jedoch nicht verallgemeinert werden, denn das Arbeitsgericht Frankfurt entschied im Eilrechtsschutz. Es erfolgte lediglich eine summarische und damit überschlägige Prüfung. Das Bundesarbeitsgericht entschied diese Frage noch nicht konkret. Es äußerte sich aber am Rande einer Entscheidung zu Desk-Sharing (Beschluss vom 17. November 2021 – 7 ABR 18/20) und stellte klar, dass sich die Arbeitsaufgabe durch Desk-Sharing nicht so verändere und nicht als eine „andere“ Aufgabe anzusehen ist. Dies ist ein gewichtiges Argument gegen eine Betriebsänderung. Ebenfalls gegen eine Betriebsänderung spricht das Argument, dass aus dem Wegfall des persönlichen Schreibtisches kein wesentlicher Nachteil im Sinne des § 111 BetrVG resultiert. Denn allein die Tatsache, dass sich Mitarbeiter jeden Morgen einen neuen Arbeitsplatz suchen müssen, ist kein wesentlicher Nachteil. Daher dürfte die Einführung von Desk-Sharing keine Betriebsänderung darstellen und eine Betriebsratsbeteiligung nach § 111 S. 3 BetrVG ausscheiden.

Desk-Sharing als Versetzung?

Da die Mitarbeiter jeden Morgen einen neuen Arbeitsplatz suchen müssen, könnte ein Betriebsrat auf die Idee kommen, dass es sich um eine mitbestimmungspflichtige Versetzung handelt. Eine solche Auffassung überzeugt nicht, obwohl das Beteiligungsrecht bei einer räumlichen Veränderung bestehen kann. Aber das Gesamtbild der Tätigkeit verändert sich durch die Suche nach einem freien Schreibtisch nicht. Die Tätigkeit und der Ort bleiben unverändert, nur die Schreibtischnutzung ist nicht mehr exklusiv. Damit liegt keine Versetzung im betriebsverfassungsrechtlichen Sinne vor und eine Betriebsratsbeteiligung scheidet aus.

Grundsätzlich keine Mitbestimmungsrechte nach § 87 BetrVG 

Spannend ist die Frage, ob Arbeitgeber Betriebsräte nach § 87 Abs. 1 BetrVG bei der Einführung von Desk-Sharing zu beteiligen haben. Je nach Gestaltung des Desk-Sharing-Konzepts scheiden Mitbestimmungsrechte aber auch nach § 87 Abs. 1 BetrVG aus.

Zunächst besteht kein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG. Die Einführung von Desk-Sharing ist eine unternehmerische Entscheidung und regelt die Benutzung der Betriebsmittel. Damit konkretisiert Desk-Sharing die Arbeitspflicht und unterfällt dem mitbestimmungsfreien Arbeitsverhalten. Wird auf die Reglementierung zu privaten Gegenständen verzichtet, bleibt es beim mitbestimmungsfreien Arbeitsverhalten. Ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 kann dann bestehen, wenn mit der Einführung von Desk-Sharing eine App (Buchungs- oder Belegungs-Tool) verbunden ist und mit dieser App auch die Leistung und das Verhalten der Mitarbeiter kontrolliert werden könnte.   Ist dies jedoch technisch ausgeschlossen, fällt auch dieses Mitbestimmungsrecht weg.

Nicht von vornherein ausgeschlossen ist außerdem die Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG. Der Betriebsrat hat dann mitzubestimmen, wenn Regelungen über die Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten sowie über den Gesundheitsschutz getroffen werden sollen. Das heißt, wenn die Einführung von Desk-Sharing beispielsweise der Verhütung von Arbeitsunfällen dient, hat der Betriebsrat mitzubestimmen. Da die Einführung von Desk-Sharing Energiekosten einsparen soll, dient die Maßnahme jedoch nicht dem Gesundheitsschutz, sodass eine Mitbestimmung ausscheidet. Erst über einen weiteren Zwischenschritt könnte die Mitbestimmung eröffnet sein. Dies setzt eine Gefährdungsbeurteilung, bei der Gesundheitsrisiken festgestellt wurden, voraus. Erst dann hat der Betriebsrat bei der Reduzierung und Prävention mitzubestimmen.

Unterrichtungs- und Beratungsrechte bestehen

Grundsätzlich hat der Arbeitgeber den Betriebsrat über die Einführung von Desk-Sharing nach § 90 BetrVG zu unterrichten und mit dem Betriebsrat zu beraten. Dieses Beteiligungsrecht stellt sicher, dass der Betriebsrat eigene Vorstellungen und aus seiner Sicht sinnvolle Änderungen einbringen und diese mit dem Arbeitgeber besprechen kann. Um das vom Gesetz vorgegebene Ziel zu erreichen, hat die Information vor dem Abschluss der Planungen zu erfolgen. Damit ist Desk-Sharing zwar nicht über Nacht, aber dennoch kurzfristig einführbar.

Fazit

Damit steht grundsätzlich einer schnellen Einführung von Desk-Sharing – zumindest aus betriebsverfassungsrechtlicher Sicht – nichts entgegen. Arbeitgeber haben bei einer optimalen Ausgestaltung den Betriebsrat lediglich zu informieren. Somit können Arbeitgeber Desk-Sharing zügig einführen und damit Heiz- und Energiekosten einsparen.

KLIEMT.Arbeitsrecht




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