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Laufende Rente oder Kapital? Das ist hier die Frage!

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Neues aus Erfurt zur betrieblichen Altersversorgung: Wirksamkeitshindernisse bei vertraglichen Vorbehalten zur Ersetzung einer zugesagten Rente durch eine Kapitalzahlung

Wenn von betrieblicher Altersversorgung die Rede ist, denken viele spontan an die klassische Betriebsrente, die monatlich bis ans Lebensende gezahlt wird. Dies kommt nicht von ungefähr: Über Jahrzehnte war die Zusage einer laufenden Rente der Standard in vielen betrieblichen Versorgungssystemen. Die steigende Lebenserwartung und das langjährige Niedrigzinsumfeld haben allerdings laufende Rentenzahlungen für Unternehmen zu einem schwer kalkulierbaren Kostenpunkt gemacht. Immer häufiger sehen neuere Versorgungsordnungen daher primär Kapitalzahlungen vor. Teilweise finden sich auch vertragliche Zusagen, in denen sich der Arbeitgeber vorbehält, statt der eigentlich zugesagten laufenden Rente im Leistungsfall eine einmalige Kapitalzahlung zu erbringen. Mit der Wirksamkeit eines solchen Vorbehalts hatte sich das BAG in einer neueren Entscheidung (Urteil vom 17.Januar 2023 – 3 AZR 220/22) zu befassen. Bringt dieses Urteil nun Rechtssicherheit für die Gestaltung von Versorgungszusagen?

Worum ging es?

In dem vom BAG entschiedenen Fall hatte der Arbeitgeber einer Arbeitnehmerin Leistungen der betrieblichen Altersversorgung über eine Unterstützungskasse zugesagt. Der Leistungsplan der Unterstützungskasse enthielt bezüglich der Art und Höhe der Versorgungsleistung folgende Bestimmung: „Die Versorgungskasse behält sich vor, anstelle einer laufenden Rente eine einmalige Kapitalabfindung in Höhe der 10-fachen Jahresrente zu zahlen.“ Bei dem Leistungsplan, der Inhalt der Versorgungszusage des Arbeitgebers war, handelte es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) im Sinne der §§ 305 ff. BGB.

Nachdem die Arbeitnehmerin die Auszahlung ihrer betrieblichen Altersrente beantragt hatte, teilte ihr der Arbeitgeber mit, dass er beabsichtige, ihren Versorgungsanspruch durch die Zahlung der zehnfachen Jahresrente abzugelten. Der entsprechende Kapitalbetrag war allerdings niedriger als der versicherungsmathematische Barwert der monatlichen Altersrente. Trotz Einwände der Arbeitnehmerin zahlte der Arbeitgeber den angekündigten Kapitalbetrag aus. Die Arbeitnehmerin überwies den Betrag umgehend zurück und bestand auf die Zahlung der laufenden Rente. Daraufhin klagte der Arbeitgeber auf Feststellung, dass er den Versorgungsanspruch der beklagten Arbeitnehmerin mit der geleisteten Kapitalzahlung erfüllt habe. Er blieb allerdings in allen drei Instanzen erfolglos.

Das BAG ging ebenso wie das LAG Düsseldorf in der Vorinstanz davon aus, dass der vereinbarte Vorbehalt, anstelle einer laufenden Rente eine einmalige Kapitalzahlung zu erbringen, AGB-rechtswidrig und damit unwirksam war.

Wahlschuld oder Ersetzungsbefugnis?

Die Erfurter Richter setzten sich dabei zunächst mit der Frage auseinander, ob es sich bei dem im Leistungsplan enthaltenen Vorbehalt um eine Wahlschuld im Sinne von § 262 BGB oder eine Ersetzungsbefugnis handelt. Warum war diese Unterscheidung von Bedeutung? Sie stellte die Weichen für den Maßstab der AGB-Kontrolle: Ist eine echte Wahlschuld vereinbart, handelt es sich um ein Hauptleistungsversprechen, das nur einer eingeschränkten AGB-Kontrolle nach § 307 Abs. 1 S. 2 BGB unterliegt. Kennzeichnend für eine Wahlschuld ist, dass die geschuldete Leistung bis zur Ausübung des Wahlrechts noch nicht feststeht, sondern lediglich bestimmbar ist. Im Falle einer Ersetzungsbefugnis steht hingegen die geschuldete Leistung von vornherein fest. Mit Ausübung der Ersetzungsbefugnis ändert sich jedoch nachträglich der Inhalt der Leistungspflicht. Ein Ersetzungsvorbehalt unterliegt der uneingeschränkten Inhaltskontrolle nach den §§ 307 ff. BGB.

Unzumutbarkeit der Ersetzungsbefugnis

Das BAG ging nach Auslegung der Klausel im Leistungsplan davon aus, dass es sich um eine Ersetzungsbefugnis handelte und prüfte diese sodann am Maßstab des § 308 Nr. 4 BGB. Danach ist in AGB die Vereinbarung eines Rechts des Verwenders (hier also des Arbeitgebers), die versprochene Leistung zu ändern oder von ihr abzuweichen, unwirksam, wenn die Vereinbarung unter Berücksichtigung der Interessen des Verwenders für den anderen Vertragsteil (hier also der Arbeitnehmerin) unzumutbar ist. Eine solche Unzumutbarkeit nahm das BAG hinsichtlich der im Leistungsplan vorbehaltenen Ersetzungsbefugnis an.

Dies begründete das BAG im Wesentlichen damit, dass die nach der Klausel zu zahlende Kapitalabfindung hinter dem versicherungsmathematischen Barwert der zugesagten Altersrente zurückblieb. Damit würde der Arbeitnehmerin bereits erdientes Entgelt im Nachhinein zumindest teilweise wieder entzogen, obwohl sie ihre Gegenleistung während des bestehenden Arbeitsverhältnisses bereits vollständig erbracht hat. Dem Interesse der Arbeitnehmerin an dem Werterhalt der zugesagten Leistung standen nach Ansicht des BAG auf Seiten des Arbeitgebers keine gleichwertigen oder gar überwiegenden Interessen gegenüber. Den Einwand des Arbeitgebers, er wolle zeitnah das Unternehmen veräußern und laufende Rentenverpflichtungen würden potenzielle Erwerber abschrecken, ließ das BAG (erwartungsgemäß) nicht als schutzwürdiges Interesse auf Arbeitgeberseite gelten.

Keine „Rettung“ durch eine ergänzende Vertragsauslegung

Auch eine ergänzende Vertragsauslegung konnte dem Arbeitgeber im entschiedenen Fall nicht zum Erfolg verhelfen. Eine solche kommt zwar im Falle der Unwirksamkeit einer AGB-Klausel im Bereich der betrieblichen Altersversorgung grundsätzlich in Betracht (hierzu bereits das Urteil des BAG vom 2. Dezember 2021 – 3 AZR 123/21). Selbst wenn allerdings eine ergänzende Vertragsauslegung dazu geführt hätte, dass zumindest die Ersetzung durch eine bartwertgleiche Kapitalzahlung erlaubt gewesen wäre, hätte dieser Vorbehalt jedenfalls vor dem Leistungsbeginn ausgeübt werden müssen. Denn ein später erklärter Vorbehalt würde zu einer Abfindung bereits laufender Rentenleistungen führen; einer solchen Abfindung stünde indes die Vorschrift des § 3 BetrAVG entgegen.

Orientierungshilfe für die Praxis?

Das (erstaunlich) kurze Urteil des BAG bringt für die Praxis weniger Klarheit, als erhofft. So kann man sich insbesondere die Frage stellen, ob das BAG eine Kapitalzahlung „durchwinken“ würde, die auf einer echten Wahlschuldklausel beruht. Ebenso bleibt offen, ob ein in AGB enthaltener Ersetzungsvorbehalt ohne Weiteres zumutbar wäre, wenn er eine dem versicherungsmathematischen Barwert der Rente entsprechende Kapitalleistung vorsieht. Dies mag man bezweifeln, wenn man berücksichtigt, dass das BAG etwa im Kontext der Ablösung von Versorgungsordnungen betont, der Wechsel einer Zusage von einer laufenden Rente hin zu einem Kapitalversprechen sei mit nicht unerheblichen Nachteilen für den betroffenen Arbeitnehmer verbunden (hierzu Urteil vom 15. Mai 2012 – 3 AZR 11/10). Möglicherweise hätte das BAG daher selbst bei einer versicherungsmathematisch gleichwertigen Kapitalleistung noch ein besonderes Interesse des Arbeitgebers an der Kapitalisierung gefordert.

Eine Orientierungshilfe könnte möglicherweise eine andere Entscheidung des BAG liefern, die ebenfalls am 17. Januar 2023 erging (3 AZR 501/21). Darin hatten die Erfurter Richter ebenso über die Wirksamkeit eines Ersetzungsvorbehalts zu entscheiden. In diesem Verfahren wurde die Sache allerdings zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LAG Hamm zurückverwiesen, das die Klausel in der Vorinstanz noch als wirksam erachtet hatte (LAG Hamm Urteil vom 11. August 2021 – 4 Sa 221/21). Die Urteilsgründe der Parallelentscheidung sind zum Zeitpunkt der Abfassung dieses Beitrags noch nicht veröffentlicht. Die Hinweise, die das BAG dem LAG vermutlich für die weitere Verhandlung mit auf den Weg gegeben hat, dürften jedoch auch für die Praxis aufschlussreich sein.

Christina Hartmann

Rechts­an­wäl­tin
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Counsel
Christina Hartmann berät Unternehmen in sämtlichen Bereichen des individuellen und kollektiven Arbeitsrechts. Neben der laufenden arbeitsrechtlichen Dauerberatung und der Vertretung in Kündigungsschutzstreitigkeiten unterstützt sie Unternehmen insbesondere bei Fragen im Bereich der betrieblichen Altersversorgung. Sie ist Mitglied der Fokusgruppe "Betriebliche Altersversorgung".
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